Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 398/2017 vom 21.06.2017

Bundesverfassungsgericht zu Rechtmäßigkeit der Kernbrennstoffsteuer

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 13.04.2017 (2 BvL 6/13) befunden: „Das Kernbrennstoffsteuergesetz vom 8. Dezember 2010 … ist mit Art. 105 Abs. 2 GG in Verbindung mit Art. 106 Abs. 1 Nummer 2 GG unvereinbar und nichtig. Dem Bundesgesetzgeber fehlte die Gesetzgebungskompetenz zu seinem Erlass.“ Ein teurer Richterspruch aus Karlsruhe für die öffentliche Hand, der diese bis zu 7 Milliarden Euro kosten dürfte.

Im Jahr 2010 hatte die damalige Bundesregierung ein Sparpaket geschnürt. Zu diesem sollten die Bürger beitragen, aber auch die Wirtschaft. Zu diesem Zweck sollten die Finanztransaktionsteuer und eben auch die Steuer auf Brennelemente eingeführt werden. Auch im Gegenzug für die noch im Herbst 2010 beschlossene Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke. Eine Finanztransaktionsteuer hat in Deutschland und in der EU seitdem immer wieder reichlich Stoff für Diskussionen über ihre Einführung geliefert, in Ermangelung eben dieser Einführung bis heute aber keinen Euro Steuereinnahmen.

Im Frühjahr 2011 geschah dann die Katastrophe in Fukushima. Seit dem Jahr 2011 hatte die sog. Brennelementesteuer bis Ende 2016 etwa 6,3 Milliarden Euro Steuern an den Bund eingebracht, die nun - wie es aussieht - zurückgezahlt werden müssen, zuzüglich 6 Prozent Zinsen per annum, was sich auf einen zusätzlichen Zinsbetrag von dem Vernehmen nach rund 700 Millionen Euro summiert. In Summe also 7 Milliarden Euro.

Rückzahlungslast

Allein der guten Konjunktur und den steigenden Steuereinnahmen ist es zu danken, dass man sich in der Bundesregierung Hoffnungen macht, diese etwa 7 Milliarden Euro fällige Rückzahlungen an die Atomkonzerne aus dem laufenden Haushalt bezahlen zu können. Denn für den harten Richterspruch aus Karlsruhe hatte niemand eine Rücklage gebildet. Was aber nichts daran ändert, dass diese 7 Milliarden Euro trotzdem im Bundeshaushalt und damit an anderer Stelle fehlen werden. Zudem wird in der Regierungskoalition überlegt, ob man nun nicht auch eine höhere Entnahme aus der Flüchtlingsrücklage machen soll, um sich mehr Haushaltsspielraum zu verschaffen. Wenn man die steil steigenden Kosten für Migration, Integration und damit verbundenen Sozialausgaben sieht, liegt aber der Ruf nahe, dass die Mittel in der Flüchtlingsrücklage noch dringend dafür benötigt werden.

Wer die knapp 60 Seiten des Urteils und die abweichende Meinung der Richter Huber und Müller liest, wird neben vielen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vor allem eines lesen: Gescheitert ist die Brennelementesteuer an einer formalen Frage, der mangelnden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes. Der Bund hatte 2010/2011 argumentiert, die Brennelementesteuer sei eine "Verbrauchsteuer", wofür er zuständig sei. „Verbrauchsteuer“, das kennt man vom Tabak oder dem Kaffee. Und es ist der Verbraucher, der sie letztlich bezahlt. Das ist bei der Brennelementesteuer nicht so, sagt das Gericht. Der Bund hatte ein Gesetz gemacht, das er mangels Zuständigkeit nicht hätte machen dürfen, was ihm wohl nicht aufgefallen war. Diese formale Frage ist aber keine Lappalie, im Gegenteil, sie führt zur rückwirkenden Nichtigkeit des Gesetzes.

Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht war unter anderem argumentiert worden: Der Bund habe - ungeachtet dessen, ob ihm überhaupt ein Steuererfindungsrecht zustehe - jedenfalls kein Steuererfindungsrecht hinsichtlich solcher Steuern, die im Rahmen der Körperschaftsteuer oder der Gewerbesteuer als Betriebsausgaben aufkommensmindernd zu berücksichtigen seien. Über diesen Mechanismus bewirke die Kernbrennstoffsteuer einen - verfassungsrechtlich nicht vorgesehenen - „verkappten Finanzausgleich“ zulasten der Länder und Gemeinden. Eine solche, das Steueraufkommen der Länder und Gemeinden mittelbar vermindernde Steuer könne der Bund mit Blick auf das Gefüge der Ertragskompetenztitel des Art. 106 GG und das Gefüge der Gesetzgebungskompetenztitel des Art. 105 GG mangels finanzverfassungsrechtlicher Kompetenz nicht erfinden. Zumindest hätte einem solchen Gesetz zur Wahrung der Länderrechte der Bundesrat zustimmen müssen, was nicht geschehen sei.

Auswirkungen auf Kommunen

Mit anderen Worten: Die Gemeinden haben die Steuereinnahmen des Bundes aus der Brennelementesteuer mitfinanziert, durch Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer, und die Länder durch Mindereinnahmen bei der Körperschaftsteuer, soweit die Atomkonzerne die Steuerlast aus der Brennelementesteuer vom Ergebnis steuermindernd absetzen konnten. Eine Steuerlast, die ihnen nun rückwirkend vom Fiskus zuzüglich 6 Prozent Zinsen erstattet wird. Zusammen mit den Steuerzahlern wurden die Gemeinden ursprünglich doppelt belastet: durch Steuermindereinnahmen und womöglich auch durch weniger Finanzzuweisungen letztlich aus der Bundeskasse.

Da allerdings davon auszugehen ist, dass die in Folge der BVerfG-Entscheidung kommende Steuerrückerstattung durch den Bund an die Konzerne deren gewerbesteuerpflichtige Einnahmen erhöht, profitieren zumindest einige (Standort-)Gemeinden von erhöhten Gewerbeerträgen. Das Volumen des erwartbaren Steuerzuwachses lässt sich länderspezifisch oder gar gemeindespezifisch noch nicht abschätzen. Abzuwarten bleibt, ob die Auswirkungen der Steuerrückerstattung auf die Gewerbesteuer bereits im nächsten Orientierungsdatenerlass für die mittelfristige Ergebnis- und Finanzplanung der Gemeinden und Gemeindeverbände, der jährlich vom NRW-Innenministerium herausgegeben wird, Berücksichtigung finden können.

Das Bundesverfassungsgerichts führt in seiner Entscheidung aus: „Die Finanzverfassung des Grundgesetzes ist Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung. Sie soll eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft angemessen beteiligt. Bund und Länder müssen im Rahmen der verfügbaren Gesamteinnahmen so ausgestattet werden, dass sie die Ausgaben leisten können, die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlich sind. Der strikten Beachtung der finanzverfassungsrechtlichen Zuständigkeitsbereiche von Bund und Ländern kommt eine überragende Bedeutung für die Stabilität der bundesstaatlichen Verfassung zu. … Unsicherheiten in der Ertragszuordnung würden in diesem Kontext zu erheblichen Verwerfungen im Bereich der Befriedungsfunktion der Finanzverfassung führen.“

Az.: 41.6.9.3-002/002 mu

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