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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 354/1997 vom 20.07.1997
85. Sitzung des Finanzplanungsrates
Der Finanzplanungsrat trat am 25.06.1997 unter Vorsitz des Bundesministers der Finanzen, Dr. Theo Waigel, und unter Teilnahme des Mitglieds des Direktoriums der Deutschen Bundesbank, Prof. Dr. Otmar Issing, zu seiner 85. Sitzung zusammen.
Der Finanzplanungsrat erörterte den Haushaltsabschluß 1996, die Haushaltsentwicklung 1997 sowie die Gestaltung der Haushalte 1998 und der Finanzpläne bis 2001. Des weiteren wurden die Berichte zum Fortschritt der Haushaltssanierung in der Freien Hansestadt Bremen und im Saarland für das Jahr 1996 sowie die Vorarbeiten zur Verwirklichung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) beraten.
Zur konjunkturellen Lage stellte der Vertreter des Bundesministeriums für Wirtschaft fest, daß die gedämpfte wirtschaftliche Entwicklung 1995/1996 noch immer am Arbeitsmarkt nachwirke. Erst im Verlauf dieses Jahres sei mit einer Stabilisierung und allmählicher Verbesserung zu rechnen. Wegen der ungünstigen Ausgangslage sei daher 1997 - spiegelbildlich zur Beschäftigungsentwicklung - zunächst noch mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen. Ab 1998 bestehe die Hoffnung auf einen leichten Beschäftigungsaufbau. Die zunächst vom Export getragene konjunkturelle Belebung in diesem Jahr dürfte sich beschleunigt im nächsten Jahr fortsetzen, so daß für 1997 mit einem realen BIP-Wachstum von rd. 2 ½ % und für 1998 von 2 ½ bis 3 % zu rechnen sei. Im nächsten Jahr seien von der Inlandsnachfrage vermehrt Impulse zu erwarten. Mit Blick auf die mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Perspektiven bis zum Jahr 2001 werde erwartet, daß sowohl die weitere zügige Umsetzung des mittelfristig konzipierten "Programms für mehr Wachstum und Beschäftigung" als auch die für 1998 und 1999 geplante Steuerreform der Bundesregierung wichtige staatliche Beiträge zur Verbesserung der Rahmenbedingungen liefern (Haushaltskonsolidierung mit dem Ziel der Senkung der Staatsquote sowie der Steuer- und Abgabenquote). Weiter werde eine moderate, die Produktivitätsdynamik unterschreitende Lohnentwicklung für mehrere Jahre, Arbeitsmarktflexibilität und stabilitätsorientierte Geldpolitik (ohne Zinsschocks) und stabiles Preisniveau unterstellt. Insgesamt werde erwartet, daß das BIP im Projektionszeitraum um real rd. 2 ½ % p.a. steigen werden (in den alten Bundesländern 2 ½ % und in den neuen Bundesländern 3 %).
Anschließend erläuterte Prof. Dr. Issing die Geldpolitik der Bundesbank. So wies er insbesondere darauf hin, daß sich infolge der DM-Schwächung der Expansionsgrad deutlich verstärkt habe.
In der anschließenden kontrovers und kritisch geführten Diskussion bezüglich der Eckwerte der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verdeutlichte insbesondere der sächsische Finanzminister Milbradt, daß in den neuen Bundesländern offensichtlich ein Abbruch des Aufrückprozesses unterstellt werde, wenn in der mittelfristigen gesamtwirtschaftlichen Projektion bis zum Jahr 2001 gegenüber den alten Bundesländern lediglich ein Mehrwachstum von 0,5 % prognostiziert werde. Hierbei handele es sich um keine Wachstumspause, sondern um den Abschied vom "Aufholen" in den neuen Bundesländern.
Im Rahmen der Erörterung der Haushaltsentwicklung 1997 sowie der Gestaltung der Haushalte bis 2001 betonte Bundesfinanzminister Dr. Theo Waigel, daß die Haushaltsentwicklung bei Bund, Ländern und Gemeinden auch 1997 durch erhebliche Einnahmeausfälle in Höhe von 18 Mrd. DM und Mehrbelastungen aus der schwierigen Arbeitsmarktentwicklung geprägt sei. Auch für die Folgejahre müßten die Einnahmeerwartungen deutlich reduziert werden. Die reduzierten Einnahmeerwartungen ergeben sich einerseits aus schwächerem Nominalwachstum und der unbefriedigenden Beschäftigungslage. Andererseits lasse sich ein großer Teil der Steuerausfälle, vor allem bei den Veranlagungssteuern, nicht durch die aktuelle gesamtwirtschaftliche Situation erklären. Die Entwicklung in diesem Bereich sei derzeit so schwach, daß die volkswirtschaftliche Steuerquote 1997 zurückgehe.Gleichwohl werde aus heutiger Sicht das Staatsdefizit 1997 3 v.H. des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten, da den Belastungen auch Entlastungen gegenüberstehen. Es bleibe das Ziel, das jährliche Ausgabenwachstum der öffentlichen Haushalte im mittelfristigen Zeitraum auf maximal 2 v.H. zu begrenzen.
In der anschließenden ausgesprochen kritisch geführten Aussprache wurde insbesondere darauf hingewiesen, daß neben der negativen Beschäftigungsentwicklung wesentliche Ursache für die zurückbleibende Entwicklung der Einnahmen die Abkoppelung der Steuereinnahmen von der wirtschaftlichen Entwicklung, insbesondere durch Gewinnverlagerungen der Unternehmen in das Ausland und die Bildung hoher Rückstellungen, sei. Es sei dringend notwendig, die Lage der öffentlichen Haushalte dauerhaft zu verbessern und verlorenes Vertrauen in die finanzpolitische Handlungsfähigkeit wiederzugewinnen. Die notwendigen Konsolidierungsmaßnahmen müßten neben einer fortdauernden Eindämmung des Ausgabenwachstums auch einer Verbesserung der Haushaltsstruktur dienen. Angesichts der strukturellen Probleme in Deutschland sei es dringend geboten, mit durchgreifenden Reformen die Bedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze zu verbessern. Priorität habe deshalb eine Senkung der Lohnnebenkosten zum Abbau der hohen Arbeitskosten. Eine Reform der Einkommensbesteuerung mit dem Ziel von mehr Steuergerechtigkeit und Steuervereinfachung sei dringend notwendig. Für Steuerausfälle bestehe jedoch kein Spielraum. Aufgrund der Gesetzesberatungen zu den Steuerreformgesetzen 1998 und 1999 im Deutschen Bundestag würden sich für Bund, Länder und Gemeinden einschließlich der letzten Steuerschätzung Steuermindereinnahmen ab 1999 in der Größenordnung von 80 Mrd. DM jährlich im Vergleich zu den bisherigen Finanzplanungen ergeben. Dies könne weder durch Ausgabeneinschränkungen noch durch eine höhere Neuverschuldung aufgefangen werden und entziehe dem staatlichen Gemeinwesen die finanzielle Grundlage.
Aus kommunaler Sicht wurde insbesondere darauf hingewiesen, daß die Kommunen durch Rückführung ihres Finanzierungsdefizits auch ohne förmlichen Stabilitätspakt und Sanktionsmechanismen ihren Beitrag zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien geleistet haben. Die Konsolidierungserfolge der Städte und Gemeinden seien mit schmerzlichen Leistungseinschränkungen für die Bürgerinnen und Bürger, die Wirtschaft und einem Verfall der kommunalen Investitionen erkauft worden. Trotz massiver Konsolidierungsanstrengungen und des Rückgriffs auf die Substanz ihrer Vermögenshaushalte seien allerdings die Verwaltungshaushalte in der überwiegenden Zahl nach wie vor hochgradig defizitär. Des weiteren wurde von der kommunalen Seite gefordert, daß in Anpassung an die reduzierten Solidarpaktlasten der alten Länder die Solidarpaktumlage von derzeit 29 Punkten Gewerbesteuerumlage mit Blick auf die Revision gem. § 6 Abs. 3 Gemeindefinanzreformgesetz deutlich abgesenkt werde.
Im Finanzplanungsrat wurden sodann auch die Sanierungsberichte der Freien Hansestadt Bremen und des Saarlandes für 1996 erörtert. Nach dem Finanzausgleichsgesetz haben Bund und Länder im Jahr 1997 gemeinsam zu überprüfen, ob zur Haushaltsstabilisierung beider Länder weitere Hilfen erforderlich sind. Dazu hat der Finanzplanungsrat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit dem Auftrag eingesetzt, einen Bericht zu dieser Frage vorzulegen.
Mit Blick auf die Problematik der innerstaatlichen Umsetzung EG-rechtlicher Vorgaben zur Vermeidung übermäßiger öffentlicher Defizite ist seitens der Länder beabsichtigt, unter Einbeziehung der kommunalen Seite bis November 1997 Konzepte vorlegen.
Die nächste Sitzung des Finanzplanungsrates ist für den 26.11.1997 vorgesehen.
Az.: V/1-900-04