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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 216/2002 vom 05.04.2002
Abfallgebühr und Deponie-Nachsorge
Aufgrund aktueller Anfragen von Städten und Gemeinden weist die Geschäftsstelle auf folgendes hin:
Nach § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW können Nachsorgekosten für Abfalldeponien auch dann noch über die aktuellen Abfallgebühren abgerechnet werden, wenn eine Abfalldeponie stillgelegt worden ist und für die Nachsorge vor der Stillegung der Deponie nicht genügend Rücklagen gebildet worden sind. Diese Regelung ist im Rahmen der Änderung des Landesabfallgesetzes im Jahr 1992 aufgenommen worden und beruht insbesondere auf der landesgesetzgeberischen Erkenntnis, daß erhebliche Aufwendungen für die Nachsorge stillgelegter Entsorgungsanlagen notwendig sind. Deshalb ist es aus Sicht des Landesgesetzgebers erforderlich gewesen, im Landesabfallgesetz eindeutig festzuschreiben, daß auch die Kosten der späteren Nachsorge zu den ansatzfähigen Kosten im Sinne des Kommunalabgabengesetzes zählen. Damit wird auch berücksichtigt, daß sich die Anforderungen an die Nachsorge z.B. für stillgelegte Deponien im Laufe der Zeit ändern können, d.h. verschärft werden können. Gerade für diesen Fall reichen aber im Regelfall die während des Betriebes einer Abfalldeponie über die Abfallgebühren vereinnahmten Rückstellungen für die Nachversorgung der Abfalldeponie nach deren Stillegung nicht aus. Gleiches gilt für Abfalldeponien, die z.B. in den 60iger und 70iger Jahren bereits verfüllt und stillgelegt worden sind. Auch in diesen Fällen decken in der Regel die Rückstellungen für die Nachversorgung der Deponie nicht die Kosten der Nachsorge nach aktuellem technischem Erkenntnisstand ab.
In diese Richtung geht auch die Gesetzesformulierung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW. Denn hier wird unterschieden zwischen der Zuführung von Rücklagen für die vorhersehbaren Kosten der späteren Nachsorge und den Kosten der Nachsorge für stillgelegte Abfallentsorgungsanlagen, soweit diese nicht durch Rücklagen gedeckt sind. "Vorhersehbar" in diesem Sinne sind im Zweifelsfall nur diejenigen Kosten, die zum Zeitpunkt der Kalkulation als Nachsorgekosten überhaupt erkennbar waren. Zeitlich später verschärfte Nachsorge-Anforderungen gehören hierzu sicherlich nicht. Letzten Endes darf aber insgesamt nicht verkannt werden, daß Nachsorgekosten eine erhebliche Höhe erreichen können und es unter dem Gesichtspunkt der Gebührenverträglichkeit und der Leistungsäquivalenz daher geboten erscheint, die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW weit dahin auszulegen, daß jegliche Nachsorgekosten, die nicht durch Rücklagen vor Stillegung der Entsorgungsanlage gedeckt werden konnten, auch nach deren Stillegung über die Abfallgebühren abgedeckt werden dürfen. Hierfür spricht zumindest die "und"-Verknüpfung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW, d.h. beide Finanzierungsinstrumente stehen gleichberechtigt nebeneinander und daher zur Verfügung.
Ausgehend hiervon können damit auch für stillgelegte Abfalldeponien Nachsorgekosten in die aktuell erhobenen Abfallgebühren eingestellt werden, wenn die aktuellen Nachsorgekosten nicht durch Rücklagen gedeckt sind. Kommunalabgabenrechtlich wäre dieses ohne die Spezialregelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW nicht zulässig. Wird nämlich der kommunalabgabenrechtliche Grundsatz betrachtet, daß der Abfallgebühr eine zeitlich entsprechende Benutzung einer in Betrieb befindlichen Abfallentsorgungsanlage gegenüberstehen muß (OVG NW, Teilurteil vom 15.12.1994, - Az.: 9 A 2251/93 -, NWVBl. 1995, S. 173ff., S. 177), so könnten die Kosten für stillgelegte Abfalldeponien nicht mehr über die Abfallgebühr abgerechnet werden, weil dem gebührenzahlenden Bürger durch die stillgelegte Abfalldeponie kein (aktueller) Vorteil mehr dargeboten wird, denn seine Abfälle werden auf der stillgelegten Deponie nicht mehr entsorgt. Die stillgelegte Deponie ist nicht mehr im Betrieb.
Vor diesem Hintergrund werden die Nachsorgekosten für stillgelegte Abfalldeponien über die Abfallgebühren in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW abrechnungsfähig gestellt. Dabei wird gesetzlich unterstellt, daß stillgelegte Anlagen der Abfallentsorgung als Teil der aktuell betriebenen Abfallentsorgungsanlage gelten, solange sie der Nachsorge bedürfen. Durch diese gesetzliche Regelung wird somit der zurechenbare "Vorteil" für den gegenwärtig die Abfallgebühr zahlenden Bürger hergestellt.
Fraglich ist im Hinblick auf die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW, ob dies nur für die kreisfreien Städte und Kreise gilt. Denn nur sie sind heute nach § 5 Abs. 1 LAbfG NRW als entsorgungspflichtige öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger für die Endentsorgung von Abfällen durch deponieren und/oder verbrennen verantwortlich. Gleichwohl wird angenommen werden müssen, daß die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW auch auf kreisangehörige Städte und Gemeinden Anwendung findet. Denn hat eine kreisangehörige Gemeinde z.B. in den 60iger Jahren eine Abfalldeponie betrieben und ist diese Abfalldeponie später auch nicht durch den Kreis übernommen und weiter verfüllt worden, so ist grundsätzlich die kreisangehörige Gemeinde als ehemaliger Betreiber der Altdeponie als verantwortlich anzusehen. Würde hier der Kreis die Nachsorgekosten in seine Abfallgebühren einkalkulieren, so würden im Zweifelsfall alle kreisangehörigen Städte und Gemeinden eines Kreises mit den aktuellen Nachsorgekosten für eine stillgelegte Abfalldeponie einer kreisangehörigen Gemeinde belastet. Dieses könnte zumindest unter dem Gesichtspunkt des kommunalabgabenrechtlichen Äquivalenzprinzips (§ 6 Abs. 3 Satz 2 KAG NRW) problematisch sein.
Vor diesem Hintergrund erscheint es auch vertretbar, die Regelung in § 9 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 4 LAbfG NRW auf kreisangehörige Städte und Gemeinden anzuwenden. Dies bedeutet konkret: Hat eine kreisangehörige Gemeinde als ehemaliger Deponiebetreiber eine Altdeponie, die nach heutigem technischen Erkenntnisstand der Nachsorge bedarf, so kann diese Gemeinde die hierdurch entstehenden Kosten über ihre Abfallgebühren auf die aktuellen Nutzer ihrer kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung abwälzen.
In diesem Zusammenhang weist die Geschäftsstelle auf folgendes hin:
Es besteht für eine Gemeinde grundsätzlich die Möglichkeit, als ehemaliger Betreiber einer Abfalldeponie Landeszuschüsse in bezug auf die Sanierung einer ehemals betriebenen Abfalldeponie bzw. Müllkippe zu erhalten. Im Rahmen des bei den Bezirksregierungen angesiedelten Förderprogrammes können sowohl eigentliche Sanierungsmaßnahmen als auch Gefährdungsabschätzungen bis zu 80 % vom Land bezuschußt werden. Es gibt allerdings eine Bagatellgrenze, die besagt, daß die Zuwendung des Landes, d.h. die 80 %, mindestens 20.000 Euro ausmachen müssen. Im übrigen wird eine Dringlichkeitsliste geführt, so daß es notwendig ist, erforderliche Maßnahme spätestens bis zum Herbst des jeweiligen Jahres bei dem jeweils zuständigen staatlichen Umweltamt anzumelden. Bewilligungsbehörde ist neben der Anmeldung von Maßnahmen der Sanierung und Gefährdungsabschätzung über das zuständige staatliche Umweltamt die zuständige Bezirksregierung. Soweit mithin durch die Inanspruchnahme des Förderprogrammes ein Zuschuß von 80 % zu den Sanierungskosten erreicht werden kann, verbleiben lediglich noch die restlichen 20 %, die über die Abfallgebühren refinanziert werden müssen. Dabei empfiehlt es sich, die Kosten über mehrere Kalkulationsjahre zu verteilen, wenn sich die Sanierungsmaßnahme zeitlich gesehen über mehrere Kalkulationsperioden erstreckt. Hierdurch kann eine verträgliche Gebührenentwicklung sichergestellt werden.
Az.: II/2 33-10