Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 626/2015 vom 27.10.2015
11. Erfahrungsaustausch „Rekommunalisierung“ des StGB NRW
An dem 11. Erfahrungsaustausch „Rekommunalisierung“, der am 21.10.2015 in Düsseldorf stattgefunden hat und konstruktiv verlaufen ist, haben zwanzig Mitglieder teilgenommen. Nach der Begrüßung von Beigeordnetem Rudolf Graaff, Städte- und Gemeindebund NRW, referierte Dr. Matthias Koch, Rödl & Partner, über die Novelle der Anreizregulierungsverordnung und ihre Auswirkungen auf Rekommunalisierungsprojekte. Im Rahmen seiner sehr instruktiven Präsentation wurden die Eckpunkte des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novelle der Anreizregulierungsverordnung, die Übertragung der Erlösobergrenze nach § 26 Abs. 2 ARegV und die Entwicklung der regulatorischen Zinssätze beleuchtet.
Fazit ist, dass die Wirtschaftlichkeit von Kommunalisierungsprojekten wesentlich von der Weiterentwicklung der Anreizregulierung beeinflusst wird. Abhängig vom zukünftig geltenden Regulierungsmodell (ARegV-Reform oder Kapital-/Gesamtkosten-Abgleich) ergeben sich Unterschiede bei der Refinanzierung von Investitionen in Strom- und Gasnetze. Von großer Bedeutung sind hier die zukünftigen regulatorischen Zinssätze und die anzuwendenden Effizienzwerte. Die geplante Senkung der Schwellenwerte beim vereinfachten Verfahren wird aber dazu führen, dass mehr Netzbetreiber im vollständigen Verfahren reguliert werden. Mit Blick auf die wirtschaftlichen Effekte ist zu befürchten, dass insbesondere bei kleineren Netzbetreibern die Margen nicht mehr so groß sein dürften wie in der Vergangenheit.
Im Anschluss daran referierte Rechtsanwalt Björn Jacob, PwC, zum gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers vom 21.05.2015 wie zu der Pflicht des Altkonzessionärs zur Herausgabe kalkulatorischer Netzdaten an die Gemeinden aufgrund des Urteils des BGH vom 14.04.2015. Im Rahmen seiner ausgesprochen informativen Präsentation ging er auf die Kernaussagen der zweiten Auflage des Leitfadens ein, die vor allem auf die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung eingeht. Wesentliche Weiterentwicklungen ggü. der ersten Auflage betreffen vor allem den Umfang und den Zeitpunkt der Datenherausgabe, die Bildung von Unter- und Unter-Unter-Kriterien, die Wirkung und Verfahrensfehler/Mitteilung der Auswahlentscheidung und den Anspruchsumfang hinsichtlich der herauszugebenden Anlagen.
Im Hinblick auf das BGH-Urteil geht der Leitfaden über die konkrete Aussage des BGH-Urteils zur Datenherausgabe hinaus. Ob der BGH auch die weitergehenden Informationen für erforderlich hält, bleibt abzuwarten. Der Altkonzessionär kann sich auch nicht auf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse berufen. Allerdings kommt eine echte Veröffentlichung der Daten nicht in Betracht, es reicht eine Mitteilung an die Bewerber. Hinsichtlich der Unter- und Unter-Unter-Kriterien treffen unterschiedliche Auffassungen aufeinander. Insbesondere das OLG Düsseldorf fordert bei der Aufstellung von Kriterienkatalogen die Bildung von Unter- und ggf. auch Unter-Unter-Kriterien, die es dem Bewerber ermöglichen sollen, exakt zu erkennen, wie viele Punkte er in einzelnen Kategorien erhalten kann. Dagegen stemmen sich nicht nur die Rechtswissenschaften, auch in der Rechtsprechung ist dies nicht unumstritten. Das Landgericht Leipzig hält eine relativ-vergleichende Bewertung nicht nur für zulässig, sondern im Hinblick auf den gewünschten Ideenwettbewerb auch für sinnvoller. Ebenso rät der Leitfaden zum Verzicht auf Unterkriterien.
Sodann referierte Ministerialrätin Gabriele Krater, Ministerium für Wirtschaft, Energie, Industrie, Mittelstand und Handwerk des Landes NRW, zu den Auswirkungen des Vergaberechtsmodernisierungsgesetzes auf die Gestattung von Wegerechten für Gas, Strom und Wasser. Im Hinblick auf das Vergaberechtsmodernisierungsgesetz verdeutlichte sie im Rahmen ihrer sehr interessanten Präsentation, dass das Gesetz auf die Gestattung von energie- und wasserrechtlichen Wegenutzungsrechten keine Anwendung findet. Dies folgt für die Bereiche Strom und Gas daraus, dass es sich insoweit um Gestattungsverträge handelt, bei denen die Dienstleistungserbringung (Versorgung) nicht Bestandteil des Vertrages ist.
Vielmehr steht die Überlassung eines für die Versorgung notwendigen Rechts (Nutzungsrecht, Leitungsrecht, Wegerecht) im Mittelpunkt. An diesem Ergebnis ändern auch die europäischen Vorgaben, so insbesondere die Richtlinie 2014/23/EU, nichts, da es sich bei den Gestattungsverträgen um keine Dienstleistungsverpflichtungen handelt. Auch der Referentenentwurf des Strommarktgesetzes führt zu keiner Änderung, weil im Zuge dieses Gesetzes keine zusätzlichen Standards für die Vergabe von Wegerechten gesetzt werden. Des Weiteren verdeutlichte sie, dass auch auf die Vergabe von Wegerechten für Wassernetze das förmliche Vergaberechtsregime des europäischen Sekundärrechts und der Vergaberechtsmodernisierung weiterhin nicht anwendbar ist. Im Ergebnis bleibt der Rechtsrahmen Europäisches Primärrecht: Transparenz und Diskriminierungsfreiheit.
Abschließend informierte sie darüber, dass die Landeskartellbehörde mit Blick auf die zwanzigjährige Befristung von Strom- und Gaskonzessionsverträgen in naher Zukunft überprüfen wird, ob es Städte und Gemeinden gibt, die es versäumt haben, neue Konzessionierungsverfahren durchzuführen.
Der Verlauf der Sitzung zeichnete sich unter Moderation von Beigeordnetem Rudolf Graaff durch eine intensive Diskussion aus, die gezeigt hat, dass sowohl rechtliche als auch organisatorische und betriebswirtschaftliche Fragestellungen rund um die Rekommunalisierung nach wie vor aktuell sind. Die Präsentationen von Frau Krater sowie der Herren Jacob und Dr. Koch sind für StGB NRW-Mitgliedskommunen im Mitgliederbereich des StGB NRW-Internetangebots unter Fachinfo und Service > Fachgebiete > Finanzen und Kommunalwirtschaft > Mitgliederbereich > Rekommunalisierung abrufbar. Der nächste Erfahrungsaustausch findet am 16.03.2016 in der StGB NRW-Geschäftsstelle statt.
Az.: 28.3.3-002/001