Mitteilungen - Jugend, Soziales, Gesundheit

StGB NRW-Mitteilung 648/2017 vom 19.10.2017

Bedarfsprognose zu Kinderbetreuung in Kitas und Grundschulen

Wie viele Betreuungsplätze im Kita-, Hort- und Ganztagsschulbereich werden mittelfristig tatsächlich benötigt, wenn man steigende Geburtenzahlen, Elternwünsche, Zuwanderung und den Personalersatzbedarf aufgrund des dauerhaften Ausscheidens von Fachkräften zugrunde legt? Darüber liegen bislang kaum verlässliche und sachgerechte Prognosen vor. Der Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut / TU Dortmund hat erstmalig auf der Basis einer aktualisierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts eine umfassende Prognose zum Platz-, Personal- und Finanzbedarf in aufeinander aufbauenden Szenarien erstellt.

Die erkennbaren Größenordnungen sind dramatisch. Insgesamt müssen bei Berücksichtigung aller Einflussfaktoren bis zum Jahr 2025 bundesweit mehr als 1,2 Mio. zusätzliche Plätze für Krippen, Kindergarten und Grundschulbetreuung geschaffen werden. Um dies zu erreichen, wären jährlich zusätzliche Betriebskosten von bis zu 18 Mrd. Euro und Investitionskosten von 1,4 Mrd. Euro pro Jahr notwendig. Aus kommunaler Sicht ist es zwingend erforderlich, konkrete Perspektiven zu entwickeln, wie die Finanzierung der Kinderbetreuung künftig auf eine neue finanzielle Grundlage gestellt werden kann. Dabei darf die Beitragsfreiheit nicht das primäre politische Ziel sein.

Vor fast genau vier Jahren trat der Rechtsanspruch für ein- und zweijährige Kinder auf ein Betreuungsangebot in Kraft. Im Lichte dieses Rechtsanspruchs haben insbesondere die Städte und Gemeinden in den letzten 10 Jahren einen Kraftakt unternommen, um das U3-Angebot flächendeckend auszubauen. Dennoch steigt der Elternbedarf an Plätzen weiter an. Und aufgrund der steigenden Geburtenzahlen sowie der Zuwanderung nimmt auch der Bedarf an Plätzen im Kindergartenalter wieder zu. Derzeit wird darüber hinaus von vielen Seiten ein Rechtsanspruch auf ein Betreuungsangebot für Grundschulkinder diskutiert, das immer mehr Eltern einfordern, um Beruf und Familie besser miteinander vereinbaren zu können.

Doch wie viele Betreuungsplätze im Kita-, Hort- und Ganztagsschulbereich mittelfristig wirklich benötigt werden, wenn man Elternwünsche, steigende Geburtenzahlen, Zuwanderung und den Personalersatzbedarf aufgrund des dauerhaften Ausscheidens von Fachkräften zugrunde legt — darüber liegen bislang keine verlässlichen und sachgerechten Prognosen vor.

Dies hat der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund aufgrund immer wieder gestellter Anfragen zum Anlass genommen und erstmalig auf der Basis einer aktualisierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamts eine umfassende Prognose zum Platz-, Personal- und Finanzbedarf in aufeinander aufbauenden Szenarien erstellt. Die dabei erkennbar werdenden Größenordnungen sind enorm: 

  • Insgesamt müssen bei Berücksichtigung aller Einflussfaktoren mehr als 1,2 Mio. zusätzliche Plätze für Krippe, Kindergarten und Grundschulbetreuung geschaffen beziehungsweise ausgeweitet werden.
  • Für diese zusätzlichen Plätze entsteht ein Personalmehrbedarf bis zum Jahr 2025 von bis zu 410.000 Fachkräften, 15.000 Kindertagespflegepersonen und 5.000 Stellen in Ganztagschulen, wenn man das Angebot in diesem Umfang ausbaut und gleichzeitig versucht, schrittweise die Qualitätsoffensive von Bund und Ländern umzusetzen. Zusätzlich ist mit einem Personalersatzbedarf für Fachkräfte, die in Rente gehen, von bis zu 171.000 Personen zu rechnen. Die Folge ist, dass zusammen ein Gesamtpersonalbedarf von bis zu 600.000 Personen entsteht.
  • Diesem Personalbedarf stehen Ausbildungskapazitäten von bis zu 274.000 Personen gegenüber, die bis 2025 ins das Arbeitsfeld einmünden.
  • Die Folge wäre, dass eine massive Personallücke von bis zu 330.000 Personen entsteht, die dringend geschlossen werden muss, ohne dass auch nur im Ansatz absehbar wäre, wie das unter den gegenwärtigen Rahmbedingungen zu erreichen wäre.
  • Der mit diesem Ausbau verbundene Finanzbedarf ist ebenfalls erheblich: In der maximalen Umsetzung wären jährlich zusätzliche Betriebskosten von bis zu 18 Mrd. Euro und Investitionskosten von 1,4 Mrd. pro Jahr zu erwarten.
  • Elternbeiträge, die Eltern im Jahr 2015 für den Besuch von Kitas, und Kindertagespflege gezahlt haben beliefen sich auf 3,77 Mrd. Euro. Hinzu kommen mehr als 650 Mio. Euro die von Seiten der Länder durch Beitragsbefreiungen und -reduzierungen übernommen werden. Will man Familien komplett von den Kosten für den Besuch von Kindertagesbetreuungsangeboten befreien, wäre mit Kosten in Höhe von rund 4,42 Mrd. Euro zu rechnen, wobei davon auszugehen ist, dass die Einnahmen aus Elternbeiträgen seit 2015 weiter angestiegen sind.

Der Forschungsverbund DJI/TU Dortmund plant diese Berechnungen künftig auf der Basis neuerer Daten fortzuschreiben und nach Möglichkeit auch auf der Ebene der einzelnen Länder zu präzisieren, sobald die Bevölkerungsvorausberechnungen dafür vorliegen.Die vollständige Studie kann unter www.dji.de kostenlos abgerufen werden.

Bewertung

Die vom Forschungsverbund DJI/TU Dortmund veröffentlichten Zahlen belegen eindrucksvoll die Herausforderung der Kommunen, den Rechtsanspruch für Kinder im Kita-Alter umzusetzen. Der Ausbau der Kindertagesbetreuung durch die Städte und Gemeinden ist in den vergangenen Jahren erheblich vorangeschritten. Es ist den Kommunen weitestgehend gelungen, den seit 01. August 2013 in Kraft getretenen Rechtsanspruch für 1- und 2- jährige Kinder auf einen Krippenplatz zu erfüllen.

Derzeit besuchen 763.000 Kinder unter drei Jahren eine Kindertageseinrichtung oder die Kindertagespflege. Im Vergleich zum Jahr 2006 sind somit 477.000 Plätze zusätzlich entstanden. Die Kosten für die Kindertagesbetreuung, die zu rund 70 Prozent von den Kommunen und Ländern getragen werden, sind im gleichen Zeitraum von rund 11 Mrd. Euro auf 26,7 Mrd. angestiegen. Der Bund beteiligt sich an den jährlichen Betriebskosten jährlich lediglich mit 845 Mio. Euro, profitiert davon allerdings überproportional, wenn Frauen früher in den Beruf einsteigen und damit auch mehr Steuern zahlen.

Der Ausbau bleibt nach wie vor eine Herkulesaufgabe und ist bei weitem noch nicht abgeschlossen. Darüber hinaus haben sich Bund und Länder auf Qualitätsverbesserungen geeinigt. Im nächsten Schritt müssen allerdings konkrete Zusagen über die Höhe der finanziellen Mittel zur Qualitätsverbesserung gegeben werden. Auch der Finanzierungsweg muss klar sein, damit die zusätzlichen Mittel vollständig bei den Kommunen ankommen.

Mit dem Ausbau der Kinderbetreuung ist auch der Kreis der beschäftigten Fachkräfte auf einen Höchststand angewachsen. Die Erweiterung der Beschäftigten um über 237.000 Personen im Vergleich zum Jahr 2006 konnte nur dadurch erreicht werden, dass einerseits die Ausbildungskapazitäten für die einschlägigen Berufe ausgeweitet wurden und andererseits viele nicht mehr beruflich aktive Erzieher/-innen wieder für die Arbeit in der Kindertageseinrichtung gewonnen werden konnten. Allerdings fehlt in einigen Regionen schlichtweg das notwendige Fachpersonal. Nicht ohne Grund fordern einige Länder den Beruf der Erzieherin/des Erziehers als Mangelberuf erklären zu lassen.

Es besteht ein enormer Personalbedarf der bis zum Jahr 2025 auf bundesweit insgesamt bis zu mindestens 600.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte, Leitungen und Tagespflegepersonen anwachsen wird. Um den Bedarf von Erzieherinnen und Erziehern kurzfristig, aber auch längerfristig abdecken zu können, müssen neue Wege beschritten werden zum Beispiel in der dualen Ausbildung. Auch müssen Ausbildungsabschlüsse ausländischer Personen schneller anerkannt werden. (Quelle: DStGB Aktuell)

Az.: 35.0.8.1-001/004

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