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StGB NRW-Mitteilung 35/1997 vom 20.01.1997
Fahrkostenerstattung für deutsche Schülerinnen und Schüler mit ständigem Wohnsitz im benachbarten Ausland
Von einer unserer Mitgliedsstädte ist die Frage an uns herangetragen worden, ob die Möglichkeit besteht, die Aufnahme deutscher Schülerinnen und Schüler aus dem benachbarten Ausland in eine Grundschule davon abhängig zu machen, daß keine Schülerfahrkosten übernommen werden.
Wir haben hierzu die nachfolgend wiedergegebene Auffassung vertreten:
Die Frage, ob die deutsche Kommune in jedem Fall zur Übernahme der (vollen) Fahrkosten verpflichtet ist oder ob eine Verzichtsvereinbarung mit den Schülern bzw. Erziehungsberechtigten getroffen werden kann, richtet sich nach den einschlägigen Vorschriften der Schülerfahrkostenverordnung im Zusammenspiel mit dem Schulpflichtgesetz und dem Schulverwaltungsgesetz.
Da die Schülerfahrkostenverordnung eine eindeutige Antwort für diese spezielle Konstellation nicht enthält, kann ein Ergebnis nur im Wege der Auslegung gefunden werden. Die Schülerfahrkostenverordnung regelt folgenden "Normalfall":
Ein Schüler mit dem Wohnsitz in der Gemeinde A besucht eine Schule in der Gemeinde B. Nach § 4 Schülerfahrkostenverordnung ist die Gemeinde B als Schulträgerin verpflichtet, die entstehenden Schülerfahrkosten (im Rahmen des § 9) zu übernehmen. Aus den Verwaltungsvorschriften zu § 17 (Nr. 17.32) ergibt sich, daß dies grundsätzlich auch für die Übernahme von Kosten für Schüler mit Wohnsitz im benachbarten Ausland gilt.
Die Verwaltungsvorschriften zu § 4 (Nr. 4.12) legen fest, daß die Aufnahme eines außerhalb des Schulbezirks oder des Schuleinzugsbereichs wohnhaften Schülers nicht davon abhängig gemacht werden kann, daß auf einen Antrag zur Übernahme von Schülerfahrkosten seitens des Schüler und/oder seiner Erziehungsberechtigten verzichtet wird (s. § 56 in Verbindung mit § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz). Im vorliegenden Fall ist allerdings nach Sinn und Zweck der Verwaltungsvorschriften zu § 4 (Nr. 4.12) zu fragen. Nach der einschlägigen Kommentierung bei Lieberich/Rombey (Randziffer 3 zu § 4) soll Nr. 4.12 der Verwaltungsvorschriften sicherstellen, daß bei einem Antrag auf Genehmigung eines "auswärtigen" Schulbesuchs nach § 6 Abs. 3 Schulpflichtgesetz das Einverständnis des aufnehmenden Schulträgers nicht vom Verzicht auf Schülerfahrkostenübernahme abhängig gemacht werden kann.
Dieser Gedanke trägt jedoch im vorliegenden Fall nicht, da die im Ausland wohnenden Kinder nicht nach dem Nordrhein-Westfälischen Schulpflichtgesetz schulpflichtig sind (vgl. § 1 Schulpflichtgesetz). Es besteht auch keineswegs ein Anspruch im Sinne des § 36 Verwaltungsverfahrensgesetz der im Ausland wohnenden Kinder auf Aufnahme in eine Grundschule in der deutschen Kommune.
Vor diesem Hintergrund scheint der Geschäftsstelle eine Anwendung der Nr. 4.12 VV auf den vorliegenden Fall nicht sachgerecht, da die Entscheidungsmöglichkeiten der deutschen Kommune auf die Alternativen beschränkt würden, entweder die Aufnahme der Schüler vollständig abzulehnen oder die Schüler mit allen Konsequenzen (insbesondere Übernahme der Fahrkosten) aufzunehmen. Diese Lösung kann letztlich auch nicht im Interesse der Erziehungsberechtigten der betroffenen Schüler sein.
Da Nr. 4.12 VV in dem Klammerzusatz ausdrücklich auf die §§ 56 und 36 Verwaltungsverfahrensgesetz verweist, ein entsprechender Anwendungsfall aber nicht gegeben ist, ist die Geschäftsstelle der Auffassung, daß in diesem besonderen Fall der Abschluß von Verzichtsverträgen rechtlich zulässig wäre. Dieses Ergebnis erscheint auch deshalb vertretbar, da Städte und Gemeinden im benachbarten Ausland nicht am System des horizontalen Lastenausgleichs im GFG beteiligt sind, vor dessen Hintergrund die Schülerfahrkostenverordnung NW zu sehen ist.
Das Ministerium für Schule und Weiterbildung, das wir in dieser Frage um eine Stellungnahme gebeten hatten, gelangt im Ergebnis zu einer gegenteiligen Auffassung. Das Schreiben ist nachfolgend wiedergegeben:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
Ihrer Rechtsauffassung stimme ich darin zu, daß deutsche Kinder mit ständigem Wohnsitz in den Niederlanden oder Belgien (und ohne gewöhnlichen Aufenthalt in Nordrhein-Westfalen) nicht nach dem Schulpflichtgesetz des Landes schulpflichtig sind und ihrerseits auch keinen Anspruch auf Aufnahme in die Grundschule einer nordrhein-westfälischen Gemeinde haben.
Demgegenüber verpflichtet das Schulfinanzgesetz (§ 2 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 und § 7) den Schulträger jedoch zur Erstattung von Schülerfahrkosten nach Maßgabe der aufgrund des § 7 Abs. 3 erlassenen Verordnung gegenüber allen Schülerinnen und Schülern seiner Schulen, unabhängig von ihrem Wohnsitz. Nr. 17.32 der Verwaltungsvorschriften zur Ausführung der Schülerfahrkostenverordnung beinhaltet lediglich die Klarstellung, daß sich die Schülerfahrkostenerstattung auch für Schülerinnen und Schüler aus dem benachbarten Ausland nach dem Schulträgerprinzip richtet.
Gleiches gilt nach Auffassung des Verwaltungsgerichts Minden (Urteil vom 10.06.1992 - 3 K 2785/91 -) im übrigen uneingeschränkt auch für Schülerinnen und Schüler aus einem anderen Bundesland, unabhängig von einer Gegenseitigkeitsvereinbarung. Da das aufgrund des Schulfinanzgesetzes geltende Schulträgerprinzip, das in § 4 Abs. 1 Satz 1 Schülerfahrkostenverordnung lediglich wiederholt werde, vom Gesetzgeber bisher hinsichtlich der "Nicht-Landeskinder" weder aufgehoben noch modifiziert worden sei, verstoße § 17 Abs. 3 SchfkVO gegen das Schulfinanzgesetz und sei daher unwirksam.
Da bei dem Besuch einer Schule in Nordrhein-Westfalen und dem Vorligen der übrigen Voraussetzungen nach geltendem Recht auch Schülerinnen und Schüler mit ständigem Wohnsitz in den Niederlanden oder Belgien Anspruch auf Fahrkostenerstattung haben, halte ich es für problematisch, in diesen Fällen die Aufnahme in die Schule von dem Verzicht auf Fahrkostenerstattung abhängig zu machen. Jedenfalls sind Eltern, die sich zunächst zu einer entsprechenden Verzichtserklärung bereit finden, um die Aufnahme des Kindes in die Schule zu erreichen, später nicht gehindert, den Anspruch auf Fahrkostenerstattung geltend zu machen.
Es widerspricht nicht nur den Interessen der Eltern, sondern ist auch mit dem öffentlichen Interesse unvereinbar, wenn deutschen Schülerinnen und Schülern aus dem benachbarten Ausland der Zugang zu deutschen Schulen wegen der dadurch entstehenden Schülerfahrkosten verwehrt wird. Da aber andererseits die betroffenen Gemeinden in der Berücksichtigung dieser Kinder beim Schüleransatz im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs keinen angemessenen Ausgleich ihrer Aufwendungen sehen, muß m.E. für eine befriedigende Lösung in Betracht gezogen werden, durch Änderung des Schulfinanzgesetzes die Schülerfahrkostenerstattung unter grundsätzlicher Beibehaltung des Schulträgerprinzips auf Schülerinnen und Schüler mit Wohnsitz in Nordrhein-Westfalen zu beschränken. Die Erstattungsregelungen der Länder Hessen, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz lassen eine solche Einschränkung ebenfalls als sinnvoll erscheinen."
Die Geschäftsstelle hält demgegenüber an ihrer eingangs dargestellten Rechtsauffassung fest.
Az.: II/1 214-50/2