Heft November 2019

OVG-Rechtsprechung zur Zweitwohnungssteuer

Mit seiner grundlegenden Entscheidung zur Zukunft der Grundsteuer vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14 u. a.) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) vor allem Teile des Bewertungsgesetzes (BewG) für verfassungswidrig erklärt, zugleich aber deren befristete Fortgeltung angeordnet. Diese Entscheidung hat mittelbar auch Bedeutung für die kommunale Zweitwohnungsbesteuerung. Denn ähnlich wie das Grundsteuergesetz rekurrieren die kommunalen Zweitwohnungssteuersatzungen auf das Bewertungsgesetz (BewG) und machen die Jahresrohmiete (§ 79 BewG) zum Ausgangspunkt der Bestimmung des sog. Mietwertes - dem Steuermaßstab der Zweitwohnungssteuer. In einem zweiten Schritt gehen die Satzungen regelmäßig noch über das BewG hinaus und rechnen die Jahresrohmiete anhand bestimmter Preisindizes auf die heutige Zeit hoch (sog. Indexierung). Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg hat mit Urteil vom 20.06.2018 entschieden, eine kommunale Zweitwohnungsteuer dürfe auch in Ansehung des genannten BVerfG-Urteils nach der indexierten Jahresrohmiete i. S. d. § 79 BewG bemessen werden (vgl. auch StGB NRW-Mitteilung 543/2018 vom 15.10.2018). Das OVG Schleswig kam in zwei im Wesentlichen gleichlautenden Urteilen vom 30.01.2019 jedoch zum genau gegenteiligen Ergebnis. In den jeweiligen Revisionsverfahren hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) für den 27.11.2019 eine mündliche Verhandlung angesetzt.

OVG Lüneburg, Urteil vom 20. Juni 2018
- Az.: 9 LB 123/17 und 9 LB 124/17 -

OVG Schleswig, Urteile vom 30. Januar 2019
- Az.: 2 LB 90/18 und 2 LB 92/18 -

BVerwG, anhängiges Verfahren
- Az.: 9 C 6.18 und 9 C 7.18 - (im Nachgang OVG Lüneburg)
- Az.:  9 C 3.19 und 9 C 4.19 - (im Nachgang OVG Schleswig)

In beiden Fällen streiten Steuerschuldner und Gemeinden als Steuergläubiger um die Recht-mäßigkeit der Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer, insbesondere um die konkreten Auswirkungen des BVerfG-Urteils vom 10.04.2019 auf die kommunale Zweitwohnungsbesteuerung.

Zur Entscheidung des OVG Lüneburg:

Zunächst wird beschrieben, dass und warum der Zweitwohnungssteuermaßstab einer ab dem Hauptfeststellungszeitpunkt 01.01.1964 nach der Mietpreisentwicklung indexierten Jahresrohmiete seit jeher in ständiger höchst- und obergerichtlicher Rechtsprechung als zulässig angesehen wurde. Eine abweichende Beurteilung hierzu rechtfertige auch das Urteil des BVerfG vom 10.04.2018 nicht. Der Grundbesteuerung auf der einen und der kommunalen Zweitwohnungsbesteuerung auf der anderen Seite lägen unterschiedliche Bezugsgrößen zugrunde, bei jener die Ermittlung des Verkehrswerts, bei dieser der Aufwand eines Zweitwohnungsinhabers für das Innehaben dieser Zweitwohnung. Anders als im Falle der Grundsteuer hätten die Regelungen der Zweitwohnungssteuer im Gemeindegebiet auch keine wegen des überlangen Hauptfeststellungszeitraums verfassungswidrige Verzerrung bezogen auf den ohnehin nur pauschal erfassbaren Aufwand für das Innehaben einer Zweitwohnung zur Folge. Denn anders als bei der Grundsteuer werde bei der Bemessungsgrundlage der Zweitwohnungsteuer kein auf die Wertverhältnisse am 01.01.1964 anknüpfender Vervielfältiger i. S. d. § 80 BewG auf die Jahresrohmiete zum Stand 01.01.1964 angewandt. Vielmehr bemesse sich die Zweitwohnungsteuer wegen ihrer Indexierung gerade nicht unverändert nach dem Mietaufwand zum Stand 01.01.1964. Es sei weder konkret dargelegt noch erkennbar, dass durch dieses Verfahren eine Vergleichbarkeit der Mietwerte der Zweitwohnungen im Gemeindegebiet nicht mehr gewährleistet sei. Schließlich dürfe wegen der vom BVerfG angeordneten Fortgeltungsdauer die Zweitwohnungsbesteuerung auch noch an § 79 BewG anknüpfen, obwohl es u. a. § 79 Abs. 5 BewG für mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar erklärt habe. Denn erkläre das BVerfG eine verfassungswidrige Norm für weiter anwendbar, ändere sich an dem Inhalt und der rechtlichen Geltung der Norm im Verhältnis zu dem Zustand vor dem Urteilsspruch zunächst nichts. Ihr komme nach der Anordnung der weiteren Anwendbarkeit derselbe rechtliche Status zu wie jeder anderen Norm des geltenden Rechts und es handele sich nicht etwa um eine Norm minderen Ranges oder minderer Geltungskraft. Die Anordnung der weiteren Anwendbarkeit belasse die verfassungswidrige Norm stattdessen für einen bestimmten Zeitraum in Geltung und erlaube ihre weitere Anwendung in der Rechtspraxis.

Zur Entscheidung des OVG Schleswig:

Das OVG Schleswig ist demgegenüber der Ansicht, dass die Bemessung einer kommunalen Zweitwohnungsteuer gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoße, wenn dafür auf die anhand des Miet-spiegels zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 geschätzte Jahresrohmiete i. S. d. § 79 BewG abgestellt wird. Zwar hält auch das OVG Schleswig die Bemessung einer kommunalen Zweitwohnungsteuer nach einem normativ ermittelten und indexierten Mietwert der Zweitwohnung für grundsätzlich zulässig. Allerdings verstoße sie inzwischen in der von der Gemeinde gewählten Ausgestaltung gegen Art. 3 Abs. 1 GG, weil für höchst ungleiche Wohnungen und Häuser der gleiche Mietwert berücksichtigt werde und die Immobilienwerte sich seit 1964 innerhalb des Satzungsgebiets aufgrund ihrer Lage unterschiedlich entwickelt hätten. Zur Begründung des Gleichheitsverstoßes überträgt das OVG Schleswig im Wesentlichen die Argumentationskette des BVerfG aus seinem Urteil vom 10. April 2018 auf das Zweitwohnungssteuerrecht. Aufgrund der seit 1970 andauernden Aussetzung einer erneuten Hauptfeststellung nach dem Bewertungsgesetz komme es - so das OVG - bei der Ermittlung des Mietwerts gemäß der Satzung zu einer Auseinanderentwicklung der auf den 01.01.1964 festgestellten Jahresrohmiete und dem tatsächlichen Aufwand für das Innehaben der Zweitwohnung. Der Mietspiegel 1964 biete mittlerweile keine hinreichend objektivierbare Schätzungsgrundlage mehr. Je weiter der Hauptfeststellungszeitpunkt zurückliege und je mehr deshalb neue Gebäude in anderer Bauweise und Ausstattung als 1964 errichtet würden, desto mehr führe die Anwendung der Mietspiegel 1964 nicht nur zu veralteten, sondern auch zu nicht relationsgerechten Mietansätzen.

Auch auf das o. g. Urteil des OVG Lüneburg wird ausdrücklich Bezug genommen: Das OVG Lüneburg habe angenommen, die zwangsläufigen und mit zunehmender Dauer typischerweise immer stärkeren Verzerrungen der Einheitswerte beim Ertragswertverfahren beruhten nach den Erwägungen des BVerfG darauf, dass auf den maßgeblichen Mietertrag zum Stand 01.01.1964 (vgl. § 79 Abs. 1 und 2 BewG) ein Vervielfältiger (§ 80 BewG) angewandt werde, der nach seiner gesetzlichen Ausgestaltung ebenfalls an die Wertverhältnisse am 01.01.1964 anknüpfe. Der Entscheidung des BVerfG sei aber gerade nicht zu entnehmen, dass eine gleichheitswidrige Besteuerung nur aufgrund des Zusammenwirkens von fehlenden aktuellen Ertragsfaktoren und Anwendung eines Vervielfältigers angenommen wurde. Das BVerfG habe vielmehr festgestellt, dass das Fehlen der Erfassung heutiger Ertragsfaktoren umso mehr zu einer Erweiterung und Vertiefung der Wertverzerrungen führe, je weiter der Hauptfeststellungszeitraum voranschreite. Die Wertverzerrungen bei den Einheitswerten bestünden unabhängig von der - bei der Erhebung der Zweitwohnungsteuer nicht relevanten - Anwendung des Vervielfältigers gemäß § 80 BewG. An seiner Auffassung hält das OVG Schleswig dann konsequenterweise auch angesichts der stattfindenden Indexierung fest. Die gleichheitswidrige Besteuerung werde nicht dadurch behoben, dass der Mietwert hochgerechnet werde, weil die beschriebene Gleichbehandlung von ungleichen Sachverhalten bereits - vor der Hochrechnung - bei der Ermittlung der Jahresrohmiete erfolge. Da die Hochrechnung auf alle so ermittelten Beträge in gleicher Weise angewendet werde, werde die in den Beträgen enthaltene gleichheitswidrige Gleichbehandlung ebenfalls „nur“ hochgerechnet. Sie werde weder verschlimmert noch behoben.

Schließlich kommt das OVG Schleswig zu dem Ergebnis, dass die in der Zweitwohnungssteuersatzung normierten Steuermaßstäbe auch nicht in Anlehnung an das BVerfG-Urteil vom 10.04.2018 zunächst bis zum 31.12.2019 fortgelten würden. Der Senat habe anders als das BVerfG keine Kompetenz zu einer zeitlich befristeten Fortgeltungsanordnung des (hier satzungsrechtlichen) verfassungswidrigen Steuermaßstabes.

 

Besteuerung von Geldspielgeräten in Meschede

Das Verwaltungsgericht (VG) Arnsberg hat die Klage einer Spielhallenbetreiberin aus Meschede gegen die Heranziehung zu Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte abgewiesen.

VG Arnsberg, Urteil vom 29.08.2019
- Az.: 5 K 4315/18 -

Wie viele andere Städte und Gemeinden erhebt die Stadt Meschede eine eigene Vergnügungssteuer auf Geldspielapparate in Spielhallen. Nachdem aufgrund einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2005 die Besteuerungsgrundlagen umgestellt worden sind und die Steuer seither nach den in dem einzelnen Spielgerät eingeworfenen Geldbeträgen bemessen wird, versucht die Klägerin, die Besteuerung rechtlich zu Fall zu bringen. Hierzu argumentiert sie, die Steuer entfalte eine Erdrosselungswirkung, weil sie dazu führe, dass kein Spielgeräteaufsteller in Meschede aus den Einnahmen seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Die zum 01.04.2018 in Kraft getretene Erhöhung der Steuer von 3,5 Prozent auf 5 Prozent des Spieleinsatzes sei daher rechtlich nicht haltbar.

Das Gericht ist dieser Argumentation - wie schon in der Vergangenheit - nicht gefolgt. Es hat festgestellt, die Entwicklung der Anzahl der Spielhallen im Gebiet der Stadt Meschede zeige, dass die Steuer keineswegs zum Absterben der Spielhallenbetriebe in Meschede führe. Deren Anzahl sei im Wesentlichen seit vielen Jahren unverändert, was belege, dass der Betrieb von Spielhallen durchaus lukrativ sei. Dem entsprechend ist das Gericht auch der Argumentation des von der Klägerin beauftragten Gutachters nicht gefolgt, der mit einer Berechnung nachweisen wollte, dass schon beim Steuersatz von 3,5 Prozent ein erheblicher Jahresverlust für Spielhallen eintrete. Deswegen hat es das Gericht nicht für erforderlich gehalten, weitere Sachverständigengutachten einzuholen, wie es die Klägerin in der mündlichen Verhandlung beantragt hat.

Über einen möglichen Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hätte das Oberverwaltungsgericht in Münster zu entscheiden.

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