Wie zufrieden sind Sie mit den 100 Milliarden Euro für die Kommunen?
Landscheidt: Wir sind für jeden Euro dankbar, der uns dabei hilft, unsere Infrastruktur zu verbessern. Der kommunale Investitionsstau beträgt inzwischen 186 Milliarden Euro. Es ist mehr als überfällig, den Kommunen Geld zur Verfügung zu stellen. Allerdings halte ich es für problematisch, dass mehr als 60 Prozent des Investitionsbedarfs bei Ländern und Kommunen anfällt, sie aber nur 20 Prozent der Gesamtsumme bekommen sollen. Das ist eine Schieflage, die wir nicht gutheißen können.
Das heißt, es müsste noch einmal draufgesattelt werden?
Landscheidt: Da bin ich wenig optimistisch. Es bedeutet zunächst einmal, dass wir Prioritäten setzen müssen. Und da fängt das nächste Problem an: Wer entscheidet denn, was wir vorrangig angehen? Diese Maßnahme darf nicht dazu führen, dass in die Selbstverwaltung der Kommunen eingegriffen wird. Denn sie können vor Ort am besten sagen, welche Infrastrukturmaßnahme wesentlich ist.
Wo könnte man am effektivsten loslegen?
Landscheidt: Unstreitig ist die Verkehrsinfrastruktur. Das heißt aber nicht, dass jetzt jede Straße rundumerneuert wird. Auch dort musss es Schwerpunktsetzungen geben. Hinzu kommen die wirklich drängenden Dauer-Themen wie Schule, Digitalisierung und Klimaschutz.
Letzteres Thema versuchen die Grünen gerade noch mit ihrer Blockade hinein zu verhandeln. Das müssten Sie also gutheißen.
Landscheidt: Klimaschutz ist kein Privileg der Grünen, sondern eine reale Anforderung vor Ort. Und lassen wir mal alle Verhandlungstaktik außen vor: Ich glaube schon, dass für das Thema mehr Geld notwendig sein wird.
Beruhigt es Sie, dass der Ministerpräsident schon angekündigt hat, die Gelder schnell und unbürokratisch weiterzuleiten?
Landscheidt: Ich halte das eher für eine Selbstverständlichkeit, dass das Geld dort ankommt, wo es dringend gebraucht wird. Wir haben schon viel zu oft erlebt, dass EU- und Bundesmittel nicht in vollem Umfang an uns weitergegeben werden. Diese Zeiten müssen einfach vorbei sein. Dass es auch anders geht, hat die Landesregierung vor zwei Jahren unter Beweis gestellt, als sie die Nothilfen für die Flüchtlingsunterbringung 1:1 an uns weitergeleitet und damit viel Gutes ermöglicht hat.
Wichtig ist uns der Punkt, dass es unbürokratisch werden muss. Wir können es uns nicht leisten, dass wir jetzt wahnsinnig komplexe Programme bekommen, die Personalkapazitäten binden und uns ausbremsen.
Das Paket ist von mehreren Seiten unter Druck. Neben der Blockade der Grünen gibt es auch schon Verfassungsbeschwerden. Was passiert, wenn die 500 Milliarden jetzt gekippt werden?
Landscheidt: Bei der rechtlichen Situation bin ich erst einmal gelassen. Solange der Bundestag im Amt ist, kann er zusammentreten und Entscheidungen treffen. Die Verantwortlichen müssen sich jetzt in der Kürze der Zeit zusammenraufen. Es geht jetzt um staatspolitische Verantwortung, die wir an dieser Stelle maßgeblich einfordern werden. Ich möchte mir nicht ausdenken, dass wir ansonsten im Bundestag vor der Frage stehen, ob die Rechtsradikalen beteiligt werden müssen. Ich hoffe, dass es so weit nicht kommt.
Für wie schlüssig halten Sie die Kehrtwende der CDU, die noch im Wahlkampf gegen das Schuldenmachen gewettert hat und nach dem Konflikt im Oval Office plötzlich umgeschwenkt ist?
Landscheidt: Ich will das gar nicht bewerten, habe aber noch gut in Erinnerung, dass Wirtschaftswissenschaftler schon seit Jahren darauf hinweisen, dass die Bundesrepublik als viertgrößte Volkswirtschaft der Welt nicht alles richtig macht, wenn sie sich sklavisch an die Maastricht-Kriterien hält und dafür ihre Infrastruktur verkommen lässt.
Am Ende zahlen aber unsere Enkel und Urenkel den Preis für diese Politik.
Landscheidt: Diese Enkel Argumentation hat mir noch nie gefallen. Es geht doch darum, dass wir eine funktionsfähige Struktur hinterlassen. Ich habe selbst Kinder und die wollen jetzt in gute Schulen gehen, wollen jetzt die Eisenbahn nutzen und da muss man jetzt investieren. Und wenn sie dann am Ende die finanzielle Verantwortung mittragen, dann ist das so.
Müsste man nicht auch mal einfach über Steuererhöhungen debattieren?
Landscheidt: Wenn Sie mich persönlich fragen, dann sage ich klar ja. Aber das ist natürlich eine parteipolitische Diskussion, dann reden wir über eine Reform der Erbschaftssteuer, eine verfassungskonforme Vermögenssteuer und all diese Dinge. Aber das sind langfristige Prozesse und das hilft uns im Moment nicht. Deshalb halte ich das Sondervermögen für richtig.
Wie ist denn die aktuelle Lage der Kommunen in NRW?
Landscheit: Wir befinden uns in einer dramatischen Situation. Reihenweise drohen Kommunen in die Haushaltssicherung zu rutschen. Das Problem mag unterschiedlich stark ausgeprägt sein, aber die Tendenz ist bei allen gleich. Der Grund: Die Mittel für die Investitionen reichen vorne und hinten nicht, weil die Kosten für konsumtive Aufgaben aus dem Ruder laufen, ohne dass wir sie beeinflussen könnten.
Was sind die größten Posten?
Landscheidt: Die Sozialleistungen erdrücken uns. Nehmen Sie allein die in der Kreisumlage enthaltene Eingliederungshilfe. Das sind gewaltige Summen. Auch die Integrationskosten sind erheblich. Das sind dicke Brocken, die wir nicht aus eigener Kraft bewältigen können.
Die Migration war auch Thema der Sondierungen. Sind Sie zufrieden mit dem Ergebnis?
Landscheidt: Ja, das haben wir immer eingefordert. Es dürfen nur noch diejenigen auf die Kommunen verteilt werden, die eine echte Bleibeperspektive haben, die eine Arbeit aufnehmen können und nicht frustriert in den Tag hineinleben. Dieses Thema jetzt massiv und konsequent aufzugreifen, war im Interesse aller Städte und Gemeinden. Nur so können wir unser Asylsystem am Leben erhalten. Aber natürlich muss es verfassungskonform ausgestaltet sein.
Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass man mit Schwarz-Rot die Altschuldenlösung hinbekommt?
Landscheidt: Auf dem Papier haben alle zugesagt, die Problem zu lösen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Aber seien wir ehrlich: Die Altschuldenfrage hat mit dem Infrastrukturprogramm überhaupt nichts zu tun, sie ist ein Problem für sich. Und muss darum für sich gelöst werden..
Wünschen Sie sich, dass der Ministerpräsident noch mal einen Anlauf macht und eine grundsätzlich Neujustierung der Kommunalfinanzen auf den Weg bringt?
Landscheidt: Kommunen müssen so finanziert werden, dass sie die ihnen zugewiesenen Aufgaben bezahlen können. Das ist unsere ständige Forderung und die werden wir auch weiterhin klar und unmissverständlich formulieren.
Das Interview erschien in der >>Rheinischen Post am 12. März 2025.