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StGB NRW-Mitteilung 413/1999 vom 05.07.1999

6. Plenarsitzung des KGRE vom 15. bis 17. Juni in Straßburg

Vom 15. bis 17. Juni 1999 fand in Straßburg die diesjährige Plenarsitzung des Kongresses der Gemeinden und Regionen Europas statt.

Zumindest aus deutscher Sicht stand im Mittelpunkt der Beratungen der Bericht des französischen Kongreßmitgliedes Jean-Claude Frécon zur Lage der kommunalen Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Vor dem Hintergrund der 1985 verabschiedeten und mittlerweile von 30 Staaten ratifizierten Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung untersucht der Kongreß regelmäßig die Umsetzung der Charta in den Mitgliedstaaten des Europarates. Und da sieht es in der Bundesrepublik zumindest in finanzieller Hinsicht bei weitem nicht so gut aus, wie aufgrund des im Grundgesetz verankerten kommunalen Selbstverwaltungsrechts erwartet werden könnte und müßte.

Jean-Claude Frécon konstatiert eine Verschlechterung der Kommunalfinanzen in Deutschland in den letzten Jahren, die mit einer immer stärkeren Einschränkung der gemeindlichen Finanzautonomie einher geht. Verantwortlich hierfür sind die ständig steigenden Ausgaben, v.a. im Sozialbereich, während bei den Einnahmen, von gelegentlichen Ausnahmen, abgesehen ein kontinuierlicher Rückgang zu verzeichnen ist. Letztes hänge sowohl mit der schlechten Wirtschaftskonjunktur als auch mit der Finanzierung der Kosten der Deutschen Einheit und nicht zuletzt mit politischen Entscheidungen z.B. im Steuerbereich zusammen. Vor allem aber wird in dem Bericht aufgezeigt, daß den Städten, Gemeinden und Kreisen vom Bund und den Ländern immer neue Aufgaben auferlegt werden, ohne gleichzeitig für deren Finanzierung Vorsorge zu treffen.

Folgerichtig befürwortet Jean-Claude Frécon die Anwendung des sogenannten Konnexitätsprinzips, d.h. die ausreichende Zuweisung von Finanzmitteln zur Durchführung der übertragenen Aufgaben, und fordert dessen verfassungsrechtliche Verankerung sowohl auf der Bundesebene als auch in den Ländern. Ebenso spricht er sich für eine Reform der kommunalen Steuern aus mit dem Ziel, die finanzielle Unabhängigkeit der Kommunen zu stärken. Die kommunalen Spitzenverbände sollen nicht nur de jure - wie in einigen Landesverfassungen sowie in den Geschäftsordnungen von Bundesregierung und Bundestag festgelegt -, sondern auch faktisch bei den die Kommunen betreffenden Fragen konsultiert werden. Zu diesem Zweck schlägt der Berichterstatter die Aufnahme entsprechender Bestimmungen in den Landesverfassungen oder Gemeindeordnungen vor. Es bleibt abzuwarten, wie sich insbesondere die deutschen Länder zu diesen Empfehlungen verhalten, wenn der Bericht, der jetzt nur in der Kammer der Gemeinden verabschiedet wurde, demnächst in der Kammer der Regionen und danach im Gesamtkongreß beraten wird. Das Interesse der Ländervertreter an diesem Bericht war in Straßburg jedenfalls unübersehbar.

Nicht minder interessant war die Diskussion im Gesamtkongreß hinsichtlich der Situation der kommunalen und regionalen Demokratie in den Niederlanden. Zwar würdigten die beiden Berichterstatter, der Italiener Moreno Bucci als Vertreter der Gemeindekammer und Hans-Ulrich Stöckling aus der Schweiz für die Regionalkammer, die Praxis der regionalen und kommunalen Demokratie in unserem westlichen Nachbarstaat. Mit der rechtlichen Stellung der Regionen und Kommunen in den Niederlanden zeigten sie sich allerdings unzufrieden. Stein des Anstoßes ist insbesondere die Ernennung sowohl der Bürgermeister als auch der Provinzgouverneure durch die Königin, anstatt diese vom Volk oder einer Volksvertretung wählen zu lassen. Auch wenn es sich bei der Ernennung eher um einen formellen Akt handelt und in der Praxis kein Bürgermeister oder königlicher Kommissar, wie die Provinzgouvemeure auch genannt werden, gegen den Willen der Kommunal- oder Provinzparlamente regieren kann, so widerspricht dieses System doch den Bestimmungen der Europäischen Charta der lokalen Selbstverwaltung. Problematisch ist dies vor allem im Hinblick auf die neuen Mitgliedstaaten des Europarates, denen das niederländische Modell als Vorwand dienen könnte, um es mit dem Aufbau demokratischer Strukturen in den Regionen und Kommunen nicht so genau zu nehmen. Versuche in diese Richtung hat es schon gegeben, so in Kroatien und der Ukraine. Verständlicherweise wollten sich die KGRE-Mitglieder aus den Niederlanden nicht mit diesen negativen Beispielen vergleichen lassen. Unter Berufung auf ohnehin geplante Reformen in diesem Bereich baten sie um etwas Geduld bei der Umsetzung der Charta. Nach durchaus kontroverser Debatte und bei teilweise knappen Mehrheitsverhältnissen wurde ihnen dies zugestanden.

Auf große Zustimmung stieß die Stellungnahme des KGRE zum Entwurf einer Weltcharta der kommunalen Selbstverwaltung. Der Entwurf geht auf eine entsprechende Forderung des "Weltbürgermeistertreffens" zurück, das im Juni 1996 anläßlich der HABITAT-II-Konferenz der Vereinten Nationen in Istanbul stattgefunden hat. Das Zentrum für menschliche Siedlungen (UNCHS), eine Unterorganisation der UNO, hat unter der Leitung seines neuen Generaldirektors Prof. Dr. Klaus Töpfer dieses Anliegen aufgegriffen. In Verhandlungen mit einer Gruppe weltweit agierender Kommunalverbände unter Leitung des Präsidenten der Deutschen Sektion des Rates der Gemeinden und Regionen Europas, Dr. Heinrich Hoffschulte, wurde 1998 ein erster Textentwurf für eine Weltcharta der kommunalen Selbstverwaltung vorgelegt, der sich in weiten Teilen an dem europäischen Vorbild orientiert. Dies war auch einer der Kritikpunkte der türkischen KGRE-Berichterstatterin Gaye Doganoglu, die jedoch gleichzeitig bemängelte, daß der KGRE nicht frühzeitiger an der Ausarbeitung der Weltcharta beteiligt wurde. Insgesamt aber unterstützte sie den Entwurf , worin ihr die anwesenden KGRE-Mitglieder bereitwillig folgten.

Nachstehend befindet sich ein vollständiger Überblick der auf der 6. KGRE-Plenarsitzung verabschiedeten Berichte.

Gesamtkongreß:

- Kommunale und regionale Informationsgesellschaft, Berichterstatter: Risto Koivisto (Finnland), CG (6) 3

- Kommunale und regionale Demokratie in den Niederlanden, Berichterstatter. Moreno Buccii (Italien) und Hans-Ulrich Stöckling (Schweiz), CG (6) 4

- Satzungsmäßige Verstärkung und Revision der Charta des Kongresses, Berichterstatter: Halvdan Skard (Norwegen) und Jean-Claude Van Cauwenberghe (Belgien), CG (6) 5

- Kommunale und regionale Wirtschaftsinstrumente für die Umwelt, Berichterstatter. Josef Leinen (Deutschland), CG (6) 6

- Jugendliche und ihre Städte, Berichterstatter: Riccardo Venturini (San Marino), CG (6) 7

- Politische Integrität der gewählten kommunalen und regionalen Vertreter, Berichterstatter: Viorel Coifan (Rumänien), CG (6) 8

- Kommunale Vermittler: Die Rolle des Bürgerbeauftragten zur Verteidigung der Bürgerrechte, Berichterstatter: Martin Haas (Schweiz), CG (6) 9

Kammer der Gemeinden:

- Gemeinden und Beschäftigungsmöglichkeiten, Berichterstatter: Sir John Harman (Vereinigtes Königreich), CPL (6) 2

- Kommunaldemokratie in San Marino, Berichterstatter: Jesus Manueco Alonso (Spanien) CPL (6) 4

- Lokale Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland, Berichterstatter: Jean-Claude Frécon (Frankreich), CPL (6) 3

- Stellungnahme zum Entwurf der Weltcharta der kommunalen Selbstverwaltung, Berichterstatterin: Gaye Doganoglu (Türkei), CPL (6) 5

Kammer der Regionen:

- Regionaldemokratie in Finnland, Berichterstatter: Josef Leinen (Deutschland), CPR (6) 2

- Perspektiven der Regionalisierung in Europa, Berichterstatter: Claude Haegi (Schweiz). CPR (6) 3

- Die Vertretung von Frauen in den regionalen Institutionen, Berichterstatterin: Patrizia Dini (Italien), CPR (6) 4

- Die Wirtschaftsentwicklung der Regionen, Berichterstatter: Bernhard Suaud (Frankreich), CPR (6) 5

- Mittelmeer- und Schwarzmeerbecken, Berichterstatter: Mehmet Buldanli (Türkei), CPR (6) 6

Az.: I/1 05-20

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