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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 354/2003 vom 23.04.2003
Abberufung eines Aufsichtsratsmitglieds durch den Gemeinderat
Das OVG Münster hat mit Beschluss vom 21.05.2002 - 15 B 238/02 entschieden, dass dem vom Rat entsandten Vertreter im Aufsichtsrat einer GmbH im Grundsatz keine wehrfähige Innenrechtsposition zusteht, kraft deren er seine Abberufung gemäß § 113 Abs. 1 Satz 3 GO verhindern kann. Eine solche Rechtsposition ergibt sich auch nicht aus den Vorschriften über die Verhältniswahl bei der Besetzung der Aufsichtsratspositionen durch den Rat.
Gemäß § 113 Abs. 1 GO haben die Vertreter der Gemeinde - soweit nicht gesetzlich anderes bestimmt ist - in Beiräten, Ausschüssen, Gesellschafterversammlungen, Aufsichtsräten oder entsprechenden Organen von juristischen Personen oder Personenvereinigungen, an denen die Gemeinde beteiligt ist, die Interessen der Gemeinde zu verfolgen. Sie sind an die Beschlüsse des Rates und seine Ausschüsse gebunden. Die vom Rat bestellten Vertreter haben ihr Amt auf Beschluss des Rates jederzeit niederzulegen. Soweit dem Vertreter der Gemeinde als Aufsichtsratsmitglied Rechte eingeräumt sind, dienen diese allein der Wahrnehmung der ihm zugewiesenen gesellschaftsrechtlichen Aufgaben. So stehen dem einzelnen Aufsichtsratsmitglied einer GmbH - vorbehaltlich anderer gesellschaftsvertraglicher Bestimmungen - namentlich Kontroll-, Informations- und Beratungsrechte zur Überwachung der Tätigkeit der Unternehmensleitung zu. Insbesondere hat er neben dem Recht auf gleichberechtigte Teilnahme an Sitzungen und Abstimmungen das Recht, Berichte des Vorstandes an den Aufsichtsrat anzufordern, die Einberufung des Aufsichtsrats zu verlangen und sich über den Jahresabschluss und den Lagebericht des Vorstands zu informieren. Diese zivilrechtlichen Rechte sind dem einzelnen Mitglied des Aufsichtsrats bundesrechtlich im Interesse einer effektiven Kontrolle der Führung des Unternehmens als Teil eines Organs der Gesellschaft zugewiesen. Sie werden von ihm eigenständig und gesellschaftsrechtlich weisungsfrei wahrgenommen.
Hiervon zu unterscheiden ist die Rechtsstellung des Aufsichtsratsmitglieds im Innenverhältnis zu dem bestellenden Gemeindeorgan. Insoweit nimmt der vom Rat bestellte Vertreter seine Aufgaben im Aufsichtsrat im öffentlichen Interesse der Gemeinde wahr. Er ist landesrechtlich an deren Interessen gebunden. Seine Rechtsstellung ist hinsichtlich ihrer Begründung, ihrer inhaltlichen Reichweite und ihrer Beendigung vollständig vom Rat abhängig.
Danach vermittelt § 113 Abs. 3 GO als solcher keine wehrfähige Innenrechtsposition des in den Aufsichtsrat entsandten Ratsmitglieds auf Verhinderung seiner Abberufung. Eine solche Rechtsposition ist auch nicht aus den Vorschriften über das Wahlverfahren hinsichtlich der vom Rat berufenen Aufsichtsratsmitgliedern herzuleiten.
Nach § 50 Abs. 4 Satz 1 in Verbindung mit § 50 Abs. 3 GO ist in dem Fall, dass zwei oder mehr Mitglieder des Aufsichtsrats zu bestellen sind, entweder ein einheitlicher Wahlvorschlag der Ratsmitglieder herbeizuführen oder - wenn ein solcher nicht zustande kommt - nach den Grundsätzen der Verhältniswahl in einem Wahlgang abzustimmen, wobei die Wahlstellen auf die Wahlvorschläge der Fraktionen und Gruppen des Rates nach der Reihenfolge der Höchstzahlen zu verteilen sind, die sich durch Teilung der auf die Wahlvorschläge entfallenden Stimmenzahlen durch 1, 2, 3 usw. ergeben. Mit der Entscheidung für das d´Hondtsche Höchstzahlverfahren bei der Entscheidung über die Bestellung kommunaler Aufsichtsratsmitglieder verfolgt der Gesetzgeber erkennbar das Ziel, die Ratsminderheit zu schützen. Eine starke Fraktion oder Gruppe des Rates soll nicht in der Lage sein, durch Mehrheitsbeschluss kleinere Fraktionen oder Gruppen von der Mitwirkung in den Ausschüssen auszuschließen. Die Vorschriften über das Wahlverfahren dienen damit der Sicherstellung der Willensbildung innerhalb des Rates und dem Interesse seiner Fraktionen und Gruppen. Die Verhältnisse in den zu besetzenden Gremien sollen die Mehrheitsverhältnisse im Rat annähernd abbilden. Dieses Ziel verfolgt auch die Bestimmung des § 50 Abs. 3 Satz 5 GO. Hiernach ist bei einem Ausscheiden eines Ausschussmitglieds der Nachfolger auf Vorschlag der Fraktion oder Gruppe zu wählen, der das ausgeschiedene Mitglied bei seiner Wahl angehörte. Ungeachtet der Frage, ob diese Regelung auf die Abberufung von Aufsichtsratsmitgliedern Anwendung finden kann, dient sie ebenso wie die übrigen Vorschriften über das Wahlverfahren im § 50 Abs. 3 GO nicht dem Interesse der entsandten Person, sondern dem Funktionsinteresse der Vertretungskörperschaft und ihrer Gruppierungen. Hieran ändert sich auch nichts durch den Umstand, dass das abberufene Aufsichtsratsmitglied als Ratsmitglied nicht gehindert ist, an der nach § 50 Abs. 3 GO zu treffenden Abberufungsentscheidung selbst mitzuwirken (§ 31 Abs. 3 Ziffer 4 in Verbindung mit § 31 Abs. 2 Ziffer 2 GO). Denn diese betrifft das abberufene Aufsichtsratsmitglied nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied des Rates, sondern als Vertreter der Gemeinde im Aufsichtsrat. Insoweit kommt ihm eine wehrfähige Rechtsposition nicht zu.
Az.: IV/3 810-05