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410/1997

VG Düsseldorf zum Einwohnermaßstab im Landesabfallgesetz

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Das VG Düsseldorf hat mit Urteil vom 23. April 1997 (Az.: 16 K 7669/96) entschieden, daß der reine Einwohnermaßstab nicht den Vorgaben des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW entspricht. Nach § 9 Ab.2 Satz 3 LAbfG NW sollen mit dem Abfallgebührenmaßstab wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung für die Benutzer/Gebührenpflichtige der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung geschaffen werden. Das VG Düsseldorf stellt in seinem Urteil zunächst unter Hinweis und in Übereinstimmung mit dem Beschluß des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.05.1994 ( BVerwG - Az.: 8 NB 1.94 -; Natur und Recht 1995, Seite 186 f.) fest, daß die Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW mit höherrangigem Recht vereinbar und deshalb wirksam ist. Gleichzeitig weist das VG Düsseldorf darauf hin, daß § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW es den abfallentsorgungspflichtigen Kommunen als öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern nicht abverlangt, abweichend von § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NW die Abfallgebühren nunmehr nur noch nach der Inanspruchnahme der Einrichtung oder Anlage zu bemessen, d.h. einen Wirklichkeitsmaßstab zu verwenden. Vielmehr ist es - so das VG Düsseldorf - nach dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW und der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift weiterhin zulässig, einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab im Sinne des § 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NW für die Bemessung der Abfallentsorgungsgebühren zu verwenden. Allerdings ist unter Berücksichtigung des Regelungsgehaltes des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW ein Wahrscheinlichkeitsmaßstab zu wählen, der durch eine hinreichend starke Differenzierung den Wirklichkeitsmaßstab derart angenähert sein muß, daß von ihm in der Praxis wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und -verwertung ausgehen können. Die Gebührenpflichtigen sollen durch die Satzungsregelungen dazu veranlaßt werden, die Abfallentsorgungseinrichtung aufgrund ihres Abfallverhaltens weniger stark in Anspruch zu nehmen um folglich selbst aktiv beeinflussen können, wie hoch ihre Abfallentsorgungsgebühren sind. Personengruppen, die im Durchschnitt relativ wenig Abfall produzieren, sollen gebührenrechtlich besser gestellt sein als solche Personen, die sich weniger umweltbewußt verhalten. Insoweit geht das VG Düsseldorf davon aus, daß § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW für die entsorgungspflichtigen Körperschaften grundsätzlich verbindlich ist. Dies folgert das VG Düsseldorf aus dem Wort "sollen" in § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW und aus dem Regelungsgehalt des § 9 Abs. 2 Satz 4 LAbfG NW, wonach Satzungsregelungen, die den Anforderungen des § 9 Abs.3 Satz 2 LAbfG NW nicht entsprechen, längstens bis zum 31. Dezember 1995 gelten.

Allerdings weist das VG Düsseldorf ausdrücklich darauf hin, daß durch das Wort "sollen" in § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW den abfallentsorgungspflichtigen Kommunen die Möglichkeit eröffnet wird, in konkreten einzelnen Fällen von der grundsätzlich verbindlichen Regelung des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW abzuweichen. Hierzu führt das VG Düsseldorf wörtlich aus:

"Denkbar mag dies etwa für den Fall sein, in dem eine strikte Umsetzung der Vorgaben des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG durch eine Abfallsatzung dazu führen kann oder sogar geführt hat, daß hochrangige Rechtsgüter (etwa eine geordnete Abfallentsorgung, Schutz der Umwelt vor wilder Abfallbeseitigung) auf Dauer stark in Mitleidenschaft gezogen werden bzw. worden sind. Allgemeiner gesagt ist also ein zusätzliches Abweichen von § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG in atypischen, durch Vorliegen besonderer Umstände gekennzeichneten Fällen vorstellbar, in denen ein unbedingtes Festhalten des Satzungsgebers an der Vorschrift die hinter dieser stehenden Ziele und Zwecke einer ökologischen Abfallwirtschaft und eines schonenderen Umgangs mit den natürlichen Ressourcen konterkarieren würde. Die Vermeidung von Kostensteigerungen, die durch die erstmalige Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zu erwarten sind, zählt demgegenüber nicht zu den Aspekten, die ein Abweichen von den Vorgaben des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG rechtfertigen können, auch wenn sie sich letztlich zu Gunsten der Gebührenpflichtigen auswirken. Denn der Gesetzgeber hat der Abfallvermeidung und -verwertung unzweifelhaft Vorrang eingeräumt und sieht den Gebührenmaßstab lediglich als Instrument zur besseren Erreichbarkeit dieses Zieles an."

Das Urteil des VG Düsseldorf ist noch nicht rechtskräftig. Ein Verfahren auf Zulassung der Berufung ist mit der Begründung darauf angestrengt worden, daß eine Umstellung des Gebührenmaßstabes eine Erhöhung der Abfallgebühren für die Benutzer der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung zur Folge haben würde was einen atypischen, durch Vorliegen besonderer Umstände gekennzeichneten Fall darstelle, so daß den Vorgaben des § 9 Abs. 2 Satz 3 LAbfG NW nicht Rechnung getragen werden müsse.

Ergänzend weist die Geschäftsstelle darauf hin, daß aus dem Urteil des VG Düsseldorf nicht entnommen werden kann, daß zukünftig für jede Abfallentsorgungsteilleistung (Entsorgung von Restmüll, Bioabfällen, Sperrmüll, schadstoffhaltigen Abfällen, Altpapier, u.s.w.) jeweils eine gesonderte Gebühr (Sondergebühr) erhoben werden muß. Vielmehr ist eine Einheitsgebühr weiterhin zulässig, wenn anderenfalls eine geordnete Abfallentsorgung nicht sichergestellt ist bzw. die Umwelt vor wilden Abfallbeseitigungen geschützt werden muß. Mithin kann es weiterhin als ausreichend angesehen werden, wenn mit der sogenannten Einheitsgebühr für die verschiedenen Abfallentsorgungsteilleistungen insgesamt wirksame Anreize zur Abfallvermeidung und -verwertung geschaffen werden können. Es bedarf deshalb etwa keiner Erhebung von Sondergebühren für die Sperrmüllentsorgung, die Entsorgung schadstoffhaltiger Abfälle, die Entsorgung von Altkühlschränken, wenn hierdurch die Gefahr wilder Müllablagerungen hervorgerufen wird. Im übrigen wird zunächst abzuwarten sein, ob das OVG NW die Rechtsprechungslinie des VG Düsseldorf bestätigen wird.

Az.: IV/2 33-10 qu/sb