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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 329/2011 vom 09.06.2011
Abwasser-Dienstleistungskonzession in NRW unzulässig
Das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW hat dem StGB NRW mit Datum vom 24.05.2011 mitgeteilt, dass in NRW eine Dienstleistungskonzession für den Bereich der Abwasserbeseitigung unzulässig ist. In Abstimmung mit dem Umweltministerium NRW kommt das Ministerium für Inneres und Kommunales des Landes NRW im Wesentlichen zu folgendem Ergebnis:
Gemäß § 56 Wasserhaushaltsgesetz des Bundes (WHG) ist Abwasser von den juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu beseitigen, die nach Landesrecht hierzu verpflichtet sind (Abwasserbeseitigungspflichtige). Die Länder können bestimmen, unter welchen Voraussetzungen die Abwasserbeseitigung anderen als den in § 56 S. 1 WHG genannten Abwasserbeseitigungspflichtigen obliegt. Die zur Abwasserbeseitigung Verpflichteten können sich zur Erfüllung ihrer Pflichten Dritter bedienen. Das Landeswassergesetz NRW (LWG NRW) normiert in § 53 LWG NRW die Zuständigkeit der Gemeinden für die Beseitigung des auf ihrem Gebiet anfallenden Abwassers und regelt weiter, dass sich die Gemeinden zur Erfüllung ihrer Abwasserbeseitigungspflicht Dritter bedienen können.
Die Dienstleistungskonzession ist mit diesen abwasserrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar, weil es über die bundes- und landesgesetzlich geregelte zulässige Erfüllung der Aufgabe der Abwasserbeseitigung mittels Bedienung eines Dritten hinausgeht. Der Bundesgesetzgeber geht aufgrund der Bedeutung der Abwasserbeseitigung nach wie vor davon aus, dass eine dem Gemeinwohl entsprechende Abwasserbeseitigung grundsätzlich nur von öffentlich-rechtlichen Trägern wahrzunehmen ist. Aus diesem Grund weist § 53 Abs. 1 LWG NRW die Abwasserbeseitigungspflicht zunächst generell und allumfassend den Gemeinden zu. Diese Pflichtenzuordnung korrespondiert mit der baurechtlichen Erschließungslast (§ 123 Abs. 1 BauGB), die ebenfalls öffentlich-rechtlichen Charakter hat, und die den Gemeinden als Gebietskörperschaft als Folge ihrer uneingeschränkten Bauplanungskompetenz zugewiesen ist. Beide Pflichten ergänzen sich und dienen dazu, Gemeinwohlbelange sicherzustellen. Das Pflichtenzuweisungsregime des Wasserrechts ist rechtlich uneingeschränkt mit der Sicherstellung der zahlreichen materiellen Anforderungen an die Abwasserbeseitigung verknüpft. Schon aus diesem Grund werden nur dem Abwasserbeseitigungspflichten die Wasserrechte erteilt, die zur Erfüllung seiner Pflicht erforderlich sind.
Die Abwasserbeseitigungspflicht kann zwar ganz oder teilweise auf Private übergehen. Hierzu bedarf es allerdings einer landeswassergesetzlichen Regelung für den Übergang wie etwa im Falle der Anstalt des öffentlichen Rechts (§ 53 b LWG NRW), oder es bedarf eines wasserbehördlichen Gestattungsaktes wie in den Fällen des § 53 Abs. 4 bis 6 LWG NRW. Die wasserrechtlichen Ausnahmen für Pflichtenübergänge sind abschließend geregelt und nicht durch Vertragsgestaltung veränderbar.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass die zur gemeindlichen Pflichtenerfüllung notwendigen Anlagen zwangsläufig öffentliche Abwasseranlagen sind. Der wasserrechtliche Widmungszweck für diese Anlagen kann auch im Hinblick auf die wasserrechtliche Pflichtenzuweisung in keiner Weise in Frage gestellt werden.
Ausgehend davon, dass durch eine Dienstleistungskonzession in gewisser Weise Rechte und damit auch Risiken von der Stadt auf den Konzessionär übergehen sollen, würde sich bei einem solchen Modell ein Widerspruch zum Pflichtenzuweisungsregime des Wasserrechts ergeben, das von einer uneingeschränkten ordnungsrechtlichen Verantwortung der Gemeinde ausgeht. Die Gemeinde kann sich wasserrechtlich — und das ist entscheidend — lediglich Dritter „zur Erfüllung ihrer Pflichten“ bedienen. Ein Regelungsmodell, mit dem eine Gemeinde außerhalb der wasserrechtlich möglichen Pflichtenübergänge materielle Verantwortung zu delegieren versucht, müsste wasserrechtlich beanstandet werden.
Auch aus kommunalabgabenrechtlicher Sicht bestehen Bedenken gegen das Abwasser- Dienstleistungskonzessionsmodell. Durch § 6 Abs. 1 S. 1 Kommunalabgabengesetz NRW (KAG NRW) ist zwar grundsätzlich die Möglichkeit geschaffen, dass an Stelle von Benutzungsgebühren private Entgelte erhoben werden. Unmittelbare Entgeltbeziehungen zwischen privaten Dritten und den Benutzern einer gebührenpflichtigen Einrichtung dürften aber nur in den Fällen als zulässig anzusehen sein, in denen die öffentliche Aufgabe auf einen Privaten übertragen worden ist und eine Rechtsvorschrift die Entgelterhebung zulässt. Diese Voraussetzungen sind aber bei der Abwasserbeseitigung nicht erfüllt.
Die Erhebung von Abwassergebühren ist ausschließlich durch die Stadt/Gemeinde bzw. einer mit dieser Aufgabe betrauten Anstalt des öffentlichen Rechts (gem. § 114 a GO NRW i.V.m. § 53 b LWG NRW i.V.m. § 1 Abs. 1 S. 2 KAG NRW) möglich. In den Fällen, in denen ein privater Dritter (auch Eigengesellschaft der Kommune oder Beteiligung der Kommune an einer privaten Gesellschaft) nach den o.g. abwasserrechtlichen Regelungen die Aufgabe „Abwasserbeseitigung“ als Erfüllungsgehilfe wahrnimmt, bleibt die Kommune für die Gebührenerhebung zuständig. Insoweit hat auch das OVG NRW mit Zulassungsbeschluss vom 15.04.2011 (Az.: 9 A 2260/09) entschieden, dass der Erlass eines Abgabenbescheides durch eine Person des Privatrechts - sei es im eigenen Namen als Beliehener oder im fremden Namen im Rahmen eines Mandats — nur auf der Grundlage eines Gesetzes im formellen Sinne zulässig sein dürfte“.
Az.: II/2 24-30