Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 279/1996 vom 05.06.1996
Ausschöpfung der Konzessionsabgabenhöchstsätze und vorzeitiger Neuabschluß eines 20-jährigen Konzessionsvertrages
In der kontrovers diskutierten Frage der kartellrechtlichen Zulässigkeit der zwingenden Verknüpfung der Ausschöpfung der Konzessionsabgabenhöchstsätze mit dem vorzeitigen Neuabschluß eines 20-jährigen Konzessionsvertrages hat sich nunmehr das OLG Karlsruhe (Urteil vom 14.2.1996 - 6 U 242/94 - Kart. -) bei gleichzeitiger Aufhebung der entgegenstehenden erstinstanzlichen Entscheidung des LG Mannheim (Urteil vom 23.9.1994 - 7 O 120/94 - Kart. -, Mitt.NWStGB Nr. 22 vom 20.11.1994, Ziffer 589, S. 368) der bislang in der Rechtsprechung überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. zuletzt: OLG Frankfurt/Main, Beschluß vom 9.5.1995, 11 V A-Kart - 1/94, Mitt.NWStGB Nr. 12 vom 20.06.1995, Ziffer 306, S. 181 sowie Nr. 15 vom 05.08.1995, Ziffer 382, S. 238) angeschlossen und im Ergebnis eine diesbezügliche unbillige Behinderung oder eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung der Städte und Gemeinden, die den abgeschlossenen Konzessionsvertrag bei gleichzeitiger Anhebung der Konzessionsabgabe fortsetzen und nicht zugleich einen neuen Konzessionsvertrag mit 20-jähriger Höchstlaufzeit abschließen wollen, im Ergebnis verneint.
Das Gericht führt in seinen Entscheidungsgründen u.a. folgendes aus:
"...4. Eine unbillige Behinderung oder eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung ist dagegen nicht gegeben. Die umfassende Interessenabwägung führt dazu, daß das Verhalten der Beklagten nicht als unangemessen angesehen werden kann.
a) Zunächst ist nochmals darauf hinzuweisen, daß das Angebot der Beklagten zum Abschluß eines neuen Versorgungsvertrages vor dem Hintergrund des bestehenden Vertrages zu sehen ist, auf dessen Erfüllung die Beklagte an sich bestehen könnte.
b) Nicht zu beanstanden ist es, daß die Beklagte, die im Rahmen des laufenden Vertrages nur zur Zahlung der bisherigen (niedrigen) Konzessionsabgaben verpflichtet ist, den Abschluß eines neuen Vertrages u.a. von der Vereinbarung einer neuen zwanzigjährigen Laufzeit abhängig macht. Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte trotz der für sie günstigen Endschaftsbestimmungen auf lange Vertragslaufzeiten angewiesen ist, damit sich die in dem jeweiligen Versorgungsgebiet getätigten Investitionen amortisieren können. Denn in jedem Fall erscheint es nicht unangemessen, daß die Beklagte ihre Geschäftspolitik nicht zuletzt im Hinblick auf vorhandene oder aufzubauende Kapazitäten bei der Stromherstellung auf eine langfristige Absicherung ihrer Absatzwege ausrichtet und dementsprechend für ihre Abnehmer einen Anreiz schafft, Verträge mit langen Laufzeiten abzuschließen.
c) Das Landgericht hat es als maßgeblichen Gesichtspunkt der Interessenabwägung in den Mittelpunkt seiner Erwägungen gestellt, daß der der Klägerin angebotene Vertrag unangemessene Endschaftsbestimmungen enthalte. Mit diesen Bestimmungen verstoße der Vertrag, so das Landgericht, gegen die Zielsetzung des § 103 a Abs. 1 Satz 1 GWB, indem er die dort festgelegte Laufzeit durch Erschwerungen einer Vertragsbeendigung umgehe. Ob diese Umgehung den Vertrag, der grundsätzlich unter § 1 GWB falle und der Freistellung nach § 103 Abs. 1 Nr. 2 GWB bedürfe, vollständig unwirksam mache, brauche nicht geklärt zu werden; denn es komme allein darauf an, daß die Beklagte der Klägerin Vorteile, die sie anderen Gemeinden zukommen lasse, deshalb vorenthalte, weil diese sich weigere, einen mit § 103 a GWB unvereinbaren Vertrag abzuschließen. Dieser Auffassung des Landgerichts vermag der Senat nicht zu folgen.
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß auch der bisherige Versorgungsvertrag - wie dargelegt - Endschaftsbestimmungen enthielt, die denjenigen in dem neuen Vertrag weitgehend entsprachen; insbesondere enthielt auch dieser Vertrag ursprünglich eine Sachzeitwertklausel und eine Verpflichtung zur Übernahme der Entflechtungskosten, die freilich durch die Vertragsänderung aus dem Jahre 1984 obsolet geworden sind. In erster Linie stört sich die Klägerin auch nicht daran, daß der neue Vertrag wieder Endschaftsbestimmungen enthält, die - ähnlich wie im Vertrag vom 29.12.1981/2.2. 1982 - ein Herausstreben der Gemeinde aus dem Vertrag bei Vertragsende erschweren. Sie wendet sich vielmehr vor allem dagegen, daß sie einen neuen Vertrag mit einer erneuten zwanzigjährigen Laufzeit abschließen soll, um in den Genuß der höheren Konzessionsabgaben zu kommen. Ginge es der Klägerin um kartellrechtlich bedenkliche Endschaftsbestimmungen, von deren Vereinbarung die Beklagte einen neuen Vertrag mit den höheren Konzessionsabgaben abhängig macht, so könnte sie unter Umständen aus § 26 Abs. 2 GWB einen Anspruch geltend machen, der auf Abschluß eines kartellrechlich unbedenklichen Vertrages gerichtet ist, namentlich also auf Abschluß eines Vertrages, der - bei einer Laufzeit von 20 Jahren - keine Endschaftsbestimmungen enthält, die die Gemeinde bei Vertragsende wirtschaftlich zur Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nötigen. Dagegen kann die Klägerin nicht beanspruchen, daß sie die höhere Konzessionsabgaben auch außerhalb eines langfristigen Versorgungsvertrags erhält.
d) Die Klägerin hält es insbesondere für unangemessen, daß die Beklagte den neuen Versorgungsvertrag zu einem Zeitpunkt anbietet, zu dem sie aufgrund der Ausschließlichkeitsbindung im laufenden Vertrag keinen Wettbewerb zu fürchten brauche. Auch dem vermag der Senat nicht zu folgen. Zwar ist es zutreffend, daß andere Versorgungsunternehmen der Klägerin für dieselbe Laufzeit keinen Vertrag anbieten können; denn bis zum Auslaufen des bestehenden Versorgungsvertrags ist die Klägerin gebunden. Diese Beschränkung ihrer Handlungsfreiheit ist indessen nicht in der marktbeherrschenden Stellung der Beklagten begründet, sondern hat ihre Ursache allein in der - nicht zu beanstandenden (§§ 103, 103 a GWB) - vertraglichen Bindung. Daß ein Verlängerungsvertrag noch vor Ablauf des laufenden Versorgungsvertrags abgeschlossen werden kann, wird daher auch sonst nicht in Frage gestellt, entspricht vielmehr häufig geübter, von den Kartellbehörden ausdrücklich gutgeheißener Praxis (vgl. die von den Kartellbehörden versandten Auslegungsgrundsätze unter C.3.b, abgedruckt bei Immenga/Mestmäcker/Klaue, GWB, 2. Aufl., § 103 a Rdn. 25)..."
Im weiteren Verlauf seiner Entscheidungsgründe läßt das OLG Karlsruhe übrigens die ebenfalls äußerst kontrovers beurteilte Frage offen, ob der Sachzeitwert gegen die Laufzeitregelung des § 103 a Abs. 1 Satz 1 GWB verstößt. Die Entscheidung des OLG Karlsruhe ist nicht rechtskräftig, da zwischenzeitlich seitens der Gemeinde Revision zum BGH eingelegt worden ist.
Az.: V/2-811-00