Mitteilungen - Recht, Personal, Organisation

StGB NRW-Mitteilung 477/2010 vom 04.11.2010

Nächtliches Alkoholverbot in Baden-Württemberg verfassungskonform

Das Bundesverfassungsgericht hat das vom Land Baden Württemberg vorgesehene nächtliche Alkoholverbot für verfassungskonform erklärt. Das Land hat den Verkauf von alkoholischen Getränken in Ladengeschäften in der Zeit von 22.00 bis 5.00 Uhr untersagt. Davon erfasst werden auch Tankstellenshops. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde hatte die Betreiberin einer Tankstelle die Verletzung ihres Grundrechtes auf Berufsfreiheit sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes gerügt. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen. Angesichts des bezweckten Schutzes hochrangiger Gemeinschaftsgüter stehe die angegriffene Regelung in einem angemessenen Verhältnis zu den grundrechtlich geschützten Belangen der Beschwerdeführerin. Beim Erwerb von Alkoholika in Tankstellen und Supermärkten findet der Konsum an Örtlichkeiten im öffentlichen Raum statt, an denen sich die Konsumenten keiner Kontrolle ausgesetzt fühlen. Das Verkaufsverbot begegne dem vor allem in danach zu beobachtenden Alkoholmissbrauch und dessen Begleiterscheinungen wie Straftaten, Störung der öffentlichen Ordnung sowie Gesundheitsgefahren. Die Verfassungsrichter teilten die Einschätzung des Gesetzgebers, wonach die ausgesprochenen Verkaufsbeschränkungen dem Alkoholmissbrauch und die Begleiterscheinungen eindämmen könnten. Aus Sicht der Hauptgeschäftsstelle ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nachdrücklich zu begrüßen. Der DStGB hatte seinerzeit das nächtliche Alkoholverkaufsverbot in Baden Württemberg unterstützt. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts kann nunmehr auch für andere Länder Signalwirkung haben, entsprechende Verkaufsverbote einzuführen. 

Der am 1. März 2010 in Kraft getretene § 3a des Gesetzes über die Ladenöffnung in Baden-Württemberg (LadÖG) untersagt den Verkauf von alkoholischen Getränken in Ladengeschäften aller Art, darunter auch Tankstellenshops, in der Zeit von 22.00 Uhr bis 5.00 Uhr. Ausgenommen von dem Verkaufsverbot sind Hofläden und Verkaufsstellen von landwirtschaftlichen Genossenschaften und Betrieben sowie auf Verkehrsflughäfen. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin, die in Baden-Württemberg eine Tankstelle einschließlich „Tankshop“ gepachtet hat, die Verletzung ihres Grundrechts auf Berufsfreiheit sowie des allgemeinen Gleichheitssatzes.  

Die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen, weil die Annahmevoraussetzungen nicht vorliegen. Insbesondere verletzt das zeitlich begrenzte Verbot des Alkoholverkaufs die Beschwerdeführerin nicht in ihren Verfassungsrechten.  

Der Landesgesetzgeber verfolge mit der Neuregelung die gewichtigen Gemeinwohlziele, einem vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden Alkoholmissbrauch und dadurch bedingten Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen.  

Die Annahme des Gesetzgebers, dass die tageszeitliche Einschränkung der Erwerbsmöglichkeiten zu einer Verringerung der mit einem missbräuchlichen Konsumverhalten einhergehenden Gefahren führt, sei nicht zu beanstanden. Es sei naheliegend, dass durch eine Begrenzung der zeitlichen Verfügbarkeit von Alkohol der vermehrte Konsum und die damit einhergehende Entstehung von Szenetreffs, insbesondere an den nicht privilegierten Verkaufsstellen wie Tankstellen und Kiosken, eingedämmt werden könne.  

Weder eine Beschränkung des Verkaufverbots auf bestimmte alkoholische Getränke noch eine Einschränkung des Verbotszeitraums wären mildere Mittel, die die Erforderlichkeit der angegriffenen Regelung entfallen lassen könnten, da sie nicht in gleichem Maße wirksam wären. Dies gelte auch für einzelfallbezogene polizeirechtliche Maßnahmen, da diese voraussetzen, dass eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bereits eingetreten sei. Ferner würden lokal begrenzte Alkoholkonsumverbote in Form von Polizeiverordnungen lediglich zu einer örtlichen Problemverlagerung führen.  

Angesichts des bezweckten Schutzes hochrangiger Gemeinschaftsgüter stehe die angegriffene Regelung in einem angemessenen Verhältnis zu den grundrechtlich geschützten Belangen der Beschwerdeführerin. Etwas anderes ergebe sich - entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin - auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Nichtraucherschutz und der geforderten folgerichtigen Umsetzung des gewählten Schutzkonzepts. Denn die dortige Ausgangssituation sei mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Der Landesgesetzgeber habe Ausnahmen vom nächtlichen Verkaufsverbot für bestimmte privilegierte Verkaufsstellen vorgesehen, weil er diesen gerade kein identisches Gefährdungspotential beimaß. Sämtlichen privilegierten Verkaufsstellen sei gemein, dass regelmäßig nicht nur der Erwerb, sondern gerade der Konsum der alkoholischen Getränke in einem Umfeld stattfinde, das durch einen höheren Grad an sozialer Kontrolle und teilweise auch der Kontrolle durch anwesende Ordnungskräfte gekennzeichnet sei. Demgegenüber finde beim Erwerb von Alkoholika in Tankstellen und Supermärkten der Konsum häufig an Örtlichkeiten im öffentlichen Raum an so genannten Szenetreffs statt, an denen sich die Konsumenten gerade keiner derartigen Kontrolle ausgesetzt fühlen.  

Vor diesem Hintergrund verletzte das angegriffene Alkoholverkaufsverbot auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Ein sachlicher Grund für die vorgenommene Differenzierung von privilegierten und nicht privilegierten Verkaufsstellen liege gerade in dem nachvollziehbar begründeten unterschiedlichen Potential der Verkaufsstellen, zur Bildung von Szenetreffs und missbräuchlichem Alkoholkonsum sowie den mit diesem verbundenen gefährlichen Begleiterscheinungen beizutragen. 

Quelle: DStGB Aktuell vom 15.10.2010

Az.: I 100-05

ICON/icon_verband ICON/icon_staedtebau ICON/icon_recht ICON/icon_finanzen ICON/icon_kultur ICON/icon_datenverarbeitung ICON/icon_gesundheit ICON/icon_verkehr ICON/icon_bau ICON/icon_umwelt icon-gemeindeverzeichnis icon-languarge icon-link-arrow icon-login icon-mail icon-plus icon-search