Im öffentlichen Dienst gibt es eine enorme Spannbreite an Aufgaben. Verwaltung, Kitas oder Rettungsdienst, wie wird man den unterschiedlichen Bedürfnissen gerecht?
Landscheidt: Ja, das ist sehr kompliziert. Das haben Sie schon durch die Aufzählung der unterschiedlichen Tätigkeiten genannt. Das ist das eine. Es kommt noch hinzu, dass es den Städten und Gemeinden in Deutschland sehr unterschiedlich geht. Da gibt es Städte hier im Ruhrgebiet vor allen Dingen, die in besonderer Weise belastet sind, die erhebliche Defizite haben. Und dann gibt es Städte im Süden, da gibt es Speckgürtel, die haben bei weitem nicht die Probleme, diese Tarifabschlüsse zu verkraften. Und das zeigt ja, wie kompliziert das eigentlich ist.
Wie bewerten Sie den Tarifabschluss?
Landscheidt: Es ist sicherlich für uns an der Belastungsgrenze. Ich spreche dabei für die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Die gute Nachricht sind die 27 Monate Laufzeit. Aber der Etat für das Personal macht einen großen Teil des Haushaltes aus. Und wenn der um diese Prozentzahlen steigt, dann ist das eine erhebliche Belastung, die wir nur schwer verkraften können.
Was heißt das ganz konkret? Haben Sie in Kamp-Lintfort schon angefangen zu rechnen?
Landscheidt: Wir sind dabei zu rechnen, sicherlich. Wir schauen, ob man an anderer Stelle das Geld einsparen kann oder möglicherweise Leistungen einschränken muss. Das ist nicht so, dass wir das einfach so aus dem laufenden Haushalt zahlen können. Unser Dilemma ist, dass wir für unsere ganz normalen Aufgaben schon jetzt nicht das nötige Geld haben. Die Verschuldung der Städten und Gemeinden hat sich im letzten Jahr verdreifacht. Und wenn das jetzt noch obendrauf kommt, brauche ich ja nicht zu sagen, wie schwierig es ist, das im nächsten Haushaltsjahr zu platzieren. Es wird sehr, sehr schwierig werden.
Welche Leistungen werden dann konkret betroffen, wenn Sie da einsparen müssen?
Landscheidt: Man wird sicherlich Maßnahmen treffen bei den Personalleistungen, die auf die Gebühren umzulegen sind. Gebühren werden sich erhöhen. Auf der anderen Seite wird hinzukommen, dass man bestimmte Leistungen einfach nicht mehr erbringen kann, wenn sie teurer geworden sind. Wenn das Geld jetzt für Personalleistungen ausgegeben wird, dann kann es an anderer Stelle nicht ausgegeben werden. Die Grundproblematik ist, dass wir für unsere Grundaufgaben und Leistungen schon jetzt viel zu wenig Geld haben. Wir fordern darum als Städte- und Gemeindebund, dass wir am Steueraufkommen deutlich mehr partizipieren als das bisher der Fall ist. Wir kriegen im Moment 23 Prozent, wir fordern mindestens 25, eher 27 Prozent, um unsere Pflichtaufgaben erfüllen zu können.
Das wäre Geld vom Bund und Land, was Sie da einfordern, richtig?
Landscheidt: Es ist primär Geld vom Land, aber letztlich geht es um Leistungen und zusätzliche Aufgaben vom Bund. Wenn ich etwa den offenen Ganztag nehme, dann ist das eine Sache, die der Bund mitfinanzieren muss. Ich rede über die Altschuldenlösung, die auch vom Bund mitfinanziert werden muss. Der Staat findet vor Ort statt und die Bürgerinnen und Bürger fragen vor Ort, was geleistet werden kann. Deswegen sind wir zwingend angewiesen auf mehr Leistungen von Land und Bund.
Ist die Tarifeinigung aus Ihrer Sicht gut gelaufen oder ist sie nicht gut gelaufen?
Landscheidt: Zwei Herzen schlagen da in meiner Brust. Wenn wir für den öffentlichen Dienst qualifizierte Fachkräfte gewinnen wollen, dann müssen wir denen auch entsprechende Leistungen bieten. Insofern ist es positiv, wenn hier zusätzliche Anreize geschaffen werden. Gleichzeitig muss ich sehen, dass unsere Kassen mehr als überfordert sind, wenn wir zusätzliche Löhne zahlen müssen. Das kann nur durch eine entsprechende Entlastung von anderer Seite, nämlich von Land und Bund gewährleistet werden.
Das Interview wurde am 7. April im Rahmen der WDR 5-Sendung Westblick ausgestrahlt und ist bis zum 7. April 2026 in der ARD-Mediathek abrufbar.
Information:
Der Tarifabschluss vom 6. April 2025 sieht im Kern folgende Regelungen vor:
- Eine lineare Entgelterhöhung von 3,0 Prozent, mindestens jedoch 110 Euro monatlich, ab dem 1. April 2025
- Eine weitere Entgelterhöhung von 2,8 Prozent ab dem 1. Mai 2026
- Eine Erhöhung der Jahressonderzahlung auf einheitlich 85 Prozent ab dem Kalenderjahr 2026
- Die Möglichkeit, Teile der Jahressonderzahlung in bis zu drei freie Tage umzuwandeln
- Die Möglichkeit, auf beidseitig freiwilliger Basis die wöchentliche Arbeitszeit befristet auf bis zu 42 Stunden zu erhöhen
- Einen zusätzlichen Urlaubstag ab dem Kalenderjahr 2027
- Erhöhte Zulagen für Wechselschicht- und Schichtarbeit ab dem 1. Juli 2025