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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 326/2013 vom 05.04.2013
Oberverwaltungsgericht NRW zum Abwasserbeseitigungskonzept
Das OVG NRW hat mit Urteil vom 12.03.2013 (Az.: 20 A 1564/10 — abrufbar unter www.nrwe.de) ein Urteil des VG Arnsberg vom 22.06.2010 (Az.: 8 K 201/09) bestätigt, wonach die zuständige Bezirksregierung zu Recht das Abwasserbeseitigungskonzept einer Stadt beanstandet hatte, die im unbeplanten Innenbereich unter anderem 167 Kleinkläranlagen bauen wollte.
Das OVG NRW stellt zunächst fest, dass die Beanstandung des Abwasserbeseitigungskonzeptes durch die zuständige Bezirksregierung ein Verwaltungsakt (§ 35 Satz 1 VwVfG NRW) ist, so dass diese im Wege einer Anfechtungsklage verwaltungsgerichtlich überprüft werden kann. Mit der Beanstandung eines Abwasserbeseitigungskonzeptes wird — so das OVG NRW - insbesondere dokumentiert, dass die Stadt bzw. Gemeinde ihrer Abwasserbeseitigungspflicht nicht ordnungsgemäß nachkommt. Ohne Bedeutung ist dabei, dass das Abwasserbeseitigungskonzept keiner behördlichen Genehmigung bedarf, denn hieraus folgt nach dem OVG NRW lediglich, dass das Abwasserbeseitigungskonzept nicht dem Erfordernis einer positiven Zustimmungserklärung unterliegt. Eine Beanstandung stellt gleichwohl fest, dass eine Gemeinde ihre Abwasserbeseitigungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt, womit zugleich auch die Organisations- und Finanzhoheit der Gemeinde bezogen auf die Erfüllung einer pflichtigen Selbstverwaltungsangelegenheit (hier: der Abwasserbeseitigungspflicht) betroffen ist.
Nach dem OVG NRW entsprach das in Rede stehende Abwasserbeseitigungskonzept auch nicht den gesetzlichen Anforderungen. Zwar ist — so das OVG NRW — die Einbeziehung gemeindlicher Gebiete mit weniger als 2000 Einwohnerwerten in die Bereiche, die nach § 4 Abs. 1 Kommunalabwasser-Verordnung NRW vom 30.09.1997 - GV NRW 1997, S. 372; zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.04.2005, GV NRW 2005, S. 332 - (KomAbwV NRW) mit einer Kanalisation auszustatten sind, unwirksam. Denn diese Einbeziehung ist nicht von der Verordnungsermächtigung des § 2 a LWG NRW gedeckt. § 2 a LWG NRW ermächtigt die Landesregierung lediglich zu einer inhaltlich erforderlichen Umsetzung europarechtlicher Richtlinien, wie hier der EU-Richtlinie 91/271/EG über die Behandlung von kommunalem Abwasser. Eine über den Inhalt einer EU-Richtlinie hinausgehende Umsetzung ist damit durch die Verordnungs-Ermächtigung in § 2 a LWG NRW nicht abgedeckt. Dabei kommt es nach dem OVG NRW nicht darauf an, dass Art. 3 Abs. 1 der EU-Richtlinie 91/271/EG schärfere nationale Regelungen ermöglicht. Maßgebend ist allein, dass sich eine Landes-Rechtsverordnung an der gesetzlichen Ermächtigung auszurichten hat, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der zu erlassenen Rechtsverordnung vorgibt. Insoweit reicht § 2 a LWG NRW nach dem OVG NRW nicht aus, um schärfere Vorgaben zu machen, weil in dieser Regelung lediglich bestimmt ist, dass die zur Umsetzung von EU-Richtlinien erforderlichen Vorschriften erlassen werden können, so dass nur eine Ermächtigung im Sinne einer inhaltlichen 1:1 —Umsetzung von EU-Richtlinien der Gegenstand des § 2 a LWG NRW ist.
Im Endergebnis kommt es aber nach OVG NRW hierauf nicht entscheidend an, weil unabhängig von einem etwaigen Verstoß gegen § 4 Abs. 1 KomAbwV NRW das Abwasserbeseitigungskonzept der klagenden Gemeinde mit den allgemeinen gesetzlichen Anforderungen an die Abwasserbeseitigung vereinbar ist. Schutzgut der öffentlichen Abwasserbeseitigung ist im Interesse des Allgemeinwohls nach dem OVG NRW die Volksgesundheit, namentlich die Sauberkeit der Gewässer. Insoweit ist der Anschluss an die öffentliche Abwasserkanalisation das abwassertechnische Optimum und nicht der Bau von Kleinkläranlagen oder abflusslosen Gruben. Auch aus § 53 Abs. 1 d LWG NRW ergibt sich kein Vorrang für Kleinkläranlagen, denn dort ist — so das OVG NRW — lediglich geregelt, dass die Einrichtung einer Kanalisation dann nicht gerechtfertigt ist, wenn sie entweder keinen Nutzen für die Umwelt mit sich bringen würde oder mit übermäßigen Kosten verbunden wäre, so dass andere geeignete kostengünstigere gemeinsame Abwassersysteme zulässig sind, die das gleiche Umweltschutzniveau gewährleisten. Entsprechendes gilt nach dem OVG NRW nach § 53 Abs. 4 LWG NRW für die dort geregelte Ausnahme von der gemeindlichen Abwasserbeseitigungspflicht, die typischerweise zu einer Abwasserbeseitigung durch Kleinkläranlagen führt, allerdings auf Grundstücke außerhalb im Zusammenhang bebauter Ortsteile beschränkt ist, also auf eine eher dünne, abgelegene und vereinzelte Bebauung. Außerdem muss hier hinzukommen, dass eine Übernahme des Abwassers durch die Gemeinde wegen technischer Schwierigkeiten oder eines unverhältnismäßig hohen Aufwandes nicht angezeigt ist.
Kleinkläranlagen gewährleisten nach dem OVG NRW im Verhältnis zur öffentlichen Abwasserkanalisation kein gleichwertiges Umweltschutzniveau, unter anderem weil eine Überwachung ihrer Funktionstüchtigkeit und deren Wartung erforderlich ist und die Nutzungsdauer von Kleinkläranlagen deutlich geringer ist als diejenige einer öffentlichen Kanalisation mit der Folge der Erforderlichkeit wiederholter Investitionen und/oder Anpassungen. Ebenso sind abflusslose Gruben nach dem OVG NRW kein allgemein anerkanntes taugliches Mittel, um dauerhaft die Abwasserbeseitigung durch eine öffentliche Kanalisation zu ersetzen.
Abflussprobleme innerhalb einer öffentlichen Kanalisation, die mit geringen Abwassermengen einhergehen und durch einen Bevölkerungsrückgang verschärft werden können, sind — so das OVG NRW — durch erprobte und bewährte bauliche und/oder betriebliche Maßnahmen, etwa durch die sog. Druckentwässerungstechnik, mit überschaubarem Aufwand zu beherrschen.
Schlussendlich weist das OVG NRW auch darauf hin, dass der Bau einer öffentlichen Kanalisation in dem zu entscheidenden Fall nicht mit übermäßigen Kosten verbunden ist, weil dieses durch die klagende Gemeinde auch auf der Grundlage der vorgelegten Wirtschaftlichkeitsberechnungen nicht nachvollziehbar und schlüssig belegt worden sei. Ebenso seien die angeführten Auswirkungen des demografischen Wandels ungewiss, weil es keine belastbaren Anhaltspunkte dafür gebe, dass bislang bewohnte Grundstücke in den Ortsteilen zukünftig in kostenmäßig relevantem Umfang nicht mehr bewohnt sein würden und so der aktuelle Bedarf an abwassertechnischer Infrastruktur in spürbarem Maße sinken werde.
Az.: II/2 24-30 qu/qu