Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 16/2015 vom 15.12.2014
Agora-Studie zur Reform der Netzentgelte
Eine Studie der Agora Energiewende befasst sich vor dem Hintergrund des durch die Energiewende erforderlichen Netzausbaus mit dem Reformbedarf der deutschen Netzentgeltsystematik. Die unterschiedliche regionale Entwicklung der Netzentgelte führe - u. a. abhängig vom Zubau erneuerbarer Energien und der Abnehmerdichte - zu ungleich hohen Kosten bei den Verbrauchern, die insbesondere in ländlichen Gebieten benachteiligt würden. Für eine bessere und gerechtere Verteilung der Kosten empfiehlt die Studie, die Kosten für die Stromnetze deutschlandweit zu vereinheitlichen. Auch aus kommunaler Sicht kommt es darauf an, die mit der Energiewende entstehenden Mehrkosten gleichmäßiger zu verteilen, um die Akzeptanz gegenüber der Energiewende nicht zu gefährden. Bei der Diskussion um mögliche Lösungen sollten insbesondere die Auswirkungen auf die einzelnen Verbrauchergruppen, wie u. a. Kommunen, Bürger und Unternehmen, eingehend betrachtet werden.
Die Studie „Netzentgelte in Deutschland“ der Thinktank Agora Energiewende greift die aktuellen Herausforderungen der Netzentgeltsystematik auf und beschreibt mögliche Lösungswege, um die Netzentgelte den Erfordernissen der Energiewende anpassen zu können.
Ausgangspunkt für die Studie ist die Annahme, dass die bestehende Netzentgeltsystematik unerwünschte Effekte im Hinblick auf die Systemdienlichkeit der Netze als auch auf die Finanzierung des Netzausbaus hat. So werde nach der derzeitigen Systematik ein flexibles Lastmanagement von Industriekunden bestraft, anstatt es zu befördern. Netzentgelte müssen systemdienlich sein und die Integration der erneuerbaren Energien ermöglichen. Zudem stellt die regionale Wälzung von Netzkosten Regionen mit niedriger Absatzdichte und hohem Ausbau der erneuerbaren Energien schlechter als den Rest der Republik.
Regional unterschiedlich hohe Netzentgelte
Während in ländlichen Regionen durch den Zubau an Erneuerbare-Energien-Anlagen die Netzentgelte steigen und die dortigen Verbraucher belasten, würden die Entgelte in städtischen Regionen stagnieren. Nach den Berechnungen der Agora zahlt in Berlin eine Familie mit einem Durchschnittsstromverbrauch von 3.500 Kilowattstunden (kWh) pro Jahr im nächsten Jahr 236 Euro für die Stromnetze, in Teilen Mecklenburg-Vorpommerns belaufen sich die Kosten dagegen auf 411 Euro. Schon jetzt lägen die Netzentgelte bei mehr als 17 Milliarden Euro. Das sei fast so viel wie die Förderung der erneuerbaren Energien. Mit dem Zubau an Erneuerbaren werde sich das Ungleichgewicht noch mehr vergrößern.
Die neue Studie von Agora Energiewende empfiehlt, die Kosten für die deutschen Stromnetze zu vereinheitlichen. Die Energiewende und der Ausbau der erneuerbaren Energien seien ein nationales Projekt. Ein System, das die Kosten für Netzausbau und Engpassbewirtschaftung einseitig den ländlichen Ausbauregionen auflastet, führe zu Fehlanreizen.
Eigenerzeugung erhöht Netznutzungskosten
Es sei ungerecht, dass im derzeitigen Netzentgelt-System Eigenerzeuger weniger für das Stromnetz zahlen - obwohl sie dennoch auf das Netz angewiesen seien. Das sei der Grund für die Erhöhung der Netznutzungsgebühren in zwei von drei Netzen zum Jahreswechsel 2014/15. Sparsame Haushalte mit einem Verbrauch von 1.500 kWh würden von Januar an in Teilen Schleswig-Holsteins 23,4 Prozent mehr für die Netznutzung als im vergangenen Jahr zahlen, während Haushalte mit einem Stromverbrauch von 5.000 kWh lediglich 17,9 Prozent mehr zahlen müssten.
Kleinverbraucher mit Eigenerzeugung wie Photovoltaik oder Mini-Blockheizkraftwerken würden vom Netz profitieren und müssten an dessen Kosten beteiligt werden. Die Studie rät daher, einen speziellen Eigenerzeuger-Netztarif einzuführen. Zeitlich differenzierte Netzentgelte seien hier mittelfristig der richtige Ansatz; kurzfristig könne eine differenzierte Netzservicepauschale aushelfen.
Höhere Grundpreise oder Leistungskomponenten seien bei Haushaltskunden nicht zielführend. Sie wären weder verursachungsgerecht noch sozialverträglich, da die Haushalte mit dem geringsten Verbrauch die größten Zusatzkosten tragen würden.
Keine flexible Ausrichtung des Strombedarfs von Industriebetrieben
Ebenso problematisch sei, dass die Industriebetriebe Netznutzungsentgelte nur pauschal entsprechend ihres maximalen Strombedarfs zahlen. Dies sei kontraproduktiv, denn in Zeiten der Energiewende sei es durchaus gewünscht, dass Unternehmen ihren Strombedarf nach dem volatilen Angebot richten.
Die Netzentgelte für die Industrie sollten nach Agora rasch reformiert werden. Das Netzentgeltsystem solle - weg von den Entgelten auf Basis der Jahreshöchstlast hin zu zeitlich differenzierten Leistungs- und Arbeitsentgelten - reformiert werden, dass zu Zeiten von Stromknappheit höhere und bei hohem Angebot geringere Entgelte erhoben werden dürfen. So könnten sowohl lokale Netzengpässe adressiert werden als auch Industriebetriebe von niedrigen Börsenpreisen bei hoher Wind- und Solareinspeisung profitieren und so das System stabilisieren.
Die Strommarkt-Fachleute des Regulatory Assistance Projects haben die Studie "Netzentgelte in Deutschland" im Auftrag von Agora Energiewende verfasst. Sie steht auf der Internetseite www.agora-energiewende.de zum Herunterladen bereit.
Anmerkung
Aus kommunaler Sicht sind die mit der Energiewende verbundenen Mehrkosten gleichmäßig auf alle Verbraucher zu verteilen, um die Akzeptanz gegenüber der Energiewende nicht zu gefährden. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf den mit der Integration der erneuerbaren Energien erforderlichen Investitionsbedarf der Stromnetze, der sich in den Netzentgelten niederschlägt. Erst aus der im Herbst veröffentlichten Studie des Bundeswirtschaftsministeriums über den Aus- und Umbaubedarf der regionalen und lokalen Verteilnetze geht hervor, dass sich die dort ermittelten Ausbaukosten zwischen 23 und 49 Milliarden Euro je nach Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich verteilen werden. Vor allem ländliche Regionen werden hiervon betroffen sein.
Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, ist es aus kommunaler Sicht wichtig, verschiedene Lösungsansätze zu untersuchen, die zu einer gerechteren Kostenverteilung der Verbraucher führen können. Bei der Diskussion sollten jedoch die (finanziellen) Auswirkungen auf die einzelnen Verbrauchergruppen, zu denen Kommunen, Bürger und Unternehmen zählen, eingehend untersucht werden, um genaue Rückschlüsse zu ermöglichen.
Az.: II/3 811-00/9