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Integration der Flüchtlinge eine Mammutaufgabe
Städte- und Gemeindebund NRW legt Katalog von Handlungsfeldern und notwendigen Maßnahmen vor
StGB NRW-Pressemitteilung
Düsseldorf,
08.12.2015
Die Integration von Bürgerkriegsflüchtlingen und Menschen, die in Deutschland politisches Asyl erhalten, ist eine Schwerpunktaufgabe für die kommenden Jahre und Jahrzehnte. Darauf hat der Hauptgeschäftsführer des Städte und Gemeindebundes NRW, Dr. Bernd Jürgen Schneider, heute in Düsseldorf hingewiesen: "Es erfordert große Anstrengungen von uns allen, die neu Zugewanderten in unserer Gesellschaft heimisch zu machen." Integration sei somit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe für Staat, Bürgerschaft und Unternehmen mit Pflichten für alle Beteiligten.
Städte und Gemeinden hätten in den vergangenen Jahrzehnten bereits große Erfahrung in der Eingliederung von Neubürgern und -bürgerinnen erworben - etwa bei Arbeitsmigranten, Spätaussiedlern oder Bürgerkriegsflüchtlingen aus den Balkanländern. Der jetzige Zustrom von vielen hunderttausend Menschen aus einem anderen Kulturkreis stelle allein schon wegen seiner Ausmaße ganz neue Anforderungen an die Integrationskraft der Kommunen. "Diese Herausforderung meistern wir nur mit Unterstützung von Bund und Land", machte Schneider deutlich.
Gelebte Integration findet vor Ort in den Städten und Gemeinden statt. Hier besteht täglich die Möglichkeit, dass die Menschen zueinander kommen. Integrationsräte können ihren Teil zum Dialog der Kulturen beitragen. Maßnahmen zur Integration bieten auch die Kommunalverwaltungen an. Gerade sie sind in der Lage, das vielfältige bürgerschaftliche Engagement zu bündeln. Dennoch gibt es Kernbereiche, in denen unter dem Gesichtspunkt der Integration ein Bedarf an zusätzlichen Maßnahmen erkennbar ist:
Kinderbetreuung
Zu begrüßen sind Spielgruppen für Flüchtlingskinder in den Unterkünften, für die das Land Projektmittel von 6 Mio. Euro zur Verfügung stellt. Da jedoch bereits in größerem Umfang Anträge der Jugendämter vorliegen, muss das Land NRW die Projektmittel spätestens 2016 deutlich aufstocken.
Die beste Integrationsmaßnahme für Flüchtlingskinder besteht im Besuch einer Kindertagesstätte oder in der Kindertagespflege - allerdings nicht in separaten Flüchtlingsgruppen, sondern durch Hereinnahme weniger Flüchtlingskinder in bestehende Gruppen. Wegen des forcierten U3-Ausbaus fehlen in vielen Kitas Plätze für über Dreijährige. Daher ist kurzfristig ein Ü3-Investitionsprogramm für 20.000 zusätzliche Plätze nötig, das vom Bund wie auch vom Land NRW finanziert wird. Entsprechend muss auch das Betreuungspersonal aufgestockt werden.
Schule
Von größter Bedeutung ist die Integration der Kinder in den Schulen. Dafür müssen Sprachkurse eingerichtet werden. Ebenso sind bürokratische Vorgaben etwa bei der Festsetzung von Klassengrößen ("kommunale Klassenrichtzahl") zu lockern, sodass die Kommunen mehr Spielraum erhalten.
Das Land muss im Gegenzug die zusätzlich benötigten Lehrkräfte sowie Personal wie Dolmetscher/innen, Schulsozialarbeiter/innen und Schulpsycholog/innen zur Verfügung stellen. Die Verfahren zur Besetzung neuer Stellen müssen zügig und unbürokratisch durchgeführt werden. An vielen Schulen sind die Raumkapazitäten erschöpft. Dort müssen kurzfristig flexible Lösungen gefunden werden, die einen Unterricht außerhalb normaler Schulgebäude ermöglichen. Aufgrund der Belegung von Turnhallen mit Flüchtlingen gilt dies auch für den Sportunterricht. Mittelfristig muss der erforderliche Schulraum durch Erweiterung oder Neubau von Schulen geschaffen werden, wobei auch über investive Hilfen des Landes nachzudenken ist.
Integrations- und Sprachkurse
Die Eingliederung der erwachsenen Neubürger und -bürgerinnen steht und fällt mit dem raschen Spracherwerb. Hier sind die Volkshochschulen als erfahrene Anbieter von Deutschkursen gefragt. Um für den erheblich ausgeweiteten Unterricht Lehrkräfte zu finden, müssen auch unkonventionelle Wege beschritten werden - etwa die Reaktivierung von Lehrer/innen im Ruhestand oder die Nachqualifizierung von Quereinsteiger/innen.
Auszuweiten sind auch die vom Bund bereitgestellten Integrationskurse. Darin erwerben die Zugewanderten Grundkenntnisse über den Staatsaufbau, das öffentliche Leben und die deutsche Geschichte. Gleichermaßen wichtig ist eine Vermittlung hiesiger Sitten und Wertvorstellungen - etwa im Umgang von Männern und Frauen oder in der politischen Auseinandersetzung.
Wohnen
Die Maßnahmen zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum müssen deutlich intensiviert werden. Die Aufstockung der 518 Mio. Euro Bundesförderung für den sozialen Wohnungsbau um jährlich 500 Mio. Euro für die Jahre 2016 bis 2019 ist ein erster Schritt. Angesichts des angespannten Wohnungsmarktes in vielen Regionen von NRW müssen die Finanzmittel jedoch auf mindestens 1,5 Mrd. Euro pro Jahr aufgestockt werden. Darüber hinaus sind die Bestimmungen zur Wohnraumförderung flexibler zu gestalten. Ferner muss der frei finanzierte Wohnungsbau angekurbelt werden - etwa durch steuerliche Anreize für Privatinvestoren.
Eine gelingende Integration setzt soziale Diversifizierung in den Quartieren voraus. Gleichzeitig muss mit Blick auf ein möglichst harmonisches Miteinander darauf geachtet werden, den sozialen Wohnungsbau nicht einseitig allein zur Flüchtlingsunterbringung zu forcieren. Der Neubau von gefördertem Wohnraum muss deshalb breit gestreut sein, um Ghettoisierungstendenzen entgegenzuwirken.
Einen Beitrag zur Integration der Flüchtlinge in bestehende und neu zu planende Quartiere in den Städten und Gemeinden kann auch die kommunale Stadtplanung leisten. Dazu müssen die Städtebauförderprogramme flexibler gestaltet werden.
Kultur und Sport
Für eine gelingende Integration sind Bildung, Sport und Kultur immens wichtig. Daher muss das Angebot in diesen Bereichen ausgeweitet, und es müssen hierfür die personellen und sächlichen Voraussetzungen geschaffen werden.
Vor allem Sport- und Kulturangebote, die keine oder nur geringe Deutschkenntnisse voraussetzen, bieten einen niedrigschwelligen Einstieg in die Integration. Beim Mannschaftssport oder beim Musizieren wird eine gemeinsame Basis geschaffen und ein Kennenlernen möglich. Vorhandene Unterstützungsangebote - etwa das Programm des Landessportbundes NRW oder die vielfältigen Programme aus der kulturellen Bildung wie JeKiTS - sollten unbedingt genutzt und vom Land stärker gefördert werden. Dabei kommt den Kommunen im Kreis der Vereine und Initiativen eine koordinierende und motivierende Rolle zu.
Übergang ins Berufsleben
Eine Integration von Flüchtlingen in die Gesellschaft kann nur gelingen, wenn die Eingliederung in Ausbildung und Beschäftigung energisch vorangetrieben wird. Hierbei geht es darum, das Qualifikationsniveau der Zugewanderten zu heben. Jobcenter und Arbeitsagenturen müssen sich darauf einstellen, eine große Anzahl von Flüchtlingen möglichst rasch in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hierfür ist neben einer besseren finanziellen Ausstattung vor allem zusätzliches Fachpersonal erforderlich.
Insbesondere die Bundesagentur für Arbeit muss ihr Personal in den Ländern deutlich aufstocken, um die negativen Folgen vor allem von Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden. Kommunen sind gut beraten, vor Ort die vorhandenen Kräfte zu bündeln und zu vernetzen. Dabei sind vor allem die so genannten Integration Points zu begrüßen, welche die Arbeitsagentur derzeit in NRW aufbaut.
Bei der Einrichtung von Berufsvorbereitungskursen können vor allem die Volkshochschulen ihr Expertenwissen zum Tragen bringen. Bei der Bereitstellung von Praktika und Ausbildungsplätzen ist jedoch explizit die Wirtschaft gefordert. Diese hat eine Schlüsselstellung bei der Integration der Flüchtlinge ins Arbeitsleben inne.
V.i.S.d.P.: HGF Christof Sommer, Pressesprecher Philipp Stempel, Städte- und Gemeindebund Nordrhein-Westfalen, Kaiserswerther Straße 199-201, 40474 Düsseldorf, Tel. 0211/ 4587-230, Fax: -287, E-Mail: presse@kommunen.nrw , Internet: www.kommunen.nrw
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