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StGB NRW-Mitteilung 90/2011 vom 18.01.2011
Oberlandesgericht Düsseldorf zur Kontrolle von Wassergebühren
Das Oberlandesgericht Düsseldorf (OLG Düsseldorf) hat mit Beschluss vom 08.12.2010 (Az.: VI-2 Kart 1/10 (V) — abrufbar in der NRW-Rechtsprechungsdatenbank unter: www.justiz.nrw.de ) entschieden, dass das Bundeskartellamt gegen einen Wasserversorger, der öffentlich-rechtlich tätig wird und Wassergebühren erhebt keinen kartellrechtlichen Auskunftsbeschluss erlassen kann. Der Beschluss ist in einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren ergangen. Das Bundeskartellamt hatte im Rahmen der kartellrechtlichen Kontrolle der Trinkwasserpreise der Berliner Wasserbetriebe (BWB) kartellrechtliche Auskunftsbeschlüsse gemäß § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB gegen insgesamt 45 Trinkwasserversorgungsunternehmen erlassen. Darunter befindet sich auch der Antragsteller, ein auf Grund des brandenburgischen Gesetzes über kommunale Zusammenarbeit gebildeter Wasser- und Abwasserzweckverband. Das Bundeskartellamt erließ die Auskunftsbeschlüsse, um Informationen über Entgelte, Kosten und Erlöse in möglichen Vergleichsgebieten zu erhalten. Der Antragsteller legte hiergegen Rechtsbeschwerde ein. Er ist der Auffassung, dass er auf Grund der hoheitlichen Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses über die Trinkwasserversorgung zwischen ihm und dem Kunden nicht als Unternehmen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB anzusehen ist.
Nach der Satzung des Antragstellers besteht ein Anschluss- und Benutzungszwang, und es werden für die Benutzung der öffentlichen Wasserversorgungsanlage des Antragstellers Wassergebühren erhoben.
Das OLG Düsseldorf gab dem Antragsteller Recht und hat die aufschiebende Wirkung der Beschwerde des Antragstellers angeordnet, weil es ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Auskunftsbeschlusses des Bundeskartellamts hat. Das Gericht sieht den Auskunftsbeschluss nicht durch seine Rechtsgrundlage (§ 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB) gedeckt. Denn der Antragsteller sei kein Unternehmen im Sinne dieser Vorschrift. Für die Beurteilung der Frage, ob ein Unternehmen vorliege, gelte ein funktionaler Unternehmensbegriff. Unternehmer sei danach auch der Staat, wenn er sich auf dem Markt als Anbieter wirtschaftlicher Leistungen betätige. Vorliegend stellt das OLG Düsseldorf streitentscheidend darauf ab, dass die Versorgungstätigkeit des Zweckverbandes wegen des satzungsrechtlich vorgesehenen Anschluss- und Benutzungszwangs nicht als wirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sei. Die Anwendbarkeit des GWB setze potenzielle Wettbewerbsbeziehungen zu Dritten voraus. Dieses sei dann nicht der Fall, wenn ein Wasserversorger die Verbraucher auf Grund öffentlich-rechtlicher Rechtsbeziehungen auf der Grundlage eines Anschluss- und Benutzungszwangs mit Trinkwasser versorge. In diesem Fall werde der Staat nicht nur auf öffentlich-rechtlicher Grundlage tätig, sondern schließe durch die (rechtlich zulässige) Monopolisierung jedweden Wettbewerb Dritter von vornherein aus. Das OLG Düsseldorf schließt den Geltungsbereich des GWB ausdrücklich für die hoheitliche Tätigkeit des Staates aus. In diesem Zusammenhang lässt wird allerdings offen gelassen, ob die im vorliegenden Fall gegebene öffentlich-rechtliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Zweckverband (=Antragsteller) und den Verbrauchern bereits ausreicht, um die Wasserversorgung im konkreten Fall als hoheitliche Tätigkeit zu qualifizieren. Hervorzuheben ist auch die weitere Auseinandersetzung des Gerichts mit der Argumentation des Bundeskartellamtes, wonach das GWB auch auf Unternehmen der öffentlichen Hand Anwendung findet, die wirtschaftlich — und damit nicht hoheitlich — im Sinne des Gemeindewirtschaftsrechts tätig werden. Dieses lehnt das Gericht mit dem Verweis darauf ab, dass das Gemeindewirtschaftsrecht einen anderen Schutzzweck als das GWB habe.
Das OLG Düsseldorf hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 2 GWB mit der Begründung zugelassen, dass der Frage, ob Trinkwasserversorger, deren Versorgungsverhältnis öffentlich-rechtlich mit Anschluss- und Benutzungszwang ausgestaltet ist, als Unternehmen im Sinne des § 59 Abs. 1 Nr. 1 GWB anzusehen sind, rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukommt. Diese Rechtmittelfrist läuft derzeit noch. Es ist nicht bekannt, ob das Bundeskartellamt Rechtsmittel einlegen wird.
Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:
Die Entscheidung des OLG Düsseldorf bestätigt die kommunale Argumentation, wonach Wasserversorger, die öffentlich-rechtlich tätig werden und Wasser-Gebühren erheben, nicht der kartellrechtlichen Preiskontrolle nach den Vorschriften des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unterliegen, denn insoweit findet ausschließlich eine Überprüfung durch die Verwaltungsgerichtsbarkeit statt (vgl. Queitsch in: Hamacher/Lenz/Queitsch, KAG NRW, Loseblatt-Kommentar, Stand: September 2010, § 6 KAG NRW Rz. 297 b). Daran ändert auch das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 2.2.2010 (Az.: KVR 66/08) nichts. Der Bundesgerichtshof hatte mit diesem Urteil die Preissenkungsverfügung der hessischen Kartellbehörde gegen den Wasserversorger der Stadt Wetzlar, der enwag Energie und Wassergesellschaft mbH (Enwag), bestätigt. Nach dem BGH sind öffentliche Wasserversorger der verschärften kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht nach § 103 Abs. 5, § 22 Abs. 5 GWB in der Fassung der Bekanntmachung vom 20.2.1990 unterworfen. Diese Vorschriften sind zwar erstaunlicherweise gerade für Strom- und Gasversorger bereits 1999 außer Kraft getreten, gelten aber — wie der Bundesgerichtshof näher begründet hat - für Wasserversorger weiter. Der BGH hat allerdings klargestellt, dass das geltende Recht die Kartellbehörde lediglich zu einem zukunftsgerichteten Einschreiten ermächtigt, so dass Maßnahmen für zurückliegende Zeiträume gesetzlich nicht möglich sind.
Aus dem Urteil des BGH vom 2.2.2010 (Az.: KVR 66/08) — darf jedoch nicht die Schlussfolgerung gezogen werden, dass alle Wasserversorger in Deutschland „über einen Kamm geschoren werden dürfen.“ Der Beschluss des BGH vom 2.2.2010 bezieht sich ausschließlich auf die kartellrechtliche Kontrolle von privatrechtlich organisierten Wasserversorgungsunternehmen (z.B. einer Wasserversorgungs-GmbH).
Dagegen sind Wasserversorger der Städte und Gemeinden nicht betroffen, die öffentlich-rechtlich organisiert sind und öffentlich-rechtlich handeln z.B. in der Rechtsform des Regiebetriebes, des Eigenbetriebes/der eigenbetriebsähnlichen Einrichtung, der Anstalt des öffentlichen Rechts. In diesen Fällen wird als Gegenleistung für die Wasserversorgung vom Bürger (Kunden) eine öffentlich-rechtliche Wassergebühr als Benutzungsgebühr nach den Kommunalabgabengesetzen der Länder erhoben. Die Kommunalabgabengesetze der Länder geben für die Kalkulation der Wassergebühren ein klares rechtliches Korsett vor, das von den Gemeinden rechtsverbindlich einzuhalten ist. Inhalt dieses rechtlichen Korsetts ist unter anderem das kommunalabgabenrechtliche Kostendeckungsprinzip, aus welchem zugleich das Kostenüberschreitungsverbot folgt, d.h. es dürfen nicht höhere Wassergebühren erhoben werden als betriebsbedingte Kosten nachweisbar entstanden sind. Der Bürger kann als Kunde gegen den Wasser-Gebührenbescheid der Gemeinde vor dem zuständigen Verwaltungsgericht Klage erheben. Das Verwaltungsgericht überprüft dann in vollem Umfang die Rechtmäßigkeit der Wassergebühr (einschließlich ihrer Kalkulation). Einen besseren Rechtsschutz als den vor den Verwaltungsgerichten gibt es nicht.
Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie hatte mit Datum vom 15.3.2010 auf eine Kleine Anfrage von Bundestags-Abgeordneten der Fraktion Bündnis 90/Die Grüne (BT-Drucksache 17/868) mitgeteilt, dass nach der derzeitigen Rechtslage mit der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht (§§ 103 Abs. 5, 6 GWB a.F.) ausschließlich Wasserversorgungsunternehmen überprüft werden, die privatrechtliche Entgelte (Trinkwasserpreise) erheben. Die Anwendung der kartellrechtlichen Missbrauchsaufsicht auf Wassergebühren sei nicht möglich.
Az.: II/2 20-00 qu-ko