Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 677/1998 vom 20.11.1998
Abfallüberlassungspflicht der Industrie- und Gewerbebetriebe
Seit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes (KrW-/AbfG) am 07. Oktober 1996 tragen Industrie- und Gewerbebetriebe gegenüber den Mitgliedsstädten und -gemeinden immer wieder vor, daß bei ihnen keine überlassungspflichtigen "Abfälle zu Beseitigung" mehr anfallen bzw. die Menge der überlassungspflichtigen "Abfälle zur Beseitigung" erheblich abgenommen hat und deshalb z.B. anstelle eines ursprünglich benutzten 1100 l Restmüllgefäßes nur noch das kleinste Restmüllgefäß (z.B. 60 l, 80 l ) benötigt wird. Diese Entwicklung kann wegen der hohen abfallmengenunabhängigen Kosten (Fixkosten) unalen Abfallentsorgung einen weiteren, erheblichen Anstieg der Abfall-gebühren insbesondere für die privaten Haushaltungen nach sich ziehen. Vor dem Hintergrund der jüngsten Rechtsprechung weist die Geschäftsstelle deshalb nochmals auf folgendes hin:
Nach § 13 Abs.1 Satz 2 KrW-/AbfG besteht für Abfallerzeuger/Abfallbesitzer, die nicht private Haushaltungen sind (z.B. für Industrie- und Gewerbebetriebe), eine Abfallüberlassungspflicht für "Abfälle zur Beseitigung" gegenüber den Städten/ Gemeinden als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger. Diese Überlassungspflicht für "Abfälle zur Beseitigung" besteht nach § 13 Abs.1 Satz 2 2. Halbsatz KrW-/AbfG nur dann nicht, wenn die "Abfälle zur Beseitigung" in eigenen Anlage (z.B. Deponie, Müllverbrennungsanlage) des Abfallbesitzers/ Abfallentsorgers beseitigt werden und auch keine überwiegenden öffentlichen Interessen eine Abfallüberlassung erfordern (vgl. hierzu Queitsch, Schleswig-Holsteinische Gemeindezeitung 1998, S. 146ff., S. 148f. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung). Eine Abfallüberlassungspflicht für "Abfälle zur Verwertung" besteht hingegen nach §§ 13 Abs.1 Satz 2, 15 Abs.1 KrW-/AbfG nicht. Soweit Industrie- und Gewerbebetriebe (z.B. Supermärkte, Altenheime ) zukünftig keine Restmüllgefäße der Stadt/Gemeinde mehr in Benutzung nehmen oder lediglich das Behältervolumen reduzieren möchten, muß durch sie dementsprechend nachgewiesen, daß überhaupt keine "Abfälle zur Beseitigung" mehr anfallen bzw. weniger "Abfälle zur Beseitigung" anfallen als in der Vergangenheit. Zumindest ist in der Rechtsprechung zwischenzeitlich anerkannt, daß im Zweifelsfall nur diejenigen Abfälle als "Abfälle zur Verwertung" anzusehen sind, für die der Abfallbesitzer/Abfallerzeuger konkrete Verwertungsmaßnahmen benennt oder Möglichkeiten einer zeitnahen alsbaldigen Verwertung schlüssig und nachvollziehbar aufzeigt (vgl. u.a. OVG Lüneburg, Beschluß vom 06.05.1998 - AZ: 7 M 3055/97 - , Mitt. NWStGB 1998 Nr. 328, OVG NW, Beschluß vom 25.06.1998 - AZ: 20 B 1424/97 - , Mitt.NWStGB 1998 Nr. 480; Queitsch, a.a.O. S. 151 m.w.N. aus der Rechtsprechung). Der bloße schriftliche Vortrag eines Industrie- und Gewerbebetriebes, daß nur noch "Abfälle zur Beseitigung" in geringerem Umfang anfallen und die restlichen Abfallmengen nicht überlassungspflichtige "Abfälle zur Verwertung" sind, ist insoweit als nicht ausreichend anzusehen. Zwar hat das OVG NW mit Beschluß vom 25.06.1998 (AZ: 20 B 1424/97; siehe Mitt.NWStGB 1998 Nr. 480) und das OVG Lüneburg mit Beschluß vom 06.05.1998 (AZ: 7 M 3055/97; siehe Mitt. NWStGB 1998 Nr. 328) entschieden, daß auch in Müllverbrennungsanlagen "Abfälle zur Verwertung" energetisch verwertet werden können. Gleichwohl beziehen sich diese verwaltungsgerichtlichen Eilbeschlüsse auf konkrete Einzelfälle, aus denen nicht automatisch der Rückschluß gezogen werden kann, daß bei allen Industrie- und Gewerbebetrieben nunmehr automatisch und überwiegend nicht überlassungspflichtige "Abfälle zur (energetischen) Verwertung" anfallen. Weiterhin ist auch der Beschluß des OVG NW vom 18. September 1998 (AZ: 22 B 1856/98) nicht geeignet, den Nachweis dafür zu erbringen, daß überwiegend nur noch "Abfälle zur Verwertung" anfallen. Denn dieser Beschluß stellt maßgeblich darauf ab, daß durch den öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger der Sachverhalt im konkreten Einzelfall nicht umfassend genug aufgeklärt worden ist und deshalb das einstweilige Rechtsschutzverfahren zu dessen Lasten entschieden worden ist. Im übrigen handelt es sich auch hier um ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren, in welchem detaillierte Einzelfragen nicht wie in einem Hauptsacheverfahren, d.h. durch Urteil, umfassend geprüft worden sind.
Insbesondere die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes (Beschluß vom 03.02.1998; AZ: 20 ZB 98.196), des VG Regensburg (NVwZ 1998, S. 431 ff) und des VG Sigmaringen (NVwZ 1998, S. 429) sollte grundsätzlich berücksichtigt werden (siehe hierzu: Mitt.NWStGB 1998 Nr. 149, Nr. 187, Nr. 276 und Nr. 479). Nach dieser Rechtsprechung hat der Abfallbesitzer/Abfallerzeuger grundsätzlich den Trennungspflichten des § 5 Abs. 2 Satz 4 und § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG Rechnung zu tragen. Dies gilt auch für den Fall der energetischen Verwertung nach § 6 Abs. 2 KrW-/AbfG. Hierbei ist insbesondere zu beachten, daß bislang durch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung noch nicht abschließend entschieden worden ist, was unter dem sog. einzelnen Abfall i.S.d. § 6 Abs. 2 Nr. 2 KrW-/AbfG zu verstehen ist. Aus dem Wortlaut des § 6 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG ergibt sich allerdings, daß der Heizwert des einzelnen Abfalls, ohne Vermischung mit andere Stoffen, mindestens 11.000 kJ/kg betragen muß. Dabei ist der Gesetzeswortlaut jedenfalls nach diesseitiger Rechtsauffassung dahin zu verstehen, daß auch in einer Misch-Abfallfraktion, die in einem einzigen Abfallgefäß erfaßt wird, jeder der dort eingeworfenen einzelne Abfallarten (z.B. Papier/Pappe /Karton, Folien, verfaultes Obst und andere verdorbene Lebensmittel, Zigarettenkippen usw.) einen Heizwert von 11.000 kJ/kg besitzen muß. Anderenfalls könnten Abfälle mit unterschiedlichen Heizwerten auch mit Heizwerten unter 11.000 kJ/kg - wahllos und willkürlich miteinander vermischt werden und damit auch diejenigen Abfälle einer energetischen Verwertung zugeführt werden, die für sich allein gesehen einen Heizwert von mindestens 11.000 kJ/kg nicht erreichen, d.h. nach der gesetzlichen Vorgabe in § 6 Abs.2 Nr.1 KrW-/AbfG einer energetischen Verwertung nicht zugänglich sein sollen. Diese Sichtweise ergibt sich auch aus dem Bund-Länder-AG-Entwurf (Abfallbegriff, Abfallverwertung, Abfallbeseitigung nach dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz - Stand: 06.11.1997). Hier wird unter Ziff. 2.1.3 1.1 Heizwert des Abfalls (S. 21) bestimmt, daß eine Vermischung von Abfällen, die jeweils für sich den Heizwert überschreiten, zulässig ist. Gleichzeitig ergibt sich hieraus im Umkehrschluß, daß eine Vermischung von Abfällen, die nicht jeweils für sich gesehen den Heizwert von 11.000 kj/kg nach § 6 Abs. 2 Nr. 1 KrW-/AbfG erreichen, unzulässig ist, weil anderenfalls die gesetzlichen Vorgaben in § 6 Abs. 2 Nr.1 KrW-/AbfG umgangen würden.
Vor diesem Hintergrund sollten die Industrie- und Gewerbebetriebe im Zweifeslfall in den beschriebenen Einzelfällen zur Darlegung aufgefordert werden, wie sich die Abfallmengen zur Zeit zusammensetzen, die bei ihnen entstehen. Dies bedeutet, daß darzustellen ist,
- wieviel Abfall insgesamt anfällt (z.B. 1100 l pro Woche),
- wie groß von der gesamten, anfallenden Abfallmenge die Menge an "Abfällen zur Beseiti-
gung" ist,
- wie groß von der gesamten Abfallmenge die Menge an "Abfällen zur Verwertung" ist,
- um welche Arten und Mengen von "Abfällen zur Verwertung" es sich im einzelnen handelt
(z.B. Papier/ Pappe/Karton, Glas, Holz, Folien usw. )
- in welche Verwertungswege die einzelnen "Abfälle zur Verwertung" gegeben werden.
Weil bei der energetischen Verwertung nach § 6 Abs.2 KrW-/AbfG die in einem Abfallbehälter gesammelten Abfallfraktionen für sich allein gesehen jeweils einen Heizwert von 11.000 kJ/kg aufweisen müssen, sollte von den Indstrie- und Gewerbebetrieben auch eine zusätzliche Darlegung dahin gefordert werden, daß alle in einem einzigen Abfallgefäß gesammelten "Abfälle zur energetischen Verwertung" einen Heizwert von 11.000 kJ/kg besitzen. Anderenfalls läge wie bereits ausgeführt eine nach § 6 Abs.2 Nr. 1 KrW-/AbfG unzulässige Vermischung von Abfällen vor. Gleichzeitig sollte die Stadt/Gemeinde zur weiteren SachverhaltsAufklärung für ein verwaltungsgerichtes Verfahren den Inhalt des in Rede stehenden Abfallbehälters mehrmals auch unter Mithilfe des Kreises als untere Abfallwirtschaftsbehörde sichten und eine "Heizwert-Gegenprobe" bei den einzelnen Abfallarten in dem Abfallbehälter durchführen, der angeblich nur "Abfälle zur energetischen Verwertung" beinhalten soll. Ansonsten besteht das Prozeßrisiko, daß im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der "Vorwurf" erhoben wird, der Sachverhalt sei durch die Stadt nicht genügend aufgeklärt worden (vgl. Beschluß des OVG NW vom 18. September 1998 Az.: 22 B 1856/98). Rein vorsorglich wird darauf hingewiesen, daß sich aus den o.g. Entscheidungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, des VG Regensburg und des VG Sigmaringen auch ergibt, daß "Abfälle zur Beseitigung" und "Abfälle zur Verwertung" bereits an der Anfallstelle vom Abfallbesitzer/Abfallerzeuger getrennt zu halten sind. Dies gilt insbesondere für den Fall, daß Abfälle in einer Gewerbeabfall-Sortierungsanlage einer der Verwertung vorgeschalteten Sortierung zugeführt werden sollen. Denn nach dem VG Sigmaringen und dem VG Regensburg ist eine Sortierung von Abfallgemischen aus "Abfällen zur Beseitigung" und "Abfällen zur Verwertung" nach dem KrW-/AbfG unzulässig, weil durch das Sortieren regelmäßig beide Abfallarten "behandelt" werden. Eine solche Behandlung von "Abfällen zur Beseitigung" ist jedoch nach § 10 Abs. 2 KrW-/AbfG bereits ein Teilschritt der Abfallbeseitigung, die gemäß § 15 KrW-/AbfG nur den Kommunen als öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger obliegt. In der Konsequenz hieraus müssen danach auch Industrie- und Gewerbebetriebe), ihre "Abfälle zur Beseitigung" am Ort der Abfallentstehung in "Abfälle zur Beseitigung" und "Abfälle zur Verwertung" trennen und den öffentlich-rechtlichen Entsorgerungsträgern die "Abfälle zur Beseitigung" nach § 13 Abs.1 Satz 2 KrW-/AbfG überlassen.
Az.: II 31-02-7