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OVG NRW zur Überflutung durch Straßenoberflächenwasser

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Das OVG NRW bestätigte insoweit ein Urteil des VG Düsseldorf (Az.: 16 K 5075/22), wonach wegen eines Verstoßes gegen § 27 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz NRW ein öffentlich-rechtlicher Folgenbeseitigungs- bzw. Unterlassungsanspruch besteht. Gemäß § 27 Abs. 1 Nachbarrechtsgesetz NRW sind bauliche Anlagen so einzurichten, dass Niederschlagwasser nicht auf das Nachbargrundstück tropft, auf dieses abgeleitet wird oder übertritt.

Das OVG NRW weist zudem darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung ebenso ein öffentlich-rechtlicher Abwehr- und Folgenbeseitigungsanspruch besteht, welcher ebenfalls die Folgen schlicht hoheitlichen Handelns, mithin auch Straßenbauarbeiten, umfasst. Dieser Anspruch setzt – so das OVG NRW - einen hoheitlichen Eingriff voraus, der ein subjektives Recht des Betroffenen verletzt. Für den Betroffenen muss dadurch ein rechtswidriger Zustand entstanden sein, der noch andauert und den er nicht dulden muss (vgl. BVerwG, Urteile vom 26.08.1993 – 4 C 24.91 und vom 06.09.1984 – 4 C 51/80 – OVG NRW, Beschluss vom 25.01.2017 – 11 A 1701/16 – und OVG NRW, Urteil vom 20.06.2022 – 11 A 2800/18 –).

Das VG Düsseldorf hatte klargestellt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Wasser um Niederschlagswasser im Rechtsinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG und nicht um wild abfließendes Wasser im Sinne des § 37 WHG gehandelt hatte.

Trotz alledem hat das OVG NRW in seinem Beschluss vom 16.07.2025 (Az.: 11 A 1933/24) nunmehr zusätzlich klargestellt, dass sich die Pflicht der beklagten Gemeinde auch darauf erstreckt, dass das von umliegenden landwirtschaftlichen Feldern wild abfließende Wasser im Sinne des § 37 WHG, welches auf die öffentliche Straße läuft, zu beseitigen, damit es auf Anlieger-Grundstücken nicht zu Schäden kommt. Die Pflicht der Stadt erstreckt sich somit auch darauf, Unterlieger vor Schaden durch wild abfließendes Wasser zu bewahren, das von anderen Grundstücken auf die Straße läuft. Insoweit verweist das OVG NRW ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2024 (BGH, Beschluss vom 22.02.2024 – III ZR 63/23 – und Urteil vom 31.10.2019 – III ZR 64/18 -).

Allerdings hatte das OVG NRW in seinem Urteil vom 20.06.2022 (– 11 A 2800/18 – Rz. 100 und 101 der Urteilsgründe) noch anders entschieden und festgestellt, dass Ackerwasser auf der Grundlage der bundesweit geltenden Abwasserdefinition in § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WHG kein Niederschlagswasser im Rechtsinne ist, weil es nicht vom Himmel kommend sofort (unmittelbar) auf eine bebaute und/oder befestigte Fläche auftrifft und von dort gesammelt abfließt. Nunmehr hat sich das OVG NRW wohl der Rechtsprechungslinie des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 2024 angeschlossen.

In Anbetracht dieser insgesamt haftungsrechtlichen Rechtsprechung kann insbesondere eine Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG) nur dadurch vermieden werden, dass eine Stadt bzw. Gemeinde für etwaige Problemstände mit wild abfließendem Wasser, maßnahmentechnisch sachgerechte Lösungen findet.

Dieses ergibt sich jedenfalls aus der Rechtsprechung zur Amtshaftung. So hat der BGH mit Beschluss vom 20.12.2018 (– III ZR 5/18 –) die Revision gegen ein Urteil des OLG Düsseldorf vom 20.12.2017 (18 U 195/11) nicht angenommen, wonach eine Stadt für einen Überflutungsschaden durch Ackerwasser auf einem privaten Grundstück haften muss, weil ihr grundsätzlich und generell die Aufgabe des Hochwasser- sowie Überflutungsschutzes zukommt (vgl. auch das sog. Weinberg-Urteil vom BGH, Urteil vom 18.02.1999 – III ZR 272/96 – zum sog. Hangwasser).

Dabei wird der Begriff des „Hochwassers“ weit verstanden. Hochwasser ist zwar nach der heute geltenden, gesetzlichen Definition in § 72 Satz 1 WHG eine zeitlich begrenzte Überschwemmung von normalerweise nicht mit Wasser bedeckten Land, insbesondere durch oberirdische Gewässer oder durch in Küstengebiete eindringendes Meereswasser (§ 72 Satz 1 WHG). Diese Definition wird aber in der haftungsrechtlichen Rechtsprechung jeweils bezogen auf die in Rede stehende, ganz konkrete Aufgabe der Stadt bzw. Gemeinde (z. B. Erschließung von Baugebieten, Straßenoberflächenentwässerung, Abwasserbeseitigung) weit ausgelegt und umfasst sogar Überschwemmungen durch örtlich begrenzte Starkregenereignisse, wie sich auch aus der Definition der Hochwasserentstehungsgebiete in § 78 d Abs. 1 WHG entnehmen lässt (BT-Drucksache 17/10957, S. 22; Czychowski/ Reinhardt, WHG, Kommentar, 13. Aufl. 2023,§ 72 WHG Rz. 20; Queitsch, Wasserrecht, 2. Aufl. 2025 Rz. 397 ff.). Allerdings wird die Festsetzung von Überschwemmungsgebieten gemäß dem ausdrücklichen Wortlaut des § 76 WHG auf oberirdische Gewässer beschränkt (Czychowski/ Reinhardt, WHG, Kommentar, 13. Aufl. 2023, § 72 WHG Rz. 20).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass der BGH mit Urteil vom 20. April 2023 (III ZR 92/22) zumindest mit Blick auf Ackerwasser seine Rechtsprechung dahin geändert hat, dass die Landwirtschaft das Gebot der Rücksichtnahme beachten muss, woraus sich zumindest eine Mitwirkungspflicht bei der Problemlösung ableiten lässt und es besteht zudem die Möglichkeit, dass die zuständige untere Wasserbehörde bei Problemständen mit wild abfließenden Wasser gemäß § 37 Abs. 3 WHG tätig wird (vgl. Queitsch, Wasserrecht, 2. Aufl. 2025 Rz. 39 c, 352 ff.).