Mitteilung
BayVGH zum Ausgleich von Gebührenunterdeckungen
Die betroffene, bayerische Gemeinde hatte die Abwassergebühren im Zeitraum 2021–2024 nicht auf der Grundlage einer Vorauskalkulation ermittelt, sondern die in einem Vorjahreszeitraum geltenden Gebührensätze lediglich fortgeschrieben.
Der BayVGH nimmt in seinem Beschluss vom 16.05.2025 den Standpunkt ein, dass ein Ausgleich von Kostenunterdeckungen nach dem Wortlaut des Art. 8 Abs. 6 Satz 2 BayKAG nur dann möglich ist, wenn es einen „Bemessungszeitraum“ gibt, in dem Kostenunterdeckungen entstehen können. Ein „Bemessungszeitraum“ liegt dem BayVGH zufolge allerdings nicht in den Fällen vor, in denen Gebührensätze lediglich (ohne erneute Gebührenkalkulation) fortgeschrieben werden, d.h. nicht im Wege der Vorauskalkulation (Gebührenkalkulation für das konkrete Gebührenerhebungsjahr) ermittelt werden. Denn gemäß Art. 8 Abs. 6 Satz 1 BayKAG setzt die Gebührenbemessung voraus, dass die Gemeinde die voraussichtlichen Kosten für einen Erhebungszeitraum berücksichtigt und somit kalkulatorische Erwägungen anstellt. Eine gegebenenfalls auszugleichende Unterdeckung kann dementsprechend – so der BayVGH - nur dann eintreten, wenn die tatsächlichen Kosten von den kalkulierten Kosten abgewichen sind oder sich die tatsächliche Inanspruchnahme der Einrichtung anders entwickelt hat als in der Gebührenkalkulation prognostiziert.
Die Geschäftsstelle weist ergänzend auf Folgendes hin:
Die Entscheidung des BayVGH ist zum bayerischen Kommunalabgabengesetz ergangen und somit nicht ohne Weiteres auf Nordrhein-Westfalen und das KAG NRW übertragbar.
Allerdings hat auch das OVG NRW bislang grundlegend entschieden, dass mit Blick auf den Ausgleich von Gebührenüberdeckungen und Gebührenunterdeckungen eine ordentliche Gebührenkalkulation als Kostenprognose als Pflicht anzusehen ist (OVG NRW, Beschluss vom 30.10.2001 – Az.: 9 A 3331/01 -).
In NRW kann der Ausgleich von Über-/Unterdeckungen gemäß § 6 Abs. 4 Satz 2 und Satz 3 KAG NRW innerhalb von 4 Jahren nach Ablauf des Gebührenerhebungsjahres erfolgen. Eine Verlängerung des Zeitraumes ist laut dem OVG NRW nicht zulässig. Ebenso ist eine Schätzung der Unterdeckung/Überdeckung unzulässig, d. h. es muss zwingend eine Ist-Abrechnung mit harten Zahlen, Daten Fakten (Stichwort: ZDF) nach Ablauf des Gebührenerhebungsjahres durchgeführt werden. Deshalb sind die 4 Jahre effektiv nur 3 Jahre, weil das 1. Jahr (Jahr der Ist-Abrechnung) für den Ausgleich bereits wegfällt (OVG NRW, Beschluss vom 17.01.2011 – Az.: 9 A 693/09 und 30.11.2010 – Az.: 9 A 1579/08 -).
Außerdem sind schlichte Einnahme-/Überschussrechnungen unzulässig (OVG NRW, Urteil vom 20.01.2010 – Az.: 9 A 1469/08 -; OVG Niedersachsen, Urt. v. 16.06.2022 - Az.: 9 KN 15/17 -), denn gefordert ist, dass jede prognostizierte Kostenposition mit den tatsächlichen entstandenen Kosten abgeglichen wird.
Kostenunterdeckungen entstehen, wenn sich nachträglich herausstellt, dass sich die kalkulierten Kosten oder Maßstabseinheiten (Stichwort: Inanspruchnahme der öffentlichen Abwasserentsorgungseinrichtung) geändert haben (OVG NRW, Urteil vom 20.01.2010 – Az.: 9 A 1469/08 -; OVG Niedersachsen, Urt. v. 16.06.2022, Az.: 9 KN 15/17 – zu § 5 NKAG; BayVGH, Beschluss vom 16.05.2025 - Az.: 4 CS 25.564).
Grundsätzlich sollten Gebührenunterdeckungen möglichst gleichmäßig ausgeglichen werden, damit der Gebührensatz nicht nach oben und unter schwankt. Ebenso empfiehlt es sich, die Abwassergebühr für ein Jahr zu kalkulieren, wenn gleich gemäß § 6 Abs. 4 Satz 1 KAG NRW der Gebührenrechnung ein Kalkulationszeitraum von bis zu 3 Jahren (höchstens) zugrunde gelegt werden kann. Wird ein Gebühr über mehrere Jahre kalkuliert, so muss immer bedacht werden, dass über mehrere Jahre auch erhebliche Unterdeckungen entstehen können, was den Ausgleich von Kostenunterdeckungen nach Ablauf des mehrjährigen Kalkulationszeitraumes zusätzlich erschweren kann.
Laut dem OVG Niedersachsen (Urt. v. 16.06.2022 - Az.: 9 KN 15/17 –) liegt keine Unterdeckung bei bewussten oder irrtümlich nicht angesetzten Kostenpositionen vor. Das OVG NRW (Beschluss vom 30.10.2001 – Az.: 9 A 3331/01 -) hat bislang nur bei bewussten Unterdeckungen einen Unterdeckungsausgleich ausgeschlossen und nicht bei irrtümlich nicht angesetzten Kosten. Zugleich hat das OVG NRW eine Ausgleichspflicht bezogen auf fehlerhafte Kostenansätze verneint, denn dafür muss gegen den Gebührenbescheid Widerspruch eingelegt werden (so: OVG NRW, Beschluss vom 17.01.2011 – Az.: 9 A 693/09 -; OVG NRW, Beschluss vom 30.11.2010 – Az.: 9 A 1579/08 -). Allerdings kann bei von der Stadt/Gemeinde sog. selbst gesetzten Kalkulationszielen (Abschreibung von Herstellungswert oder Wiederbeschaffungszeitwert bei langlebigen Anlagegütern, kalkulatorischer Zinssatz) durch eine Abänderung nachträglich keine Unterdeckung erzeugt werden (so: OVG NRW, Urteil vom 27.04.2025 – Az.: 9 A 2813/12).
Schlussendlich ist zu beachten, dass ein Ausgleich bei der Schmutz- und Niederschlagswassergebühr nur bezogen auf die jeweilige konkrete Gebühr möglich ist, d. h. ein „Querfinanzierungsausgleich“ ist unzulässig. Etwas anderes gilt bei der Abfallgebühr, denn gemäß § 9 Abs. 2 Satz 3 LKrWG NRW ist eine Querfinanzierung von nicht kostendeckenden Sondergebühren über die Abfall-Einheitsgebühr bezogen auf das Restmüllgefäß zulässig, so dass keine vollständig getrennt kalkulierten Gebührensätze von vorherein vorliegen.