weiss

Statement der Wirtschafts- und Sozialpartner sowie der Kommunen zur Kohäsionspolitik

Link kopieren

Mitteilungen - Wirtschaft und Verkehr
StGB NRW-Mitteilung 463/2025 vom 09.07.2025
Statement der Wirtschafts- und Sozialpartner sowie der Kommunen zur Kohäsionspolitik

In einem gemeinsamen Schreiben haben sich der DStGB und weitere Verbände an mehrere Bundesministerien in Bezug auf die Zukunft der europäischen Kohäsionspolitik gewendet. Gefordert wird darin u.a., dass Entscheidungen über die konkrete Ausgestaltung der Förderprogramme auch weiterhin auf regionaler und kommunaler Ebene im Dialog mit den Betroffenen gefunden werden müssen. Ebenso bedarf es trotz veränderter politischer Schwerpunktsetzungen einer ausreichenden Mittelausstattung, damit die Regionen bei ihren Transformationsaufgaben unterstützt werden können. Angemahnt wird zudem ein dringend notwendiger Bürokratieabbau bei den Förderprogrammen.

Derzeit finden Vorbereitungen und Beratungen in der EU in Bezug auf die kommende Förderperiode ab 2028 statt. Im Raum steht dabei eine Zentralisierung der Fördermittelverwaltung auf nationalstaatlicher Ebene. Gleichzeitig gerät die Mittelausstattung der Regionalpolitik angesichts neuer Herausforderungen und politischer Prioritäten unter Druck. Das Verbändeschreiben wurde unterzeichnet vom DStGB, dem Deutschen Städtetag, dem Deutschen Gewerkschaftsbund, der Deutschen Industrie- und Handelskammer, dem Zentralverband des Deutschen Handwerks sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege. Adressaten des Schreibens sind die zuständigen Staatssekretärinnen und Staatssekretäre im BMWK, BMF, BMAS sowie im Bundeskanzleramt sowie die Ostbeauftragte der Bundesregierung.

Das Verbändeschreiben im Wortlaut:

Die europäische Kohäsionspolitik leistet einen elementaren Beitrag zur wirtschaftlichen Konvergenz, Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse, zur Ausbildung und Qualifizierung von Fachkräften, zur Bekämpfung von Armut und Benachteiligung, zur Förderung von Stabilität und Zusammenhalt in Europa sowie zur Finanzierung der digitalen und ökologischen Transformation. Gerade die neuen Bundesländer aber auch strukturschwachen Räume in den alten Ländern profitieren seit Jahrzehnten erheblich von den EU-Strukturfonds, die entscheidend und nachweislich erfolgreich dazu beitragen, wirtschaftliche und soziale Ungleichheiten zu reduzieren.

Der 9. Kohäsionsbericht der EU-Kommission untermauert dies mit konkreten Zahlen: So werde sich jeder im Rahmen der Kohäsionspolitik investierte Euro bis 2043 verdreifacht haben, und bis zum Jahr 2027 würden schätzungsweise 1,3 Mio. zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden. Zukünftig wird die Bedeutung der Strukturfonds zu einer sozial, technologisch und ökonomisch gelingenden klimagerechten Transformation in den Regionen eher noch wachsen. Gerade Deutschland profitiert als Exportnation von einer guten wirtschafts- und strukturpolitischen Entwicklung in der gesamten EU.

Doch obwohl die Kohäsionspolitik die Entwicklung vieler Regionen in Europa positiv beeinflusst hat, bleiben Herausforderungen bestehen. Die hohe administrative Komplexität der Antragstellung und Mittelverwaltung behindert die Effizienz und Wirkung der Unterstützung. Es darf nicht dazu kommen, dass Regionen trotz jahrzehntelanger Unterstützung in ihrer Entwicklung stagnieren. Aus Sicht der Wirtschafts- und Sozialpartner sowie der Kommunen ist deshalb klar: Für eine erfolgreiche und langfristige Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und Resilienz Europas ist eine gestärkte und modernisierte Kohäsionspolitik mit ihrem Grundpfeiler der geteilten Mittelverwaltung und der dezentralen Umsetzung die Voraussetzung. Denn eine gelungene Kohäsionspolitik ist ein wichtiger Motor für nachhaltige Entwicklung, die Bewältigung der Transformation und selbstragendes Wirtschaftswachstum.

Deshalb fordern wir von der Bundesregierung, sich in den anstehenden Beratungen auf europäischer Ebene für folgende Punkte stark zu machen:

  • Auch in Zukunft sollte dieKohäsionspolitik entlang ihrer tatsächlichen Bedarfe budgetiert werden, damit alle Regionen in der EU und in Deutschland durch gezielte Weiterentwicklung ihrer Stärken oder Bewältigung ihrer Schwächen von einer besseren wirtschaftlichen, sozialen und nachhaltigen Entwicklung entlang der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen profitieren können. Ziel muss sein, dass Regionen proaktiv unterstützt werden, bevor Wertschöpfung und gute Arbeitsplätze verloren gehen.
  • Eine Governance-Reform der Kohäsionspolitik sollte im Einklang mit den Grundpfeilern der Kohäsionspolitik erfolgen. Entscheidungen über die konkrete Ausgestaltung der Förderprogramme müssen in Zukunft weiterhin auf regionaler und kommunaler Ebene im Dialog mit den Betroffenen getroffen werden. Das ist die große Stärke des europäischen Strukturfonds. Das bewährte Prinzip der Subsidiarität im Multi-Level-Governance-Ansatz und das Partnerschaftsprinzip müssen gestärkt und weiterentwickelt werden. Denn in Regionen, in denen die Bottom-up-Beteiligung gut funktioniert, werden europäische Fördermittel effizienter, sozialer und nachhaltiger eingesetzt.
  • Die EU-Förderprogramme müssen vereinfacht werden. Die Wirksamkeit der Projekte vor Ort wird oft durch den bürokratischen Aufwand geschmälert, z.B. in der Antragstellung, in der Kommunikation mit den Programmverwaltungsstellen oder durch ausufernde Berichterstattungspflichten. Zu viele Ressourcen fließen in die Administration der Projekte. Besonders angesichts des Arbeitskräftemangels verringert dies den Mehrwert und die Attraktivität der Förderprogramme. Um die EU-Förderung in der neuen Förderperiode effektiver und effizienter zu gestalten, sollte der Fokus von Reformbemühungen darauf liegen, die derzeit hohe administrative Komplexität der Antragstellung und Mittelverwaltung zu reduzieren, die Passfähigkeit für kleinere Akteure aus Mittelstand und Zivilgesellschaft zu verbessern, die Verwaltungskapazitäten vor Ort zu stärken und eine programmspezifische Wirkungsorientierung über entsprechende Evaluierungsaufträge zu ermöglichen. Es darf nicht darum gehen, soziale und ökologische Standards abzubauen, sondern kommunale Verwaltungen vor Ort in die Lage zu versetzen, Mittel schnell und effizient abzurufen und Projekte eigenständig umzusetzen. Handlungsfähige Kommunen und Möglichkeiten einer passgenauen Regionalentwicklung sind essenziell, um eine effiziente Kohäsionspolitik vor Ort zu ermöglichen.
  • Zudem muss die Mobilisierung von privaten Investitionen verbessert werden. Unternehmen sind im Vergleich zum öffentlichen Sektor deutlich seltener an Projekten beteiligt. Ein Grund, aber sicher nicht der einzige, sind die aufwendigen Antragsanforderungen, die mit der Unternehmensrealität oft nicht übereinstimmen. Insofern sollten Maßnahmen ergriffen werden, um Unternehmen aller Größenordnungen und zivilgesellschaftlichen Organisationen den Zugang zu den Projekten zu erleichtern.
  • Die EU-Strukturfonds sollten sich in der nächsten Förderperiode wieder stärker auf ihre Kernziele konzentrieren. Eine klare Fokussierung würde die Programmsteuerung erleichtern und die Sichtbarkeit der EU-Förderprogramme erhöhen. Dabei sollte die Kohäsionspolitik stärker auf die Zielverwirklichung und weniger auf die getätigten Ausgaben abzielen, wofür datenbasierte, nachvollziehbare Investitionen wichtig sind.
  • Auch für viele Unternehmen, Organisationen der Zivilgesellschaft und Wirtschaft und öffentliche Antragssteller wäre eine deutliche Straffung, Vereinfachung und Fokussierung sinnvoll. Alle EU-Strukturfonds benötigen zudem ein gewisses Maß an Flexibilität und Anpassungsfähigkeit: Angesichts sich wandelnder Herausforderungen ist es wichtig, dass die EU-Förderprogramme schnell auf neue europäische Bedürfnisse reagieren können.

Weitere Informationen:

DStGB-Positionspapier zur Regional- und Strukturpolitik: www.dstgb.de