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StGB NRW-Mitteilung 533/2011 vom 15.11.2011
Neues Bundeskinderschutzgesetz beschlossen
Der Bundestag hat am 27.10.2011 ein neues Bundeskinderschutzgesetz beschlossen. Alle hauptamtlichen Mitarbeiter in der öffentlichen und freien Jugendhilfe müssen danach künftig ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen, Ärzte oder andere Berufsgeheimnisträger dürfen künftig Informationen an das Jugendamt weitergeben und der Einsatz von Familienhebammen soll gestärkt werden. Hierfür will das Bundesfamilienministerium ab 2012 vier Jahre lang jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung stellen. Aus kommunaler Sicht wird jedoch eine dauerhafte Beteiligung des Bundes an dem Einsatz von Familienhebammen benötigt. Bei den neuen Aufgaben, die den Kommunen zur Umsetzung der neuen Standards in der Prävention übertragen werden sollen, fehlt die Finanzierung sogar ganz.
- Frühe Hilfen und Netzwerke für werdende Eltern
Das Gesetz schafft die rechtliche Grundlage dafür, leicht zugängliche Hilfeangebote für Familien vor und nach der Geburt und in den ersten Lebensjahren des Kindes flächendeckend einzuführen beziehungsweise zu verstetigen. Alle wichtigen Akteure im Kinderschutz - wie Jugendämter, Schulen, Gesundheitsämter, Krankenhäuser, Ärzte, Schwangerschaftsberatungsstellen und Polizei - sollen dafür in einem Kooperationsnetzwerk zusammengeführt werden.
- Stärkung des Einsatzes von Familienhebammen
Das Bundesfamilienministerium wird mit einer Bundesinitiative ab 2012 vier Jahre lang jährlich 30 Millionen Euro zum Ausbau des Einsatzes von Familienhebammen zur Verfügung stellen.
- Ausschluss einschlägig Vorbestrafter von Tätigkeiten in der Kinder- und Jugendhilfe
Alle hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der öffentlichen und freien Jugendhilfe müssen ein erweitertes Führungszeugnis vorlegen. Ehrenamtliche vereinbaren mit den Trägern, für welche Tätigkeiten dies nötig ist.
- Berufsgeheimnisträger dürfen Informationen an Jugendamt weitergeben
Häufig ist eine Kindesgefährdung für Ärzte oder andere sogenannte Berufsgeheimnisträger als erste erkennbar. Das Gesetz bietet erstmals eine klare Regelung, die einerseits die Vertrauensbeziehung zwischen Arzt und Patient schütze, andererseits aber auch die Weitergabe wichtiger Informationen an das Jugendamt ermöglicht.
- Regelung zum Hausbesuch
Der Hausbesuch soll zur Pflicht werden - allerdings nur dann, wenn er nach fachlicher Einschätzung erforderlich ist und der Schutz des Kindes dadurch nicht gefährdet wird.
- Verbindliche Standards in der Kinder- und Jugendhilfe
Eine kontinuierliche Qualitätsentwicklung wird künftig in allen Bereichen der Kinder-und Jugendhilfe zur Pflicht. Dabei geht es insbesondere um die Entwicklung, Anwendung und Überprüfung von Standards für die Sicherung der Rechte von Kindern und Jugendlichen in Einrichtungen und ihren Schutz vor Gewalt. An die Umsetzung von Maßnahmen zur Qualitätsentwicklung und -sicherung soll sich auch die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln knüpfen.
Der DStGB bewertet den Gesetzentwurf von seiner Zielrichtung her grundsätzlich positiv. Einschränkend sei grundlegend darauf hinzuweisen, dass mit dem Entwurf des Bundeskinderschutzgesetzes teilweise normiert werden soll, was in der Angebotsstruktur der kommunalen Jugendhilfe bereits gängige Praxis ist. Die Anwendung fachlicher Standards, die Qualitätsentwicklung und die Qualitätssicherung seien bereits Bestandteile kommunalen Handelns. Insofern würden mit dem Gesetzentwurf teilweise lediglich bereits laufende Entwicklungen und Prozesse nachvollzogen. Daher komme es zu Überregulierungen. Die Zusammensetzung eines Netzwerkes Früher Hilfen müsse nicht in einem Bundesgesetz geregelt werden, sondern sollte den Akteuren vor Ort überlassen bleiben.
Von besonderer Bedeutung sind die finanziellen Fragen des Gesetzentwurfs. In zahlreichen Regelungen werden neue Verfahrens- und Personalstandards gesetzt, die insbesondere an die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe gerichtet sind. Zudem werden die Aufsichts- und Kontrollpflichten der Jugendämter erweitert. Durch die nunmehr konstitutiven Bestimmungen im jeweiligen Landesrecht werden Landkreise, kreisfreie Städte und teilweise auch kreisangehörige Städte als örtliche Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit neuen Aufgaben betraut. Die Bundesländer trifft daher die Pflicht, die Kostenfolgen der neuen Aufgaben über die verfassungsrechtlichen Konnexitätsregelungen auszugleichen.
Von den seitens des Bundes bezifferten Mehrkosten in Höhe von im Jahr 2012 119 Mio., ab 2014 94 Mio. Euro jährlich wird der Bund zudem ausschließlich für die Etablierung der sog. Familienhebammen und hierfür nur zeitlich befristet auf vier Jahre 30 Mio. Euro pro Jahr zur Verfügung stellen. Neben der Frage der Auskömmlichkeit dieser Mittel steht hier zu befürchten, dass nach Auslaufen der befristeten Bundesfinanzierung eine kommunale Verstetigung erwartet wird und damit letztlich Erwartungen geweckt werden, die nicht finanzierbar sind. Daher spielt zwischen Bund, Ländern und Kommunen insbesondere der Finanzierungsaspekt eine wichtige Rolle. Ein Bundeskinderschutzgesetz ohne hinreichende finanzielle Kostenregelungen zwischen Bund und Ländern und anschließend zwischen den Ländern und den betroffenen Kommunen wird keinen durchschlagenden Erfolg haben können.
Az.: III 717