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StGB NRW-Mitteilung 400/2017 vom 21.06.2017
Bundesfinanzhof zu Gewerblichkeit freiberuflicher Übersetzungstätigkeit
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 21.02.2017 - Aktenzeichen VIII R 45/13 - entschieden, dass eine Personengesellschaft, die ihren Kunden im Rahmen einheitlicher Aufträge regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang Übersetzungen auch in Sprachen, die ihre Gesellschafter nicht selbst beherrschen, liefert, gewerblich tätig ist und der Gewerbesteuer unterliegt.
Im Streitfall fertigte die Klägerin - eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die auf technische Übersetzungen spezialisiert ist - technische Handbücher, Bedienungsanleitungen und ähnliche Dokumentationen für ihre Kunden. Die auftragsgemäß geschuldeten Übersetzungen erfolgten regelmäßig und in nicht unerheblichem Umfang auch in solchen Sprachen, die die Gesellschafter der Klägerin nicht beherrschten. Hierfür schaltete die Klägerin Fremdübersetzer ein und nutzte — weil sie Textteile wiederverwenden konnte — ein sogenanntes Translation Memory System, das heißt ein System zur rechnergestützten Übersetzung und Speicherung von Texten.
Während die Klägerin ihre Tätigkeit als freiberuflich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ansah, war das Finanzamt der Meinung, sie sei gewerblich tätig, und erließ für die Streitjahre 2003 bis 2007 Gewerbesteuermessbescheide. Das nachfolgende Klageverfahren blieb ohne Erfolg.
Der BFH hat betont, dass eine freiberufliche Übersetzertätigkeit einer Personengesellschaft nur dann anzunehmen sei, wenn deren Gesellschafter aufgrund eigener Sprachkenntnisse in der Lage seien, die beauftragte Übersetzungsleistung entweder selbst zu erbringen oder aber im Rahmen einer gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zulässigen Mitarbeit fachlich vorgebildeter Personen leitend und eigenverantwortlich tätig zu werden. Beherrschten die Gesellschafter hingegen die beauftragten Sprachen nicht selbst, könne die Gesellschaft nicht freiberuflich tätig sein. Ein Defizit im Bereich eigener Sprachkompetenz könne grundsätzlich weder durch den Einsatz eines Translation Memory Systems noch durch die Unterstützung und sorgfältige Auswahl eingesetzter Fremdübersetzer ausgeglichen werden, da die Richtigkeit der Übersetzungen nicht überprüft werden könne.
Für die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit muss nach der BFH-Rechtsprechung die individuelle, über die Leitungsfunktion hinausgehende Qualifikation des Betriebsinhabers den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit umfassen, d.h. der Betriebsinhaber muss über alle erforderlichen Kenntnisse im Umfang der gesamten ausgeübten betrieblichen Tätigkeit verfügen.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) bestellten die Kunden der Klägerin auf Grundlage einheitlicher Aufträge Übersetzungen selbst erstellter Dokumentationen in mehrere Sprachen, wobei regelmäßig auch Übersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter der Klägerin nicht beherrschten, zu erbringen waren. So hat die Klägerin in den Streitjahren Übersetzungen in Türkisch, Arabisch, Schwedisch, Slowenisch, Polnisch, Italienisch, Dänisch, Niederländisch, Russisch, Portugiesisch, Bulgarisch und etliche weitere Sprachen gefertigt. Dies konnte sie nur unter Zuhilfenahme von Fremdübersetzern, wobei ihr die inhaltliche Kontrolle der übersetzten Texte wegen der insoweit fehlenden Sprachkenntnisse ihrer Gesellschafter nicht möglich war.
Der Anteil der zugekauften Fremdleistungen an den Umsatzerlösen betrug nach den Feststellungen des FG 26 Prozent bis 56 Prozent; die Klägerin beziffert den Anteil des Zukaufs von Übersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter nicht beherrschten, auf 15 Prozent bis 26 Prozent des Nettoumsatzes. Danach war der Zukauf von Übersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter nicht selbst beherrschten, zum einen dem Umfang nach nicht unerheblich und er war zum anderen auch zur Erledigung des weit überwiegenden Teiles ihrer Aufträge notwendig, d.h. er war zur Erfüllung der Aufträge der Klägerin strukturell erforderlich. Eine solche Übersetzungstätigkeit ist nach dem BFH gewerblich, da sich die Kenntnisse der Gesellschafter der Klägerin nicht auf den gesamten Bereich der betrieblichen Tätigkeit erstrecken.
Dass wesentliche Teile der jeweiligen Aufträge von den Gesellschaftern selbst übersetzt werden bzw. unter Heranziehung von Fremdübersetzungen in Sprachen, die die Gesellschafter beherrschten, erledigt werden konnten, ändert hieran nichts. Auch der Umstand, dass die Klägerin für die zugekauften Fremdübersetzungen im Rahmen des von ihr gefertigten "Gesamtproduktes" gegenüber ihren Kunden verantwortlich war, nimmt ihrer Tätigkeit nicht den gewerblichen Charakter.
Ist hiernach die Tätigkeit der Klägerin gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG i.V.m. § 2 Abs. 1 Satz 2 GewStG mangels einer insgesamt freiberuflichen Tätigkeit der Gesellschafter gewerblich, kommt es auf die sogenannte Geprägerechtsprechung, die die steuerliche Einordnung von bereits ihrer Art nach unterschiedlichen Tätigkeiten, die im konkreten Einzelfall untrennbar verflochten sind, betrifft, ebenso wenig an wie auf eine sogenannte Abfärbung einer gewerblichen Betätigung auf eine freiberufliche Betätigung (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG).
Das Urteil des BFH vom 21.02.2017 kann unter Angabe des Aktenzeichen VIII R 45/13 im Internet unter www.bundesfinanzhof.de heruntergeladen werden.
Az.: 41.6.2.1-002/002