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Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 622/2001 vom 05.10.2001
Steuerabzug bei Bauleistungen
1. Vorbemerkung
Die Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe war bereits mehrfach Gegenstand von Gesetzgebungsvorhaben, insbesondere auch auf dem Gebiet des Steuerrechts. Mit dem Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 war zum 1. April 1999 eine 25 %ige Abzugssteuer auf Vergütungen an ausländische Dienstleistungserbringer (§ 50 a Abs. 7 EStG) eingeführt worden. Die Europäische Kommission vertrat jedoch die Ansicht, daß diese Regelung dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit widerspreche und die Dienstleistungsfreiheit in der Europäischen Union eingeschränkt werde. Folglich hatte sie beschlossen, der Bundesrepublik Deutschland ein Fristsetzungsschreiben (1. Stufe eines Vertragsverletzungsverfahrens) zu übermitteln. Im Hinblick hierauf ist § 50 a Abs. 7 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 durch das Steuerbereinigungsgesetz 1999 aufgehoben worden. In einer Stellungnahme des Bundesrates zum Steuerbereinigungsgesetz 1999 hatte sich der Bundesrat für den Fall, daß ein Konsens mit den EU-Partnerstaaten nicht bis Mitte 2000 zu erreichen sein sollte, vorbehalten, selbst einen Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung einzubringen. Dies ist erfolgt. Der Bundesrat hat den Gesetzentwurf zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe eingebracht.
Nachdem der Bundestag im Mai 2001 das Gesetz beschlossen hat, ist die Zustimmung seitens des Bundesrates am 22.06.2001 erfolgt. Das Gesetz ist im Bundesgesetzblatt am 6. September 2001 veröffentlicht worden.
2. Bauleistungen
Mit dem Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe wird im wesentlichen durch Änderungen des Einkommensteuergesetzes eine sogenannte "Bauabzugsbesteuerung" eingeführt. Hiervon betroffen sind alle natürlichen und juristischen Personen, die im Inland eine Bauleistung erbringen. Zu diesen gehören auch diejenigen, die ihren Sitz oder ihre Geschäftsführung im Ausland haben. Der Begriff der unter die Bauleistungsbesteuerung fallenden Leistungen umfaßt alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Die Definition wird durch die §§ 1 und 2 Baubetriebe-Verordnung konkretisiert. In einem Merkblatt zum Steuerabzug bei Bauleistungen des Bundesfinanzministeriums ist die Baubetriebe-Verordnung abgedruckt. Unter § 1 der Baubetriebe-Verordnung sind insgesamt 51 Tätigkeiten aufgeführt; § 2 der Baubetriebe-Verordnung enthält sodann einen Katalog von weiteren 14 Betätigungen, die von der neuen Bauabzugsbesteuerung erfaßt werden. Danach zählen z.B. die Fassadenreinigung, die Parkettlegerei, die Zurverfügungstellung von Bauvorrichtungen zu den Leistungen, die unter den Anwendungsbereich der Abzugsbesteuerung fallen.
Das Steuerabzugsverfahren ist nicht auf Werkverträge beschränkt. Es ist auch dann anzuwenden, wenn der der Bauleistung zugrundeliegende Vertrag zivilrechtlich als Werklieferungsvertrag zu werten ist. Es kommt auch nicht darauf an, ob die Erbringung von Bauleistungen Unternehmenszweck des Leistenden ist oder ob er mit seinem Unternehmen überwiegend Bauleistungen erbringt. Das Steuerabzugsverfahren greift vielmehr auch dann ein, wenn jemand nur ausnahmsweise eine Bauleistung erbringt.
3. Steuerabzug
Wird eine derartige Leistung im Inland erbracht, ist der Leistungsempfänger verpflichtet, von der Gegenleistung, also i.d.R. vom Werklohn einen Steuerabzug in Höhe von 15 v.H. für Rechnung des Leistenden vorzunehmen.
Leistungsempfänger ist also der Auftraggeber, der dem Auftragnehmer (dem die Bauleistung Erbringenden) von seinem Werklohn den 15 %igen Anteil abzuziehen hat.
Abzugsverpflichtete sind alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts und alle Unternehmer i.S. des § 2 UStG, für die jemand im Inland Bauleistungen erbringt. Unternehmer ist, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Dabei umfaßt das Unternehmen die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Somit sind auch Unternehmer, die keine Umsatzsteuererklärung abgeben, z.B. Kleinunternehmer (§ 19 UStG), pauschal versteuernde Land- und Forstwirte (§ 24 UStG) und Unternehmer, die ausschließlich steuerfreie Umsätze tätigen, beispielsweise aus Vermietung und Verpachtung, zum Steuerabzug verpflichtet.
Das Steuerabzugsverfahren ist vom Leistungsempfänger bzw. Auftraggeber unabhängig davon durchzuführen, ob Erbringer der Bauleistung (Leistender) im Inland oder im Ausland ansässig ist. Die Vorschriften des Abzugsverfahrens gelten für den Leistungsempfänger auch dann, wenn er mit der Bauleistung einen Generalunternehmer beauftragt, der selbst nicht als Baubetrieb tätig wird. In diesem Fall ist auch der Generalunternehmer im Verhältnis zu den von ihm beauftragten Subunternehmer Leistungsempfänger und damit insoweit selbst zum Steuerabzug verpflichtet.
4. Höhe des Steuerabzugsverfahrens
Der Auftraggeber bzw. Leistungsempfänger hat 15 % der Gegenleistung einzubehalten. Die Gegenleistung ist das Entgelt für die Bauleistung zzgl. Umsatzsteuer.
Ein Solidaritätszuschlag wird zum Abzugsbetrag nicht erhoben.
5. Freistellungsbescheinigung
Der Auftraggeber bzw. Leistungsempfänger ist zum Steuerabzug nicht verpflichtet, wenn die an den jeweiligen Auftragnehmer (bzw. Leistenden) zu erbringende Gegenleistung im laufenden Kalenderjahr voraussichtlich 5.000 € nicht übersteigen wird. Diese Freigrenze beträgt für einen Leistungsempfänger, der ausschließlich steuerfreie Umsätze aus Vermietung und Verpachtung ausführt (§ 4 Nr. 12 Satz 1 UStG) 15.000 €. Der Auftraggeber bzw. Leistungsempfänger hat eine vorausschauende Betrachtung in bezug auf die an einen bestimmten Auftragnehmer im laufenden Kalenderjahr zu erbringenden Geldleistungen anzustellen. Der Steuerabzug ist deshalb auch von Abschlagszahlungen unter 5.000 € bzw. 15.000 € vorzunehmen, wenn nach der vereinbarten Bauleistung zu erwarten ist, daß die Freigrenze im laufenden Kalenderjahr überschritten wird.
Für die Anwendung der Freigrenzen sind die für denselben Leistungsempfänger im laufenden Kalenderjahr von dem einzelnen Auftragnehmer bereits erbrachten und voraussichtlich noch zu erbringenden Bauleistungen zusammenzurechnen.
6. Anmeldung des Steuerabzugs und Abführung
Der Auftraggeber bzw. Leistungsempfänger hat bis zum 10. Tag nach Ablauf des Monats, in dem er die Gegenleistung erbracht hat (Anmeldezeitraum) eine Anmeldung nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck dem für den Leistenden zuständigen Finanzamt einzureichen. In der Anmeldung sind die für diesen Leistenden im Anmeldungszeitraum erbrachten Gegenleistungen einzeln anzugeben und daraus für den Anmeldungszeitraum der Steuerabzugsbetrag zu berechnen. Der Abzugsbetrag ist am 10. Tag nach Ablauf des Anmeldezeitraums fällig und an die für den Leistenden zuständige Finanzkasse für Rechnung des Leistenden abzuführen.
Der Steuerabzugsbetrag ist nicht erst bei der Abrechnung über die Bauleistung vorzunehmen. Gegenleistung im Sinne des Gesetzes ist vielmehr jede Zahlung des Auftraggebers bzw. des Leistungsempfängers an den Leistenden. Folglich sind in der Anmeldung auch im Anmeldungszeitraum erbrachte Anzahlungen oder Abschlagszahlungen zu erfassen. Sollte die Gegenleistung nachträglich erhöht werden, ist nur der Differenzbetrag zu der bisherigen Anmeldung in dem Anmeldungszeitraum, in dem der erhöhte Betrag erbracht wurde, anzumelden (§ 48a Abs. 1 EStG). Bei einer Minderung der Gegenleistung ist keine Berichtigung vorzunehmen.
Der Auftraggeber bzw. Leistungsempfänger hat mit dem die Bauleistung Erbringenden schriftlich über den bei der Gegenleistung vorgenommenen Steuerabzug abzurechnen, wobei bestimmte Formalitäten einzuhalten sind. Dieser Abrechnungsbeleg ist keine Steuerbescheinigung. Die Vorlage beim Finanzamt begründet deshalb keinen Anspruch auf Anrechnung oder Erstattung des Abzugsbetrags. Sie erleichtert aber im Finanzamt die Anrechnung des Abzugsbetrags. Der Abrechnungsbeleg sollte vom Auftraggeber als Zweitausfertigung zu den Akten genommen werden, damit er im Falle der zivilgerichtlichen Geltendmachung des einbehaltenen Werklohnes durch den Auftragnehmer dem Gericht vorgelegt werden kann. Da der 15 %ige Abzug vom Gesetzgeber als Steuerabzug bezeichnet worden ist (s. Art. 4, § 48), hat dieser den Teilbetrag des Werklohns durch gesetzliche Verfügung beschlagnahmt, so daß dieser Umstand zivilrechtlich und vergaberechtlich berücksichtigt werden muß. Eines besonderen Hinweises in Verträgen und Ausschreibungstexten bedarf es daher nicht.
7. Freistellung vom Steuerabzug
Auch wenn die Gegenleistung die Freigrenze von 5.000 € bzw. 15.000 € übersteigt, muß der Leistungsempfänger bzw. der Auftraggeber den Steuerabzug nicht vornehmen, wenn ihm der Leistende bzw. Auftragnehmer eine im Zeitpunkt der Gegenleistung gültige Freistellungsbescheinigung vorlegt. Eine solche Bescheinigung kann der Leistende bzw. Auftragnehmer von dem für ihn zuständigen Finanzamt nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck erhalten. Voraussetzung ist, daß ein inländischer Empfangsbevollmächtigter bestellt ist und der zu sichernde Steueranspruch nicht gefährdet erscheint. Das Finanzamt erteilt eine Freistellungsbescheinigung mit einer Geltungsdauer von längstens drei Jahren nach Antragstellung. Es kann einen kürzeren Zeitraum bestimmen oder eine projektbezogene Freistellungsbescheinigung ausstellen, wenn dies nach den Umständen des Einzelfalls zweckmäßig ist.
8. Haftung
Der Auftraggeber bzw. Leistungsempfänger haftet für einen nicht oder zu niedrig abgeführten Abzugsbetrag. Bei Vorlegung einer unrechtmäßigen Freistellungsbescheinigung kommt eine Haftung nur in Betracht, wenn dem Leistungsempfänger bzw. Auftraggeber bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht bekannt war, daß die Bescheinigung durch unlautere Mittel oder falsche Angaben erwirkt wurde. Liegen diese Voraussetzungen vor, kann es zu einem Haftungsbescheid zu Lasten des Auftraggebers seitens des Finanzamtes führen. Zuständig ist das Finanzamt des Leistenden.
9. Inkrafttreten des Gesetzes
Das Gesetz ist am 7. September 2001 in Kraft getreten. Die Steuerabzugspflicht gilt jedoch erst für Gegenleistungen, die ab dem 1. Januar 2002 zu erbringen sind bzw. erfolgen (Art. 4 Nr. 3 § 52 Abs. 56).
10. Weitere Hinweise
Das bereits erwähnte Merkblatt des Bundesfinanzministeriums enthält weitere Hinweise. Dieses Merkblatt umfaßt ca. 9 Seiten, die zweispaltig eng bedruckt sind.
11. Fazit
Durch die Bauabzugsbesteuerung wird der Verwaltungsaufwand bei der Bauleistung erhöht. Unternehmen, die Bauleistungen erbringen, sollten sich noch in diesem Jahr eine Freistellungsbescheinigung von ihrem zuständigen Finanzamt besorgen. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, daß Anträge erst bearbeitet werden, wenn die amtlichen Vordrucke vorliegen. Die Auftraggeber von Bauleistungen sind ab dem Jahr 2002 von maßgeblichen Pflichten und Risiken betroffen. Hierbei sind insbesondere für die Städte und Gemeinden als Auftraggeber der Kontrollaufwand für Freistellungsbescheinigungen sowie das Haftungsrisiko zu nennen. Im übrigen ist zu befürchten, daß sich die Bauleistungen durch dieses Gesetz verteuern werden. Städte und Gemeinden sind die Appelle der Bundesregierung und der Landesregierung bekannt, insbesondere an Bauunternehmungen möglichst schnell die Auszahlungen des Werklohnes zu veranlassen. Dieser Hinweis hat im übrigen im Gesetz zur Beschleunigung fälliger Zahlungen seinen Niederschlag gefunden. Durch die staatlich verfügte "Beschlagnahme" eines wesentlichen Teils des Werklohnes, für den die Städte und Gemeinden als Auftraggeber noch zu haften haben, werden derartige Hinweise regelrecht konterkariert. Städte und Gemeinden werden zu Erfüllungsgehilfen der Finanzämter gemacht, obwohl bisher - weil objektiv nicht möglich - nicht bekannt geworden ist, daß Städte und Gemeinden Schwarzarbeit in Auftrag gegeben haben. Im übrigen müssen beträchtliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieses Gesetzes, was die Übereinstimmung mit dem EU-Recht anbelangt, angemeldet werden. Es wäre ein Zeichen der Vernunft, wenn dieses Gesetz umgehend wieder aufgehoben würde.
Az.: II/1 608-00