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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 344/2005 vom 30.03.2005
Reform des Stabilitäts- und Wachstumspaktes
Die europäischen Staats- und Regierungschefs haben sich am 22.03.2005 über eine Änderung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes entsprechend des Vorschlages der EU-Wirtschafts- und Finanzminister verständigt. Danach bleibt die Defizitgrenze von 3 % des Bruttoinlandproduktes unverändert. Unter anderem sieht die Verständigung jedoch eine Einbeziehung der deutschen Nettobeitragszahlungen an die EU und die Berücksichtigung der Kosten der Wiedervereinigung in die Berechnung des Defizits vor.
Die von den Wirtschafts- und Finanzministern verabredeten Änderungen umfassen insbesondere folgende Punkte:
- Wachstumsabschwächung und Stagnationsphasen werden stärker berücksichtigt.
- Strukturreformen werden stärker unterstützt und gefördert.
- Nettobeitragszahlungen an die EU werden als Ausgaben, die der Erhöhung oder Beibehaltung eines hohen Niveaus an finanziellen Beiträgen zur Stärkung der internationalen Solidarität und zum Erreichen der Ziele der europäischen Politik dienen, behandelt.
- Der Zeitrahmen für das Ergreifen von Maßnahmen und den Abbau des Defizits wird ausgeweitet.
- In wirtschaftlichen Wachstumsphasen sind Staaten aufgefordert, mehr als bisher Rücklagen zu bilden.
- Sonderlasten, die der Vereinigung Europas gelten und sich nachteilig auf das Wirtschaftswachstum und den Haushalt auswirken, sollen einen Verstoß gegen das Defizitkriterium mildern. Zu den Sonderlasten sollen auch die Kosten der Wiedervereinigung zählen.
- Das Defizitverfahren bleibt zwar erhalten, jedoch kann es bei Reformbemühungen und einer schlechten wirtschaftlichen Lage zeitlich gestreckt werden.
Für den finanziellen Handlungsspielraum der Kommunen ergeben sich durch diese Regelungen keine wesentlichen Änderungen. Bei der Aufnahme neuer Schulden sind sie weiterhin durch das strikte Haushaltsrecht - unabhängig von den beschlossenen Reformen beim Stabilitätspakt - gebunden. Dies wird jüngst wieder dadurch belegt, dass die Kreditmarktschulden der Kommunen nach den vorläufigen Ergebnissen des Statistischen Bundesamtes für die öffentlichen Haushalte im Jahr 2004 nicht weiter gestiegen sind. Dagegen erhöhten sich die Kreditmarktschulden des Bundes um 41,0 Mrd. Euro (+ 5,0%), und die der Länder um 28,0 Mrd. Euro (+ 6,8%). Für die Kommunen hat dies zur Folge, dass sie weiterhin ihre Investitionen absenken, da die Erfüllung ihrer zunehmenden finanziellen Belastungen bei den Pflichtaufgaben ihren Handlungsspielraum einengt. Dieser Umstand ist aus kommunaler Sicht zu beachten, wenn die Einbeziehung der kommunalen Seite in einen nationalen Stabilitätspakt gefordert wird.
Die Bewertung des Vorschlages der Wirtschafts- und Finanzminister war bereits auf ein geteiltes Echo gestoßen. Der EZB-Rat äußerte sich äußerst besorgt zu ihrem Inhalt. In seiner Stellungnahme wies er unter anderem darauf hin, dass es vermieden werden müsse, durch Änderungen bei den Korrektivmaßnahmen das Vertrauen in den finanzpolitischen Rahmen der Europäischen Union und in tragfähige öffentliche Finanzen in den dem Euro-Währungsgebiet angehörenden Mitgliedstaaten zu erschüttern. Es sei unerlässlich, dass die Mitgliedstaaten, die Europäische Kommission und der Rat der Europäischen Union die überarbeiteten Regelungen strikt und konsequent so umsetzen, dass sie einer umsichtigen Finanzpolitik dienlich seien.
Während die Regierungsparteien die Reform begrüßen, sehen CDU/CSU wie die Wirtschaftsverbände die Verständigung der Wirtschafts- und Finanzminister kritisch. Sie befürchten, dass es zu einem Dammbruch bei den Staatsschulden kommen könne und aufgrund von höheren Zinsbelastungen langfristig zu Steuererhöhungen. Außerdem sehen sie eine Verletzung der intergenerativen Gerechtigkeit, wenn jetzt zu Lasten der zukünftigen Generationen zu viele Schulden aufgenommen würden. Dagegen argumentieren die Regierungsparteien, dass aufgrund der Neuregelungen die Finanzpolitik in wirtschaftlich schlechten Zeiten nicht mehr zur Verschärfung der ökonomischen Lage führe und eine wachstumsorientierte Politik gestärkt werde.
Az.: IV/1 960-00/9