Der Geschäftstelle sind Schreiben an die Städte und Gemeinden bekannt geworden, worin diese aufgefordert werden, auf „Produkte aus ausbeuterischer Kinderarbeit in ihrer Beschaffung zukünftig zu verzichten“ und dies schriftlich zu erklären. Aus vergaberechtlicher Sicht ist dies möglich.
Denn im Ergebnis sind sowohl oberhalb als auch unterhalb der EU-Schwellenwerte auch schon heute Auftragnehmer, die solche Produkte anbieten, als ungeeignet und damit als unzuverlässig i.S.v. § 97 Abs. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) bzw. die Verdingungsordnungen (§ 2 Nr. 1 VOB/A, § 2 Nr. 3 VOL/A, § 4 Abs. 1 VOF) anzusehen. Eine Unterzeichnung entsprechender Schreiben hätte daher lediglich deklaratorische Wirkung. Dies ergibt sich aus Folgendem:
Nachweislich der Begründung zu Artikels 1 Nr. 2 b des Gesetzes zur Modernisierung des Vergaberechts, welches am 13.02.2009 auch vom Bundesrat verabschiedet wurde und nunmehr noch verkündet werden muss (vgl. unsere Mitteilung vom 24.02.2009), sieht der Gesetzgeber als zuverlässig u.a. nur solche Unternehmen an, die die deutschen Gesetze einhalten. Dazu zählen – so die Gesetzesbegründung wörtlich (vgl. S. 16 der Bundestagsdrucksache 16/10117; abrufbar unter www.bundestag.de) – „auch die international vereinbarten Grundprinzipien und Rechte wie die Kennarbeitsnormen der Internationalen Arbeitsorganisation zum Verbot der Kinder- und Zwangsarbeit“. [Sie] „sind zwingender Bestandteil unserer Rechtsordnung und damit des Vergaberechts. In Deutschland agierende Unternehmen, die diese Grundprinzipien und Rechte nicht beachten, müssen prinzipiell aufgrund fehlender Zuverlässigkeit vom Wettbewerb um öffentliche Aufträge ausgeschlossen werden“.
Von daher bedarf es auch für die „ausbeuterische Kinderarbeit“ keines Rückgriffs auf die nunmehr in § 97 Abs. 4 S. 2 GWB n.F. genannten „sozialen Aspekte“. Diese Norm gilt nur oberhalb der EU-Schwellenwerte. Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass unterhalb dieser Schwelle „soziale Aspekte“ weder in der VOB/A, VOL/A bzw. VOF aufgeführt sind. Auch die derzeitigen Entwürfe zur Änderung der VOB und VOL sehen dies nicht vor. Insoweit fehlt es an einer vergleichbaren Regelung zu § 97 Abs. 4 S. 2 GWB n.F.. Dies ist im Hinblick auf die „ausbeuterische Kinderarbeit“ aus den o.g. Gründen aber auch nicht notwendig.
Ob allerdings das Vergaberecht eine geeignete Möglichkeit bietet, dem berechtigten Wunsch nach einer flächendeckenden Ächtung ausbeuterischer Kinderarbeit zu entsprechen dürfte mehr als fraglich sein. Soweit sei auf folgende Aspekte hingewiesen:
• Im Regelfall wird sich nicht zweifelsfrei bis zum letzten Glied der Produktionskette feststellen lassen, unter welchen Bedingungen und von wem ein Produkt hergestellt wurde;
• Selbst ein Lieferant kann nicht immer wissen, ob sämtliche Einzelteile seines Produktes unter akzeptablen Bedingungen und ohne Kinderarbeit entstanden sind;
• Es dürfte außerordentlich schwierig sein, Form und Inhalt geeigneter Nachweise zu bestimmen;
• Eine effektive Kontrolle, ob die ggf. vorhandenen Nachweise echt sind und der Wahrheit entsprechen, dürfte nur schwer möglich sein.
• Die Umsetzung der entsprechenden Bestimmungen wäre in der Praxis mit einem erheblichen bürokratischen Aufwand für die betroffene Wirtschaft und die zur Anwendung verpflichteten öffentlichen Auftraggeber verbunden.
Weitergehende Informationen zu diesem Thema können auch unter dem vom Landtag abgelehnten Antrag einer Landtagsfraktion „gegen ausbeuterische Kinderarbeit“ (Drucksache 14/5572) vom 27.11.2007 entnommen werden. Der Beratungsvorgang mit den jeweiligen Argumenten kann unter www.landtag.nrw.de unter der o.g. Drucksachennr. abgerufen werden.
Az.: II/1 608-00