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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 299/2008 vom 15.04.2008
Verwaltungsgericht Münster zu gewerblichen Abfallsammlungen
Das VG Münster hat mit Beschluss vom 28.03.2008 (Az. 7 L 163/08) die Untersagungsverfügung einer kreisangehörigen Stadt in Nordrhein-Westfalen in einem Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für rechtswidrig erklärt. Der für die beklagte Stadt tätige private Entsorgungsunternehmer wollte auf den privaten Grundstücken im Stadtgebiet blaue Altpapiertonnen für eine gewerbliche Sammlung von Altpapier aufstellen, weil die Stadt lediglich mit einer städtischen, gemeinnützigen GmbH eine grundstücksbezogene Altpapierbündelsammlung alle 14 Tage durchführte. Die beklagte Stadt untersagte die gewerbliche Sammlung unter Hinweis darauf, dass hierdurch ihre Altpapierbündelsammlung in der Funktionsfähigkeit beeinträchtigt werde.
Das VG Münster folgte dieser Argumentation der beklagten Stadt nicht.
Zunächst weist das VG Münster darauf hin, dass die kreisangehörige Stadt nicht befugt sei die gewerbliche Sammlung zu untersagen, sondern es sei allein Aufgabe des Landkreises in der Funktion als untere Umweltbehörde bzw. untere Abfallwirtschaftsbehörde eine solche Untersagungsverfügung im Hinblick auf die Durchführung einer gewerblichen Abfallsammlung für Altpapier auszusprechen.
Die kreisangehörige Stadt sei mit Blick auf ihre Zuständigkeit für das Einsammeln und Befördern von Abfällen (§§ 15 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz, § 5 Abs. 6 Satz 1 Landesabfallgesetz NRW) lediglich befugt, im Rahmen der von ihr betriebenen öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung aus der Anstaltsgewalt heraus Anordnungen gegenüber den Benutzern der öffentlichen Abfallentsorgungseinrichtung zu treffen. Bei der angegriffenen Untersagungsverfügung handele es sich aber nicht um einen auf diese Ermächtigung beruhenden Verwaltungsakt, denn die Untersagungsverfügung betreffe nicht ein zwischen der Antragstellerin und der Stadt bestehendes Benutzungsverhältnis.
Mit Blick auf die gesetzlichen Vorgaben für die Zulässigkeit einer gewerblichen Abfallsammlung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz sei vielmehr der Kreis zuständig. Der Nachweis der ordnungsgemäßen und schadlosen Verwertung sei gegenüber dem Kreis zu erbringen, denn nur dieser dürfe nach den §§ 15 Abs. 1 Satz 1, 13 Abs. 1 Satz 1 Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz, § 5 Abs. 1 Landesabfallgesetz NRW im Rahmen seiner Befugnis zur Überwachung der ordnungsgemäßen Verwertung von Abfällen, eine Untersagungsverfügung auf das Fehlen der Voraussetzungen des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz (nämlich hier: das entgegenstehende überwiegende öffentliche Interesse) stützen.
Die angegriffene Untersagungsverfügung ist nach dem VG Münster auch materiell rechtswidrig, soweit darin festgestellt wird, dass der gewerblichen Sammlung des Altpapiers überwiegende öffentliche Interessen entgegenstehen. Insoweit bezieht sich das VG Münster wörtlich auf die zuletzt ergangenen Entscheidungen des OVG Lüneburg (Beschluss vom 24.01.2008 – Az. / ME 192/07) und des Verwaltungsgerichtshofes Mannheim (Beschluss vom 11.02.2008 – Az. 10 S 2422/07) wonach das Entgegenstehen überwiegender öffentlicher Interessen ohne die Feststellung konkreter, nicht mehr hinnehmbarer Beeinträchtigungen der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung nicht bejaht werden kann. Insoweit lässt das VG Münster nicht die Argumentation der beklagten Stadt gelten, dass bei Durchführung der gewerblichen Sammlung für sie nur noch die Reserve- und Auffangfunktion überbleibe und im Falle der Einstellung der gewerblichen Sammlung durch den gewerblichen Sammler ein wegen Unwirtschaftlichkeit stillgelegtes Einsammlungssystem für Altpapier nicht mehr sofort wieder aktiviert werden könnte. Das VG Münster sieht hierin keine tragfähige Argumentation, weil dieses die regelmäßige Folge der vom Gesetzgeber in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz vorgesehenen Zulassung gewerblicher Sammlungen von Abfällen sei. Der Gesetzgeber mute dem öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger – so das VG Münster - insoweit eine gewisse Flexibilität beim Aufbau und der Unterhaltung der Abfallentsorgungsstruktur zu. Soweit die beklagte Stadt die Entwertung der Investitionen der Stadt in ihr Altpapiereinsammelsystem und die Notwendigkeit der Kündigung von Beschäftigungsverhältnissen bei der städtischen Beschäftigungsgesellschaft vortrug, sieht das VG Münster auch darin hierin keine der gewerblichen Sammlung entgegenstehenden überwiegenden öffentlichen Interessen.
Berücksichtigungsfähig sind – so das VG Münster - im Rahmen der Überprüfung des überwiegenden öffentlichen Interesses nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 Kreislaufwirtschaft- und Abfallgesetz nur umweltrechtliche Belange, nicht aber fiskalische Belange oder die Verfolgung (wenn auch sinnvoller) sozial- bzw. beschäftigungspolitischer Ziele und Zwecke. Fiskalische Gesichtspunkte könnten allenfalls mittelbar zum Tragen kommen, nämlich dann, wenn die Funktionsfähigkeit der öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung in der Folge der gewerblichen Sammlung bzw. im Falle ihrer Einstellung aus finanziellen Gründen tatsächlich nicht mehr zu gewährleisten sei. Hinreichende konkrete Anhaltspunkte, die die Annahme rechtfertigten, die Stadt sei in Folge der gewerblichen Sammlung durch den privaten Entsorgungsunternehmer zur Gewährleistung der Funktionsfähigkeit der Abfallentsorgung nicht mehr in der Lage, seien – so das VG Münster - nicht erkennbar.
Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:
Die Entscheidung des VG Münster reiht sich in die zuletzt ergangenen gerichtlichen Entscheidungen zu gewerblichen Abfallsammlungen ein (siehe hierzu: Mitteilungen des StGB NRW 2008 Nr. Nr. 185 und Nr. 241). Diese Rechtsprechungslinie verkürzt allerdings die Sichtweise jeweils auf die in Rede stehende einzelne gewerbliche Abfallsammlung und blendet aus, dass auch mehrere gewerbliche Altpapiersammlungen auf einem Stadtgebiet denkbar sind, die dann in der Folge zu einer massiven Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Abfallerfassung durch eine Stadt führen können.
Insoweit verdient die Rechtsprechung Zustimmung, die in der Vergangenheit bislang in Verfahren zur Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes dokumentiert hat, dass gewerbliche Sammlungen die Ausnahme von der Regelentsorgung über die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger sind und deshalb gewerbliche Sammlungen solange unterbleiben müssen, bis in einem Hauptsacheverfahren die Sach- und Rechtslage ausführlich und intensiv einer Klärung zugeführt werden konnte (so ausdrücklich: VGH München, Beschluss vom 12.01.2005 – Az. 20 CS 04.2947 – Natur und Recht 2006, S. 114). Diese Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für das Land Bayern (VGH München) ist konsequent, denn die Auswirkungen einer gewerblichen Sammlung kann nicht in einem Eilverfahren einer abschließenden Klärung zugeführt werden. Vor diesem Hintergrund muss das Interesse eines privaten Abfallentsorgungsunternehmens auf Durchführung einer gewerblichen Sammlung im Rahmen der Durchführung eines verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens zurücktreten in Bezug auf die sachgerechte und zukunftsgerichtete Klärung, welche Auswirkungen eine gewerbliche Sammlung auf die kommunale Abfallentsorgung und deren Funktionsfähigkeit hat.
Im Übrigen wird nochmals auf die Empfehlungen in den Mitteilungen des StGB NRW 2008 Nr. 241 hingewiesen.
Az.: II/2 31-02