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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 528/2005 vom 23.06.2005
Klagen wegen Feinstaub erfolgreich
Auf die Klagen zweier Bewohner von Stuttgart hat die 16. Kammer des Verwaltungsgerichts Stuttgart am 31.05.2005 (Az.:16 K 1120/05 und 16 K 1121/05) das beklagte Land Baden-Württemberg vertreten durch das Regierungspräsidium Stuttgart dazu verurteilt, für das Gebiet der Landeshauptstadt Stuttgart einen immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan im Hinblick auf Überschreitungen der für Feinschwebestaub verordneten Immissionsgrenzwerte aufzustellen. Damit hatte ein entsprechendes Anwohnerbegehren vor den Verwaltungsgerichten erstmalig Erfolg.
Der Gerichtsentscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Kläger machten die Gefahr von Schäden an ihrer Gesundheit als Folge des den festgelegten Grenzwert überschreitenden, verbotenen Feinschwebestaubes an bestimmten (Mess-)Stellen im Stadtgebiet von Stuttgart geltend. Sie forderten deshalb vom Beklagten, einen immissionsschutzrechtlichen Aktionsplan aufzustellen, der inhaltlich festzulegen habe, welche geeigneten Maßnahmen im Stadtgebiet - von den örtlich zuständigen Behörden - kurzfristig zu ergreifen seien zum Schutze ihrer Gesundheit gegen die bereits verwirklichte Gefahr der lokalen Überschreitung des seit 01.01.2005 geltenden Tagesmittelwertes für Feinschwebestaub (Partikel mit der Bezeichnung PM10) von 50 µm/m3 unter Berücksichtigung von 35 zulässigen Überschreitungen je Kalenderjahr.
Die UMEG (Zentrum für Umweltmessungen, Umwelterhebungen und Gerätesicherheit Baden-Württemberg) mit Sitz in Karlsruhe, führt seit Anfang 2004 PM10-Spotmessungen an hoch belasteten Hauptverkehrsstraßen von Stuttgart (Arnulf-Klett-Platz, Neckartor, Hohenheimer Straße, Siemensstraße, Waiblinger Straße) durch. Die Messungen erbrachten Werte von mehr als 50 µm/m3 an mehr als 35 Tagen, bezogen auf das Kalenderjahr 2004. Der erst für das Jahr 2005 maßgebende Grenzwert war zum Entscheidungszeitpunkt bereits an mehr als 70 Tagen überschritten.
Die beiden Kläger, die jeweils in der Nähe von verschiedenen Probenahmestellen mit festgestellten Überschreitungen wohnen, haben Ende März 2005 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klagen gegen das Land Baden-Württemberg eingereicht. Sie rügen, dass das Land durch das beauftragte Regierungspräsidium Stuttgart bisher seiner gesetzlichen Verpflichtung aus dem BImSchG und aus der 22. BImSchV zur Aufstellung eines Aktionsplanes für den Ballungsraum Stuttgart noch nicht nachgekommen sei, und begehrten eine entsprechende Verurteilung des Landes.
Dad VG Stuttgart führt in seinen Urteilen vom 31.5.2005 im Wesentlichen aus:
1. Der von den Klägern erstrebte, auf der Grundlage des BImSchG zwingend zu erlassende Aktionsplan dient der Durchsetzung der europarechtlich veranlassten und beeinflussten Vorschriften der 22. BImSchV, wonach es nicht nur im Interesse der Umwelt im Allgemeinen, sondern vor allem im Interesse der menschlichen Gesundheit erforderlich ist, dass der seit 01.01.2005 für Feinschwebestaub geltende Grenzwert unter Berücksichtigung von Toleranzmargen (35 Tage / Kalenderjahr) eingehalten und dann nicht mehr überschritten wird.
2. Das VG Stuttgart hat erkannt, dass die Kläger zu den Menschen gehören, die von der Grenzwertregelung der 22. BImSchV in ihrer Gesundheit geschützt sind. Schutz der menschlichen Gesundheit im Allgemeinen ohne effektiven, einklagbaren Schutz der Gesundheit Einzelner im Besonderen wäre ein Widerspruch in sich, so das VG Stuttgart. Die Kläger gehören nach dem VG Stuttgart als Bewohner von Stuttgart einem Personenkreis an, der sich durch das Vorliegen eines so genannten faktischen Aktionsplangebietes nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch individualisieren lasse. Unter einem faktischen Aktionsplangebiet sei, was das Stadtgebiet von Stuttgart anbelange, ein Ballungsraum im Sinne der 22. BImSchV zu verstehen, für den es einen Aktionsplan - aus welchen Gründen auch immer - zwar noch nicht gebe, für den aber ein solcher Plan zwingend aufzustellen sei, weil die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür gegeben seien. Das faktische Aktionsplangebiet entspreche einem immissionsschutzrechtlichen Gefahrengebiet, weil es durch die Gefahr gekennzeichnet sei, dass die festgelegten Grenzwerte überschritten werden könnten.
3. Das VG Stuttgart hat ferner festgestellt, dass die auch im Interesse der Kläger bestehende Verpflichtung des Landes Baden-Württemberg, einen Aktionsplan für den Ballungsraum Stuttgart aufzustellen, nicht erst seit August 2004 bestand, nachdem die Grenzwertüberschreitungen erstmalig bekannt waren. Das VG Stuttgart ist vielmehr der Auffassung, die Verpflichtung ist sei schon in dem Zeitpunkt entstanden, in dem die 22. BImSchV in Kraft getreten sei, nämlich im September 2002.
Gegen die Urteile hat das VG Stuttgart die Berufung zugelassen. Die Geschäftsstelle weist ergänzend darauf hin, dass obergerichtliche Rechtsprechung zu diesem Themenkomplex noch nicht vorliegt. In NRW liegen bislang keine verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen vor. Im Übrigen wird auf die Mitt. StGB NRW 2005 Nr. 460, Nr. 464, Nr. 387, Nr. 139 und Nr. 138) verwiesen.
Az.: II/2 70-11 qu/g