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StGB NRW-Mitteilung 67/1998 vom 05.02.1998
Änderung des Gesetzes über die Reinigung öffentlicher Straßen
Durch das Gesetz zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen wurde auch das Gesetz über die Reinigung öffentlicher Straßen - Straßenreinigungsgesetz NW - zum 01.01.1998 geändert. In § 3 Abs. 1 heißt es nunmehr: "Die Gemeinden können von den Eigentümern der durch die Straße erschlossenen Grundstücke als Gegenleistung für die Kosten der Straßenreinigung eine Benutzungsgebühr nach den Vorschriften des Kommunalabgabengesetzes erheben". Zuvor hatte die Vorschrift gelautet: "Die Gemeinden erheben von den Eigentümern ....". Damit steht die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren im Ermessen der reinigenden Gemeinde.
Eine weitere Änderung betrifft den sog. Gemeindeanteil nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NW, wonach das Gesamtgebührenaufkommen 75% der Gesamtkosten der Straßenreinigung im Gemeindegebiet nicht übersteigen durfte. Diese Vorschrift ist jetzt gestrichen worden.
Die Überlegung, die Gebührenerhebungspflicht aufzugeben und die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren in das Ermessen der Kommunen zu stellen, wird bereits seit mehreren Jahren diskutiert. Im Jahre 1993 hatten sich mehrere Mitgliedsgemeinden des NWStGB mit einer entsprechenden Eingabe an den Petitionsausschuß des Landtages gewendet. Zur Begründung hatten sie angeführt, daß sie ein Verwaltungsverfahren zur Erhebung von Straßenreinigungsgebühren durchführen müßten, obwohl angesichts des persönlichen Engagements der Bürger bei der Reinhaltung der Straßen und Wege eine intensive Form der Straßenreinigung nicht erforderlich sei und damit der Aufwand für die Gebührenerhebung in einem deutlichen Mißverhältnis zu ihrem Ertrag stehe.
Der NWStGB hatte in einer parlamentarischen Anhörung dafür plädiert, eine Ausnahmeregelung allenfalls für die Fälle vorzusehen, in denen der Gebührenertrag unter Berücksichtigung der tatsächlichen Reinigungsleistungen der Anlieger den reinen Verwaltungsaufwand zur Gebührenerhebung voraussichtlich nur unwesentlich übersteigt. Zur Begründung hierfür hatte der Verband darauf verwiesen, daß das Aufkommen an Straßenreinigungsgebühren im Landes Nordrhein-Westfalen weit über 200 Millionen DM liege. Die zu befürchtenden Einnahmeausfälle seien beispielsweise über eine Wiedereinführung der Grundsteuermehrbelastung nicht auszugleichen und bei der Finanzlage der Kommunen nicht hinnehmbar. Zudem lehnte er eine Abschaffung der Gebührenerhebungspflicht im Interesse einer einheitlichen Rechtsanwendung als Ausfluß des verfassungsrechtlichen Prinzips der materiell-rechtlichen Abgabengerechtigkeit aus Art. 3 GG ab. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß die Kommune mit der Straßenreinigung dem Bürger eine Leistung erbringe, von der er einen konkreten Vorteil für sein Grundstück erhalte.
Das Präsidium des NWStGB hat diese Position in seiner Sitzung am 19.01.1995 ausdrücklich bestätigt und aus rechtssystematischen und finanzpolitischen Erwägungen dem Grundsatz der Gebührenerhebungspflicht Vorrang eingeräumt.
In den Entwürfen zum Gesetz zur Stärkung der Leistungsfähigkeit der Kreise, Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen wurden die jetzt Gesetz gewordenen Regelungen bis kurz vor der abschließenden Beratung des Landtages im November 1997 nur im Zusammenhang mit dem Kommunalisierungsmodell diskutiert. Es sollten also zur Erprobung neuer Modelle der Aufgabenerledigung nur einige ausgewählte Kreise, Städte und Gemeinden auf Antrag von diesen Vorschriften probeweise Gebrauch machen können. Zu diesem eingeschränkten Vorhaben hat der NWStGB in einer Stellungnahme vom 17. September 1997 seine grundsätzliche Unterstützung signalisiert und auf die Verbandsposition verwiesen, die eine probeweise Befreiung von der Gebührenerhebungspflicht in Ausnahmefällen mit umschließt. Es wurde dabei darauf hingewiesen, daß bei einer Ausnutzung der Kann-Regelung vorab finanzielle Kompensationsmöglichkeiten einerseits und Aspekte der Gemeinwohlgerechtigkeit andererseits zu prüfen seien. Die darüber hinausgehende Befreiungsmöglichkeit vom 75%-Satz der Gesamtaufwendungen wurde seitens des NWStGB ausdrücklich begrüßt. Es wurde jedoch gleichzeitig die Einschätzung vertreten, daß eine nennenswerte Vergrößerung des Entscheidungsspielraums der Gemeinden wegen der Rechtsprechung zum Vorteilsprinzip im Abgabenrecht nicht zu erwarten sei.
In der abschließenden Beratung des Landtagsausschusses für Kommunalpolitik wurde sodann der ursprüngliche Gesetzentwurf auf Antrag der CDU-Landtagsfraktion dahingehend geändert, daß die Ermessensregelung sowie der Wegfall der Gemeindeanteilsregelung als endgültige Änderung des Straßenreinigungsgesetzes formuliert wurde. Zur Begründung wurde angeführt, die im Gesetzentwurf angesprochenen Veränderungen beim Straßenreinigungsgesetz bedürften keines Experimentes. Die Liberalisierung des Gebührenrechtes solle vielmehr sofort allen Kommunen zugute kommen.
Aus Sicht der Geschäftsstelle hat diese Gesetzesänderung für die Städte und Gemeinden folgende Konsequenzen:
Die Erhebung von Straßenreinigungsgebühren steht ab sofort im pflichtgemäßen Ermessen der Gemeinde. Die Gesetzesänderung bedeutet hingegen nicht, daß auch die Straßenreinigungspflicht ins Ermessen der Gemeinde gestellt wäre. Weiterhin sind die Kommunen nach den Grundsätzen des Straßenreinigungsgesetzes und der Verkehrssicherungspflicht gehalten, die Reinigung der öffentlichen Straßen vorzunehmen. Es ist lediglich in ihr Ermessen gestellt, die dabei entstehenden Kosten auf die Anlieger, die einen Vorteil von der Straßenreinigung haben, abzuwälzen oder sie von der Allgemeinheit tragen zu lassen.
Bei der Ausübung des Ermessens sind zum einen die allgemeinen Haushaltsgrundsätze des § 75 GO NW zu berücksichtigen, zum anderen § 76 Abs. 2 GO NW, wonach die Gemeinden ihre Einnahmen in erster Linie - soweit vertretbar und geboten - aus speziellen Entgelten für die von ihnen erbrachten Leistungen und in zweiter Linie aus Steuern zu beschaffen haben. Nach der Rechtsprechung des OVG NW ist den Gemeinden bei der Bestimmung des Vertretbaren und Gebotenen grundsätzlich ein Entscheidungsspielraum eröffnet. Allerdings gilt die in § 76 Abs. 2 Nr. 1 GO NW normierte grundsätzliche Verpflichtung zur vollständigen Ausschöpfung der Einnahmequellen im besonderen Maße für diejenigen Gemeinden, die bereits über längere Zeit hinweg ihre Haushaltsrechnungen mit einem Fehlbetrag abgeschlossen haben. Hinter dieser Verpflichtung müssen andere Erwägungen, die ansonsten von einer Abgabenerhebung Abstand nehmen lassen könnten, zurücktreten (so auch die Begründung des Gesetzesentwurfs der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen).
Der Wegfall des bisherigen § 3 Abs. 1 Satz 2 StrReinG NW bedeutet nicht, daß die Gemeinde zukünftig die Kosten der Straßenreinigung in vollem Umfang den Anliegern in Rechnung stellen könnte. Vielmehr ist es auch weiterhin zwingend erforderlich, den auf die Interessen der Allgemeinheit entfallenden Anteil zu ermitteln und bei der Gebührenerhebung außer Ansatz zu lassen. Dieser abgabenrechtliche Grundsatz ist durch den Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG begründet (BVerwG, Urteil vom 07.04.1989, BVerwGE 81, S. 371 ff.). Die Festlegung der Höhe des auf das Allgemeininteresse entfallenden Kostenanteils liegt im Ermessen der Gemeinde. Den Anforderungen des Gleichheitssatzes ist genügt, wenn die Gemeinde einen einheitlichen Gemeindeanteil für alle zu reinigenden Straßen zugrundelegt. In der einschlägigen Literatur wird davon ausgegangen, daß der Allgemeininteressenanteil wenigstens 10% betragen muß, dies aber in der Regel auch ausreicht.
Die Mustersatzung "Straßenreinigung" des NWStGB ist in ihren wesentlichen Formulierungen von dieser Gesetzesänderung nicht berührt. § 5 Satz 1 der Mustersatzung erhält jetzt konstitutiven Charakter. Satz 2 bezieht sich auf den weiterhin abzusetzenden Gemeindeanteil. Lediglich die Erläuterung in Fußnote 6 erübrigt sich. Zudem muß es zu Beginn der Satzung heißen "..., zuletzt geändert durch Gesetz vom 17.12.1997 (GV NW, S. 430)".
Az.: III/1 642-33/1