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StGB NRW-Mitteilung 781/2004 vom 21.10.2004
OECD-Studie zu Mängeln im deutschen Schulsystem
Nach dem OECD-Bildungsbericht stellt eine neue OECD-Studie zur Anwerbung, beruflichen Entwicklung und Verbleib von qualifizierten Lehrerinnen und Lehrern dem deutschen Bildungssystem ein weiteres Mal ein schlechtes Zeugnis aus. Deutsche Lehrer gehören danach im OECD-Vergleich zu den ältesten. 2001 war etwa die Hälfte 50 Jahre und älter. Ihre Arbeitszufriedenheit sei gering, obwohl sie zu den bestbezahlten Lehrern im europäischen Vergleich gehören. Deutsche Pädagogen quittieren im Schnitt mit 59 Jahren ihren Dienst, ein Drittel der Lehrkräfte fühlt sich den Angaben zufolge überfordert und leidet unter dem so genannten Burn-Out-Syndrom. Nach Schätzungen der OECD wird die Hälfte aller jetzt unterrichtenden Lehrer in Grundschulen und Sekundarstufe I in den nächsten 10 Jahren den Schuldienst quittieren. Weitere Kritik äußert der Bericht an der Ausbildung der Lehrer, die oft nicht alltagstauglich sei. Darüber hinaus sei die Weiterbildung unzureichend. In diesem Zusammenhang greift die OECD den Beamtenstatus der Lehrer an. Der hohen Arbeitsplatzsicherheit stehe der fehlende Anreiz zur Verbesserung der fachlichen Arbeit gegenüber. In diesem Kontext sieht der Bericht in der föderalen Struktur eine Chance, die Entwicklung des deutschen Bildungswesens voranzutreiben. So müsse den Schulen mehr Eigenverantwortung übertragen werden und die Rolle der Gemeinden müssen gestärkt werden. Dieses ist auch Thema der nächsten Sitzung des zuständigen Fachausschusses des DStGB.
Zur Vergütung der Lehrer heißt es in dem Bericht: Trotz begrüßenswerter Entwicklungen weist die Struktur der Leistungsvergütung und anerkennung der deutschen Lehrkräfte einige bedeutende Schwachstellen auf. Erstes richtet sich die Besoldung nach einer sehr geringen Zahl von Kriterien, im Wesentlichen Qualifikationen, Alter und Dienstjahren. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, gibt es keine Sondervergütungen für zusätzlich übernommene Verantwortung oder Aufgaben. Das Ausmaß, in dem die Besoldung der Lehrkräfte in Relation zu einer Bewertung ihrer Leistung gestellt wird, ist weiterhin begrenzt und die Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsaktivitäten geht nicht mit einem beruflichen Aufstieg einher. Auch trägt die gegenwärtige Vergütungsstruktur der Verschiedenheit der Aufgaben, die je nach den unterschiedlichen Arbeitsbedingungen, Schulstandorten oder Fachbereichen wahrzunehmen sind, keinerlei Rechnung.
Zum Beschäftigungsstatus soll nach den Vorstellungen der OECD folgende Aspekte eingeführt oder gestärkt werden:
- Ein System laufender Verträge mit der Auflage, dass Lehrer nach Ablauf einer bestimmten Frist, z.B. alle 5 bis 7 Jahre, einen erneuten Eignungs- und Befähigungsnachweis erbringen. Die Basis für die erneute Prüfung könnte eine Bescheinigung bilden, die besagt, dass die betreffende Lehrkraft die geforderten Leistungsstandards weiter voll und ganz erfüllt. In einem solchen System wäre es möglich, das Arbeitsverhältnis zu beenden oder der Lehrkraft eine andere Stelle im Schulsystem zuzuweisen, wenn die Leistungen für unzureichend befunden werden;
- Eine breite Palette von Optionen für Lehrkräfte, ihre Lehrpraxis und damit auch ihre Fähigkeit zu verbessern die von ihnen angestrebten beruflichen Positionen zu erreichen und dabei die sich wandelnden Erfordernisse der Schulen zu erfüllen;
- Ein offenes, faires und transparentes System der Lehrerevaluation und Heranziehung von gleichrangigen Berufskollegen, Schulleitungsvertretern und schulexternen Experten, die für diese Aufgaben entsprechend geschult und ausgestattet sind;
- Faire, aber schnell greifende Mechanismen, um auf unzureichende Leistungen reagieren zu können.
Darüber hinaus, so der Bericht, sollten folgende Änderungen vorgenommen werden:
- mehr Beförderungsmöglichkeiten,
- andere nicht gehaltsspezifische Komponenten der Gesamtbesoldung von Lehrkräften,
- Zulagen zur Differenzierung der Lehrkräfte auf der Basis schwieriger Arbeitsbedingungen oder der Tätigkeit in Mangelbereichen,
- Erhöhung der Mobilität der Lehrkräfte zwischen verschiedenen Schulen und über Ländergrenzen hinweg.
Die Studie ist auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Dies gilt, wie nicht anders zu erwarten, insbesondere für die Diskussion über den Beamtenstatus. Beamtenbund und Tarifunion lehnen Empfehlungen der OECD ab, Lehrer künftig mit Zeitverträgen zu beschäftigen. Der Beamtenstatus garantiere die Wahrnehmung staatlicher Verantwortung für Bildung und Erziehung, wie sie im Grundgesetz verankert sei. Zugleich sichere er die pädagogische Freiheit des Lehrers. Eine regelmäßige Evaluierung von Schulen und Lehrern stehe nicht im Widerspruch zum Beamtenstatus der Lehrer. Demgegenüber wird aus der Politik die Forderung nach Abschaffung des Beamtenstatusses für Lehrer gefordert, wobei übersehen wird, dass es den Ländern bereits heute freisteht, Lehrer im Beamten- oder Angestelltenverhältnis zu beschäftigen. Der Philologenverband mahnt einen differenzierten Umgang mit der Studie an, warnt insbesondere davor, nunmehr einseitig die Lehrer zu beschimpfen. Die Kultusministerkonferenz hebt die positiven Aspekte des Berichtes hervor. So werden die Reformanstrengungen in Deutschland gelobt. Die Präsidentin der KMK erklärte darüber hinaus, dass derzeit an der Abstellung der Mängel gearbeitet werde.
(Quelle DStGB Aktuell vom 24. September 2004)
Az.: IV/2-200-3/2