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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 762/2000 vom 20.12.2000
Abfallüberlassungspflicht für Industrie- und Gewerbebetriebe
Die Geschäftsstelle ist darauf aufmerksam gemacht worden, das Industrie- und Gewerbebetriebe unter Berufung auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes (BVerwG) vom 15. Juni 2000 (Az.: 3 C 4.00; siehe hierzu ausführlich: Mitt.NWStGB 2000 vom 5.8.2000, Nr. 445, S.220f.) Restmüllgefäße bei der Stadt/Gemeinde komplett "abbestellen". Diese "Abbestellung" wird damit begründet, daß es nach dem Urteil des BVerwGs vom 15. Juni 2000 generell zulässig sei, "Abfälle zur Beseitigung", die den Städten und Gemeinden am Anfallort zu überlassen sind, mit nicht überlassungspflichtigen "Abfällen zur Verwertung" zu vermischen, weil dann das gesamte Abfallgemisch als "Abfall zur Verwertung" anzusehen sei. Damit unterliege das Abfallgemisch dann insgesamt nicht mehr der Abfallüberlassungspflicht gegenüber den Städte und Gemeinden. Es wird darauf hingewiesen, daß das BVerwG dieses so nicht entschieden hat. Im einzelnen:
1. Das BVerwG hat in seinem Urteil vom 15. Juni 2000 keinen generellen Freibrief dafür erteilt, daß "Abfälle zur Beseitigung" und Abfälle zur Verwertung" wahllos miteinander vermischt werden können, um damit der gesetzlich geregelten Abfallüberlassungpflicht für "Abfälle zur Beseitigung" gegenüber den Städten und Gemeinden (§ 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG) komplett entgehen zu können. Vielmehr weist das Gericht in seinem Urteil vom 15. Juni 2000 darauf hin, daß eine Trennung von "Abfällen zur Beseitigung" und "Abfällen zur Verwertung" dann verlangt werden kann, wenn der Abfallbesitzer/-erzeuger im Einzelfall durch das Vermischen von Beseitigungs- und Verwertungsabfällen in einem Abfallgefäß gegen seine Grundpflichten zur gemeinwohlverträglichen Entsorgung verstößt. Zu diesen Grundpflichen gehören nach Auffassung der Gerichts auch die Trennungsgebote für "Abfälle zur Verwertung" untereinander (§ 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG) und für "Abfälle zur Beseitigung" untereinander (§ 11 Abs. 2 KrW-/AbfG). Ausgehend hiervon wird z.B. eine Vermischung von schadstoffhaltigen "Abfällen zur Beseitigung" mit "Abfällen zur Verwertung" als unzulässig anzusehen sein, weil in § 11 Abs. 2 KrW-/AbfG bestimmt ist, daß bereits "Abfälle zur Beseitigung" untereinander getrennt zu halten sind, soweit es sich um schadstoffhaltige "Abfälle zur Beseitigung" und nicht schadstoffhaltige "Abfälle zur Beseitigung" handelt. In § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG ist bestimmt, daß "Abfälle zur Verwertung" untereinander getrennt zu halten und zu behandeln sind, soweit dies zur Erfüllung der Anforderungen nach den §§ 4 und 5 KrW-/AbfG erforderlich ist. Hiernach dürfen "Abfälle zur Verwertung" dann nicht miteinander vermischt werden, wenn hierdurch die Verwertung der Abfälle zu nichte gemacht wird (z.B. Altpapier wird mit Bioabfällen in einem Abfallgefäß vermischt, so daß das Altpapier so verschmutzt wird, daß es nicht mehr verwertet werden kann). Aus der Verpflichtung zur Trennung von "Abfällen zur Verwertung" untereinander in § 5 Abs. 2 Satz 4 KrW-/AbfG kann nach Auffassung der Geschäftsstelle auch entnommen werden, daß "Abfälle zur Verwertung" nicht mit "Abfällen zur Beseitigung" vermischt werden dürfen, wenn die konkreten "Abfälle zur Verwertung" bereits untereinander getrennt zu halten sind, weil ansonsten durch die Vermischung die Verwertung insgesamt zu nichte gemacht wird.
2. Das BVerwG hat zwar seinem Urteil vom 15. Juni 2000 entschieden, daß Abfallgemische, aus "Abfällen zur Beseitigung" und "Abfällen zur Verwertung" nicht generell als "Abfall zur Beseitigung" angesehen werden können, sondern das Abfallgemisch auch "Abfall zur Verwertung" sein kann, mit der Konsequenz, daß die in dem Abfallgemisch enthaltenen "Abfälle zur Beseitigung" nicht mehr der Abfallüberlassungspflicht in bezug auf die jeweilige Stadt oder Gemeinde unterliegen, in deren Zuständigkeitsgebiet sie anfallen. Das BVerwG weist aber ebenso darauf hin, daß bei Abfallgemischen aus "Abfällen zur Beseitigung" und "Abfällen zur Verwertung" die Abfallüberlassungspflicht eingreift, wenn sich im konkreten Einzelfall ergibt, daß ein "Etikettenschwindel" vorliegt. Dieses ist dann der Fall, wenn der quantitative (mengenmäßige) oder substantielle Anteil an verwertungsfähigem Abfall bei einem Abfallgemisch sehr gering ist, so daß angenommen werden muß, die gewählte Art und Weise der Entsorgung diene vorrangig dem Zweck, der Abfallüberlassungspflicht gegenüber der Stadt oder Gemeinde zu entgehen.
3. Vor diesem Hintergrund reicht nach Auffassung der Geschäftsstelle die bloße Darlegung, das Vermischen von "Abfällen zur Beseitigung" und "Abfällen zur Verwertung" sei generell zulässig nicht aus, um ein Restmüllgefäß der Stadt oder Gemeinde "abzubestellen". Vielmehr ist durch den jeweiligen Industrie- und Gewerbebetrieb konkret und schlüssig darzulegen, daß ein Abfallgemisch aus Beseitigungs- und Verwertungsabfällen vorliegt, in denen die Verwertungsabfälle mengenmäßig überwiegen. Dies ist von der jeweiligen Stadt im Einzelfall durch eine mehrmalige Überprüfung der Inhalte der Abfallgefäße vor Ort zu überprüfen. Weiterhin hat der Abfallbesitzer/-erzeuger nach der Rechtsprechung schlüssig und nachvollziehbar konkrete Verwertungsmaßnahmen darzulegen, welche die Anforderungen in den §§ 4 - 6 KrW-/AbfG erfüllen müssen. Anderenfalls kann er zur Beseitigung der Abfälle verpflichtet werden (vgl. hierzu u.a. OVG NRW, Beschluß vom 25.5.1998 20 B 1424/97 - , NVwZ 1998, S. 1207 ff. ; VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 31.5.1999 10 S 2766/98 ) . Dieses bedeutet: Der Abfallbesitzer/-erzeuger hat für die konkrete Abfallfraktion, die auch als Abfallgemisch "Abfall zur Verwertung" sein soll, darzulegen, ob diese stofflich (werkstofflich/rohstofflich) oder energetisch (als Ersatzbrennstoff) verwertet werden soll. Bei einer energetischen Verwertung ist zusätzlich darzulegen, daß die Mindest-Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 - 4 KrW-/AbfG für die konkrete Abfallfraktion erfüllt sind. Dabei ist zu beachten, daß nach der Rechtsprechung des OVG NRW (Beschluß vom 25.06.1998 - Az.: 20 B 1424/97 -, NVWZ 1998, S. 1207 ff., 1208) und des OVG Lüneburg (Beschluß vom 06.05.1998 - Az.: 7 M 3055/97 -, NVWZ 1998, S. 1202, 1203) eine energetische Verwertung unzulässig ist, wenn heizwertreichere Abfälle (Heizwert über 11.000 KJ/Kg) mit heizwertärmeren Abfällen (Heizwert unter 11.000 KJ/kg) vermischt werden. Ist daher die vom Abfallbesitzer/-erzeuger vorgelegte Heizwertanalyse nicht nachvollziehbar, so kann die Stadt/Gemeinde selbst mit einer Heizwertanalyse einen Verstoß gegen § 6 Abs.2 Satz 1 Nr. 1 KrW-/AbfG dokumentieren. Wird vorgetragen, daß ein Abfallgemisch aus "Abfällen zur Beseitigung" und "Abfällen zur Verwertung" der stofflichen Verwertung (werkstofflich/ rohstofflich) zugeführt wird, so ist zu berücksichtigen, daß in dem vom BVerwG entschiedenen Einzelfall 75 % des Abfallgemisches unstreitig Verwertungsabfälle waren und eine Verwertung dieser Abfälle durch ihre Vermischung nicht zunichte gemacht wurde.
4. Vor diesem Hintergrund empfiehlt die Geschäftsstelle bei einer "Abbestellung" von Restabfallgefäßen durch Industrie- und Gewerbebetriebe, den Sachverhalt zunächst sorgfältig aufzuklären. Hierzu gehört, den Industrie- und Gewerbebetrieb schriftlich zur schlüssigen und nachvollziehbaren Darlegung aufzufordern
- wieviel Abfall insgesamt ca. anfällt (z.B. 1.100 l pro Woche)
- wie groß von der gesamten, anfallenden Abfallmenge ca. die Menge an "Abfällen zur Beseitigung" ist (z.B. Staubsaugerbeutel, benutzte Damenbinden, Tampons usw.),
- wie groß von der gesamten Abfallmenge ca. die Menge an "Abfällen zur Verwertung" ist,
- um welche Arten und Mengen von "Abfällen zur Verwertung" es sich ca. handelt (z.B. Papier/Pappe/Karton, Glas, Holz, Folie, biogene Abfälle usw.),
- in welche Verwertungswege die einzelnen "Abfälle zur Verwertung" gehen und wie die gesetzlichen Vorgaben für die stoffliche Verwertung (§ 4, 5 KrW-/AbfG) und für die energetische Verwertung (§ 6 KrW-/AbfG) eingehalten werden.
Die vorstehende Verfahrensweise ist zwar mit Prozeßrisiken belastet ist. Gleichwohl sollte jeder Einzelfall sorgfältig (auch vor Ort beim Abfallbesitzer/-erzeuger) im Interesse einer verträglichen Entwicklung der Abfallgebühren für die privaten Haushaltungen überprüft werden.
Az.: II/2 31-02-5