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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 88/1997 vom 20.02.1997
Aktuelle Finanzlage der Kommunen in den alten und in den neuen Bundesländern
Wie in den Vorjahren haben die kommunalen Spitzenverbände den voraussichtlichen Abschluß des kommunalen Gesamthaushalts des abgelaufenen Jahres ermittelt und eine Prognose für die Haushaltsentwicklung im neuen Jahr erarbeitet. Wegen der nach wie vor erheblichen Unterschiede zwischen den Kommunalfinanzen in den alten und den neuen Ländern ist für 1996 und 1997 - und wohl auch noch in den nächsten Jahren - wieder eine getrennte Darstellung der kommunalen Finanzlage in Ost und West erforderlich.
Im vergangenen Jahr lagen die Einnahmen in den westdeutschen Kommunalhaushalten mit + 0,7 % nur geringfügig über Vorjahresniveau, insbesondere aufgrund annähernd stagnierender Steuereinnahmen. Durch unveränderte laufende Ausgaben in ihren Verwaltungshaushalten und weitere Reduzierungen ihrer Investitionen haben die Kommunen in den alten Ländern ihre Ausgaben im vergangenen Jahr insgesamt um 1,3 % reduziert. Dadurch konnten sie ihr Finanzierungsdefizit von über 12 Mrd. DM im Jahr 1995 - wie von den kommunalen Spitzenverbänden vor einem Jahr prognostiziert - 1996 auf 7 ½ Mrd DM zurückführen.
Auch 1997 bleiben die Kommunen auf Konsolidierungskurs. Obwohl in diesem Jahr sogar mit rückläufigen Einnahmen der Kommunen gerechnet werden muß, wird das kommunale Finanzierungsdefizit in den alten Ländern 1997 voraussichtlich nicht wieder ansteigen, sondern wie 1996 bei 7 ½ Mrd DM liegen. Die aktuellen Haushaltsplanungen lassen erwarten, daß die Ausgaben in des westdeutschen Kommunalhaushalten 1997 erneut unter Vorjahresniveau liegen werden.
Die ostdeutschen Kommunen haben es 1996 durch Reduzierung ihrer Ausgaben um fast 3 % geschafft, ihr Finanzierungsdefizit wie 1995 auf 2 Mrd DM zu begrenzen, obwohl ihre Einnahmen ebenfalls um 3 % rückläufig waren. Bei weiterer Ausgabenreduzierung um rd. 2 % erscheint jedoch im Jahr 1997 bei einem noch stärkeren Rückgang der Einnahmen um 3,9 % - insbesondere infolge der Zuweisungskürzungen durch die neuen Länder - eine Zunahme des Finanzierungsdefizits der ostdeutschen Kommunen unausweichlich. Wenn kein Konsens für einen gemeindlichen Umsatzsteueranteil erzielt wird, muß in diesem Jahr angesichts der weitgehend fehlenden Vorbereitungen der Ländersteuerverwaltungen für die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern mit einem Anstieg des kommunalen Finanzierungsdefizits auf 3 Mrd DM gerechnet werden.
I. Der kommunale Beitrag zur Einhaltung der Maastricht-Kriterien
Auch ohne förmlichen Stabilitätspakt und Sanktionsmechanismen leisten die Kommunen ihren Beitrag zur Erfüllung der Maastricht-Kriterien. Das beweist erneut die Entwicklung der Kommunalfinanzen 1996 und 1997.
Die Kommunen in West und Ost haben 1996 trotz stagnierender Einnahmen ihr Finanzierungsdefizit von 14 Mrd DM im Jahr 1995 auf 9 ½ Mrd DM zurückgeführt. Möglich wurde dieses Ergebnis durch eine Reduzierung der kommunalen Ausgaben in West und Ost.
Auch 1997 bleiben die Kommunen auf Konsolidierungskurs. So lassen die Haushaltsplanungen für dieses Jahr eine weitere Reduzierung der Ausgaben in den Kommunalhaushalten erwarten. Damit wird voraussichtlich das kommunale Finanzierungsdefizit in den alten Ländern trotz rückläufiger Einnahmen wie 1996 auf 7 ½ Mrd DM begrenzt werden können. Obwohl in den ostdeutschen Kommunalhaushalten 1997 mit einem noch stärkeren Ausgabenrückgang zu rechnen ist, wird hier - insbesondere aufgrund der Zuweisungskürzungen durch die neuen Länder - eine leichte Zunahme des Finanzierungsdefizits nicht zu vermeiden sein.
Das 1997 zu erwartende Gesamtdefizit der Kommunen in West und Ost bleibt jedoch mit 10 ½ Mrd DM deutlich unter den Finanzierungsdefiziten der Jahre 1992 bis 1995. Trotz zusätzlicher Leistungsverpflichtungen - insbesondere durch den Rechtsanspruch auf Kindergartenplatz - sowie steigender Löhne und Preise werden die gesamten Ausgaben in den Kommunalhaushalten 1997 voraussichtlich sogar geringer sein als 1993.
Die Konsolidierungserfolge der Kommunen mußten und müssen mit schmerzlichen Leistungseinschränkungen für die Bürger und die Wirtschaft und einem Verfall der städtischen Investitionen erkauft werden. Trotz massiver Konsolidierungsanstrengungen und des Rückgriffs auf die Substanz ihrer Vermögenshaushalte sind allerdings die Verwaltungshaushalte vieler Städte nach wie vor hochgradig defizitär.
II. Die Finanzlage der Städte und Gemeinden in den alten Ländern
Rückblick auf 1996
Die hohe Gewinnabhängigkeit der Gewerbesteuer hat zwar im vergangenen Jahr dazu geführt, daß im Zuge der Veranlagung des Jahres 1994, in dem sich die Unternehmensgewinne trotz schwacher Konjunktur stark erhöht haben, das Gewerbesteueraufkommen nach den Einbrüchen der letzten Jahre insgesamt wieder deutlich gewachsen ist. Nach wie vor entwickeln sich die Einnahmen aus dieser Steuerquelle jedoch in den einzelnen Städten und Gemeinden außerordentlich unterschiedlich und die Gewerbesteuereinnahmen in strukturschwachen Kommunen bleiben völlig unzureichend. Auch in dieser Phase einer insgesamt positiven Gewerbesteuerentwicklung ist also der dringende Reformbedarf unübersehbar.
Die Städte und Gemeinden, die im vergangenen Jahr nicht oder nur unzureichend an der insgesamt positiven Aufkommensentwicklung der Gewerbesteuer partizipieren konnten, waren um so härter getroffen von dem Rückgang des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer. Die Anrechnung des Kindergeldes, die schwache Entwicklung der Lohnsumme und die nochmals rückläufige Beschäftigungsentwicklung sowie der fortgesetzte Verfall der veranlagten Einkommensteuer haben dazu beigetragen, daß die Einkommensteuereinnahmen in den westdeutschen Städten und Gemeinden 1996 um über 8 % rückläufig waren und damit den Zuwachs der Gewerbesteuereinnahmen mehr als kompensiert haben.
Der Forderung, den Städten und Gemeinden ihre steuerlichen Verluste durch die Anrechnung des Kindergeldes auf die Einkommensteuer durch Anhebung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer auszugleichen, hatten Bund und Länder bei ihrem Kompromiß zum Jahressteuergesetz 1996 bekanntlich nicht entsprochen. Stattdessen sind die Städte und Gemeinden auf eine Beteiligung an dem um 5,5 Prozentpunkte erhöhten Umsatzsteueranteil der Länder verwiesen worden. Selbst wenn die kommunalen Anteile an diesen Kompensationsmitteln, die wegen der Abhängigkeit von den Entscheidungen der einzelnen Länder den Landeszuweisungen zuzurechnen sind, dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer zugerechnet würden, wäre der Gemeindeanteil an der Einkommensteuer 1996 rückläufig gewesen.
Insgesamt lagen die Steuereinnahmen der westdeutschen Städte und Gemeinden 1996 nur um 0,5 % über dem Niveau vom 1995, dem Tiefstpunkt seit 1992. In den Kommunen, die nicht an der positiven Gewerbesteuerentwicklung partizipieren konnten, waren die Steuereinnahmen 1996 nochmals rückläufig.
Die Entwicklung der Gebühreneinnahmen der westdeutschen Kommunen war auch im Jahre 1996 deutlich geprägt durch die Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen. Durch die damit verbundene Ausgliederung dieser Einrichtungen aus den Kommunalhaushalten blieben die kommunalen Gebühreneinnahmen in den Haushalten des Jahres 1996 knapp unter Vorjahresniveau. Nach Informationen aus westdeutschen Städten, Gemeinden und Kreisen belief sich dieser "Ausgliederungseffekt" bei den Gebühreneinnahmen 1996 auf etwa 6 %. Mit anderen Worten: Ohne Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen hätten sich die kommunalen Gebühreneinnahmen des Jahres 1996 insbesondere wegen der Kostensteigerung in den einzelnen Gebührenbereichen um 4 ½ % erhöht.
Die westdeutschen Länder haben bei der Zuweisungspolitik des Jahres 1996 nur scheinbar den restriktiven Finanzausgleichskurs des Vorjahres korrigiert. Zwar stiegen die Zuweisungen für die kommunalen Verwaltungs- und Vermögenshaushalte insgesamt nominell um 3,6 %. Dieser Zuwachs ist allerdings ausschließlich darauf zurückzuführen, daß im Zuge der Neufassung des Familienleistungsausgleichs der Bund den Ländern zusätzliche Umsatzsteuermittel auch zur Weiterleitung an die gemeindlichen Haushalte zur Verfügung gestellt hatte. Diesen zusätzlichen Zuweisungen stehen aber - höhere - Mindereinnahmen beim gemeindlichen Einkommensteueranteil gegenüber. Ohne diese Kompensationszahlungen wurden die Zuweisungen zu den Verwaltungshaushalten der westdeutschen Kommunen im Jahre 1996 gegenüber dem Vorjahr um 1 ½ % vermindert. Trotz einer positiven Entwicklung der investiven Zuweisungen hätte das gesamte Transfervolumen des Jahres 1996 noch nicht einmal das Vorjahresniveau erreicht.
Die fortgesetzte Konsolidierungspolitik spiegelt sich in den Verwaltungshaushalten der westdeutschen Kommunen im vergangenen Jahr in annähernd stagnierenden laufenden Personal- und Sachausgaben wider. Zudem waren 1996 erstmals die sozialen Leistungen nicht wie in den vergangenen Jahrzehnten der Sprengsatz in den städtischen Verwaltungshaushalten. Daß sie sogar leicht rückläufig waren, beruht auf dem Zusammentreffen mehrerer Faktoren. Die Hauptrolle spielen dabei die Mitte des vergangenen Jahres eingeführten stationären Hilfen der Pflegeversicherung, deren Entlastungswirkungen für die Sozialhilfeträger allerdings nicht annähernd die von der Bundesregierung erwartete Größenordnung erreichen. Hinzu kommen dämpfende Wirkungen der begrenzten Zuwächse der Sozialhilferegelsätze und der Pflegesätze in Einrichtungen, der ambulanten Hilfen der Pflegeversicherung und der Kindergelderhöhung durch das Jahressteuergesetz 1996 sowie eigene Anstrengungen der Städte zur Begrenzung oder Reduzierung der Zahl der Sozialhilfeempfänger beispielsweise durch verstärkte Prüfung und Förderung der Arbeitsaufnahme von Arbeitslosen u.ä. (Die Veränderungsraten der sozialen Leistungen im Jahr 1996 sind zudem dadurch nach unten verzerrt, daß die Auszahlung des Kindergeldes an kommunale Beschäftigte seit 1996 nicht mehr als Ausgabe in den Kommunalhaushalten verbucht wird.)
Insgesamt haben es die westdeutschen Kommunen 1996 erreicht, die Ausgaben in ihren Verwaltungshaushalten etwa auf dem Niveau des Jahres 1995 einzufrieren. Wegen der ebenfalls stagnierenden laufenden Einnahmen hat sich aber die Lage in den Verwaltungshaushalten nicht verbessert. Nach wie vor waren viele Kommunen 1996 nicht in der Lage, ihre laufenden Ausgaben und den Schuldendienst - wie vom kommunalen Haushaltsrecht gefordert - aus laufenden Einnahmen des Verwaltungshaushalts zu finanzieren oder gar freie Spitzen für die Investitionsfinanzierung zu erwirtschaften. Nach wie vor sind hochgradig defizitäre Verwaltungshaushalte vielerorts die Regel und nicht die Ausnahme. Die Konsequenz ist, daß in den Städten und Gemeinden vielfach laufende Ausgaben längerfristig mit Kassenkrediten finanziert werden müssen, die eigentlich nur zur Schließung temporärer Liquiditätslücken dienen sollen.
Fehlende Eigenmittel waren 1996 auch der Hauptgrund für die zwangsläufige weitere Reduzierung der kommunalen Investitionsausgaben.
Ausblick auf 1997
Die zur Jahreswende 1996/97 erkennbaren Entwicklungstendenzen der kommunalen Einnahmen lassen 1997 keine Besserung der städtischen Finanzlage erwarten. Dies ist insbesondere auf die von den Ländern geplanten Zuweisungen an ihre Kommunen zurückzuführen.
Auch im Jahre 1997 werden die westdeutschen Städte, Gemeinden und Kreise durch die Finanzausgleichspolitik ihrer Länder völlig unzureichend bei der Konsolidierung ihrer Etats unterstützt. Bei den laufenden Zuweisungen zeigen die Landesplanungen für 1997 nur Stagnation. Bei den Investitionszuschüssen kommt es mit einem Minus von fast 10 % zu einer massiven Beeinträchtigung der kommunalen Investitionsfähigkeit. Alles in allem werden die Transfers aus den Finanzausgleichskassen der Länder 1997 um 1,4 % zurückgehen. Die Länder halten an ihrem restriktiven Zuweisungskurs der Vorjahre fest und wollen die Krise ihrer eigenen Etats auf die Kommunen weiterwälzen.
Keine Bereitschaft ist bisher bei den alten Ländern erkennbar, die kommunalen Solidarpakt-Finanzierungsbeiträge und damit die hierfür erhöhte Gewerbesteuerumlage der westdeutschen Städte und Gemeinden abzusenken. Die kommunalen Spitzenverbände haben wiederholt gefordert, als Konsequenz aus den unter den ursprünglichen Erwartungen gebliebenen Transfers der alten an die neuen Länder auch die Finanzierungsbeiträge der westdeutschen Kommunen unverzüglich und nicht erst nach einer für 1997 vorgesehenen Überprüfung zu reduzieren. Auf diese Forderung haben die Länder überhaupt nicht oder ausweichend reagiert.
Bei den Steuereinnahmen der Städte und Gemeinden in den alten Ländern zeichnet sich für 1997 insgesamt zwar ein Zuwachs um 4,4 % ab. Damit wird allerdings erst wieder das Niveau der gemeindlichen Steuereinnahmen im Jahr 1993 erreicht. Die Gewerbesteuereinnahmen sind auch 1997 durch die Veranlagung guter Gewinnjahre geprägt. Das diesjährige Hauptveranlagungsjahr 1995 war - wie das Jahr 1994 - durch hohe Zuwächse der Unternehmensgewinne trotz schwacher Konjunktur gekennzeichnet. Da die Gewerbesteuer 1994 durch das Zusammentreffen hoher Veranlagungsergebnisse und starker Vorauszahlungsanpassungen überhöht war, schwächt sich allerdings der Zuwachs der 1997 erwarteten Gewerbesteuereinnahmen ab.
Für den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer, der schon in den vergangenen Jahren insbesondere durch die vielfältigen Abzugsmöglichkeiten seine frühere progressionsbedingte Dynamik verloren hatte, wird zwar nun 1997 erstmals wieder mit einer positiven Durchschnittsentwicklung gerechnet. Dennoch können aus Sicht der Städte und Gemeinden Einbußen bei den Einnahmen aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer auch im Zuge einer Einkommensteuerreform keinesfalls hingenommen werden. Mögliche Mindereinnahmen müssen kompensiert werden.
Auch im Jahre 1997 ist mit weiteren Ausgliederungen von Gebühreneinrichtungen zu rechnen. Infolgedessen werden die Gebühreneinnahmen in den Kommunalhaushalten 1997 wiederum unter Vorjahresniveau bleiben. Ohne Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen würden sich die kommunalen Gebühreneinnahmen des Jahres 1997 - wie im Vorjahr primär kostenbedingt - um 1 ½ % erhöhen.
Die vorliegenden Informationen über die Haushaltsplanungen der westdeutschen Kommunen lassen auch 1997 nur eine geringfügige Zunahme der Personalausgaben und des laufenden Sachaufwands erwarten. Die Entwicklung der sozialen Leistungen der Kommunen ist auch 1997 vor allem durch die stationären Hilfen der Pflegeversicherung geprägt, die in diesem Jahr erstmals für ein volles Jahr wirksam sind. Zudem sind die Zuwächse der Sozialhilferegelsätze und der Pflegesätze in Einrichtungen auch 1997 begrenzt. Die Städte und Gemeinden rechnen auch mit rückläufigen Leistungen für Asylbewerber und Bürgerkriegsflüchtlinge und werden ihre eigenen Anstrengungen um Kosten- und Fallzahlenbegrenzung bei der Sozialhilfe fortsetzen. Unter diesen Vorzeichen könnte 1997 eine leichte Reduzierung der sozialen Leistungen aller westdeutschen Kommunen erreicht werden.
Trotz dieser aktuellen Entwicklung stellen die sozialen Leistungen insbesondere infolge der Entwicklung der Sozialhilfelasten nach wie vor eines der zentralen kommunalen Finanzprobleme dar. Die Belastung der Städte und Gemeinden durch soziale Leistungen hat sich in den alten Ländern allein seit Beginn der 80er Jahre mehr als verdreifacht. Zudem wird der Sozialhilfeaufwand für die Pflege alter Menschen in den kommenden Jahren wieder sehr stark wachsen. Das Problem der untragbaren Sozialhilfelasten ist also keineswegs gelöst.
Insgesamt werden in den Verwaltungshaushalten der westdeutschen Kommunen die Einnahmen auch 1997 nicht wachsen. Dagegen muß nach dem gegenwärtigen Planungsstand selbst bei der erwarteten Entwicklung der sozialen Leistungen mit einem leichten Wiederanstieg der gesamten laufenden Ausgaben der westdeutschen Kommunen gerechnet werden. Statt der dringend notwendigen Verbesserung zeichnet sich also für 1997 sogar eine weitere Verschlechterung der Finanzlage in den kommunalen Verwaltungshaushalten ab. Vielerorts sind auch in diesem Jahr die Verwaltungshaushalte hochgradig defizitär.
Unausweichlich ist unter diesen Vorzeichen und insbesondere wegen der von den Ländern geplanten starken Reduzierung der investiven Zuweisungen der fortgesetzte Verfall der kommunalen Investitionen. Sie werden nun schon im 5. Jahr in Folge reduziert werden müssen. Die für 1997 erwarteten kommunalen Sachinvestitionen in den alten Ländern liegen nominal um fast 12 Mrd DM oder rd. 25 % unter dem Niveau von 1992. Real, also unter Berücksichtigung der Preissteigerung war dieser zwangsläufige kommunale Investitionsbruch noch stärker.
III. Die Finanzlage der Städte und Gemeinden in den neuen Ländern
Rückblick auf 1996
Die Entwicklung der Kommunalfinanzen in den neuen Ländern war im vergangenen Jahr vor allem geprägt durch rückläufige Einnahmen und hier insbesondere durch ein starkes Minus der Steuereinnahmen. Zurückzuführen ist diese negative Steuereinnahmenentwicklung vor allem auf zwei Faktoren beim Gemeindeaneil an der Einkommensteuer. Der Rückgang der Einnahmen aus dieser Steuerquelle um rd. 35 % resultiert zu etwa 15 % aus dem überhöhten Niveau des Jahres 1995 infolge von Nachzahlungen für mehrere Jahre aus der West-Ost-Lohnsteuerzerlegung. Besonders negativ und wesentlich stärker als in den alten Ländern hat sich aber die Anrechnung des Kindergeldes auf den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer in den neuen Ländern ausgewirkt. Damit sind die Einnahmen der ostdeutschen Städte und Gemeinden aus dieser Steuerquelle 1996 unter das Niveau von 1993 und je Einwohner auf nur noch rd. 35 % des Westniveaus zurückgefallen.
Dieser negativen Entwicklung beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer stand zwar ein Wiederanstieg der Gewerbesteuereinnahmen gegenüber. Angesichts des geringen Gewerbesteuerniveaus in den alten Ländern konnte damit aber die insgesamt stark rückläufige Steuereinnahmenentwicklung der ostdeutschen Städte und Gemeinden nur etwas abgeschwächt werden. Je Einwohner liegen die Gewerbesteuereinnahmen in den neuen Ländern nach wie vor nur bei gut einem Viertel und die gesamten Steuereinnahmen der ostdeutschen Städte und Gemeinden nur bei 35 % des Westniveaus.
Der kommunale Finanzausgleich hat in den neuen Ländern einen besonders hohen Stellenwert. Noch auf Jahre hinaus müßte er die nach wie vor schwache Steuerkraft der ostdeutschen Kommunen kompensieren und zusätzlich über besondere Investitionshilfen den Aufbau und Ausbau der kommunalen Infrastruktur stimulieren. Diese Zielsetzungen scheinen die staatlichen Finanzausgleichsplaner zunehmend aus den Augen zu verlieren. Jedenfalls offenbart die Zuweisungsentwicklung des Jahres 1996 keine Trendwende in der restriktiven Finanzausgleichspolitik der neuen Länder. Dabei war auch in den ostdeutschen Ländern die Zuweisungsentwicklung durch Kompensationszahlungen im Rahmen der Neuordnung des Familienleistungsausgleichs überzeichnet. Bereinigt um diese Transfers, mit denen auch die ostdeutschen Gemeinden Minusbuchungen bei ihrem Einkommensteueranteil zumindest teilweise ausgleichen sollten, haben sich die laufenden Zuweisungen für die ostdeutschen Kommunalhaushalte 1996 um 3,5 % reduziert. Das gesamte Transfervolumen der ostdeutschen Länder an ihre Kommunen einschließlich der investiven Zuweisungen ist - bereinigt um die Kompensationszahlungen - gegenüber dem Vorjahr um mehr als 2 % zurückgegangen. Trotz der respektablen Transferzuwächse aus dem Solidarpakt und der eindringlichen Appelle der Kommunen in Ost und West räumen die ostdeutschen Länder ihren eigenen Finanzproblemen einen höheren Stellenwert ein als dem Aufbau einer funktionierenden Kommunalverwaltung und einer leistungsfähigen kommunalen Infrastruktur.
Bei einer Analyse der kommunalen Gebührenentwicklung in den neuen Ländern war schon in den letzten Jahren zu berücksichtigen, daß wichtige Gebührenbereiche wie z.B. die Wasserwirtschaft außerhalb der Kommunaletats abgerechnet werden. Wegen dieser Ausgangslage läuft der weitere Ausgliederungsprozeß bei Gebührenhaushalten mit einer im Vergleich zu den westdeutschen Kommunen geringeren Dynamik ab. Infolge der Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen reduzieren sich in den ostdeutschen Kommunalhaushalten die Gebühreneinnahmen unter Vorjahresniveau. Bei einer Hinzurechnung von "ausgegliederten" Gebühreneinrichtungen hätte sich 1996 eine "bereinigte", d.h. primär kostenbedingte Zuwachsrate von 2,2 % ergeben.
Die Ausgabenentwicklung in den kommunalen Verwaltungshaushalten war in den neuen Ländern auch 1996 durch einen über Erwarten starken Personalabbau und rückläufige Personalausgaben gekennzeichnet. Hierfür war erneut vor allem die Entwicklung in den Kindertageseinrichtungen maßgeblich.
In den kommunalen Verwaltungshaushalten der neuen Länder waren 1996 auch die laufenden Sachausgaben leicht rückläufig. Zudem konnten die Ausgaben für soziale Leistungen aus den gleichen Gründen wie in den alten Ländern unter das Niveau von 1996 abgesenkt werden. Dagegen mußten aufgrund des starken Schuldenwachstums in den Vorjahren die Mittel der ostdeutschen Kommunen für Zinsausgaben erheblich aufgestockt werden. Dennoch waren die gesamten Ausgaben in den kommunalen Verwaltungshauhalten 1996 in den neuen Ländern geringer als 1995. Da allerdings die laufenden Einnahmen noch stärker rückläufig waren, hat sich im vergangenen Jahr die Finanzlage in den Verwaltungshaushalten der ostdeutschen Kommunen deutlich verschlechtert.
Rückläufige Eigenmittel und die nach dem starken Schuldenwachstum der ersten Jahre dringend notwendige Reduzierung der Nettokreditaufnahmen waren 1996 - wie erwartet - die Hauptursachen für den starken Rückgang der kommunalen Investitionen in den neuen Ländern.
Ausblick auf 1997
Auch 1997 bleiben die ostdeutschen Kommunen steuerschwach und damit in hohem Maße abhängig von staatlichen Zuweisungen.
Nach den Finanzausgleichsplänen der Länder müssen die ostdeutschen Kommunen 1997 mit weiteren Zuweisungseinbußen rechnen. Besonders gravierend sind mit -6,5 % die Einschnitte bei den Zuweisungen zu den ostdeutschen Verwaltungshaushalten. Bei den investiven Zuweisungen wird lediglich das Vorjahresniveau gehalten. Alles in allem fahren die ostdeutschen Länder ihre Finanzausgleichsleistungen 1997 um fast 5 % zurück. Diese Minustendenzen in den aktuellen Finanzaus-gleichsplanungen, die nicht annähernd durch Aufwärtstendenzen bei Steuern oder anderen Einnahmen kompensiert werden, zeigen einmal mehr, daß die neuen Länder ihrer besonderen Finanzausgleichspflicht völlig unzureichend gerecht werden.
Bei beiden Hauptsteuerquellen kann aber 1997 wieder mit positiven Entwicklungen gerechnet werden. Positiv wäre für die Städte und Gemeinden in den neuen Ländern auch eine Entscheidung für den Ersatz der Gewerbekapitalsteuer durch einen unmittelbaren gemeindlichen Umsatzsteueranteil im Sinne der Entschließung des Gesamtvorstandes der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände vom 28.11.1996 gewesen. Im Zusammenhang mit dem Vermittlungsverfahren zum Jahressteuergesetz 1997 ist eine Entscheidung hierüber aber erneut verschoben worden. Wenn in den nächsten Wochen kein Konsens mehr für einen gemeindlichen Umsatzsteueranteil erzielt werden sollte, können die ostdeutschen Städte und Gemeinden angesichts der weitgehend fehlenden Vorbereitungen der Ländersteuerverwaltungen für die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern in diesem Jahr wohl kaum noch mit nennenswerten Einnahmen aus Vorauszahlungen für die Gewerbekapitalsteuer rechnen. Damit blieben die Gewerbesteuereinnahmen der ostdeutschen Städte und Gemeinden auch 1997 je Einwohner bei gut einem Viertel des Westniveaus.
Auch bei den Einnahmen aus dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer können die ostdeutschen Städte und Gemeinden 1997 nicht mit einer Verbesserung ihrer Position gegenüber den alten Ländern rechnen. Bei dem erwarteten schwachen Wachstum dieser Steuerquelle bleiben diese Einnahmen ebenso wie die gesamten Steuereinnahmen der ostdeutschen Städte und Gemeinden 1997 bei gut 35 % des Westniveaus.
Auch im Jahre 1997 werden die ostdeutschen Kommunen weitere Gebühreneinrichtungen verselbständigen. Dies wird nach den Meldungen aus ostdeutschen Kommunalhaushalten zu einem deutlichen Minus der Gebühreneinnahmen führen. Bei einer fiktiven Hinzurechnung der "verselbständigten" Gebühreneinnahmen würde sich wieder ein schwacher kostenbedingter Zuwachs von +1 % ergeben.
Auch für 1997 lassen die vorliegenden Haushaltsplanzahlen der ostdeutschen Kommunen einen weiteren Personalabbau und damit erneut deutlich rückläufige Personalausgaben erwarten. Für die laufenden Sachausgaben zeichnet sich in diesem Jahr eine geringfügige Zunahme, für die sozialen Leistungen insbesondere infolge der erstmaligen vollen Wirksamkeit der stationären Hilfen der Pflegeversicherung eine Begrenzung auf das Niveau von 1996 ab. Dagegen werden die Zinsausgaben erneut mit einer zweistelligen Rate wachsen, allerdings aufgrund des verlangsamten Tempos der Neuverschuldung nicht mehr so stark wie in den Jahren zuvor. Insgesamt ist in den Verwaltungshaushalten der ostdeutschen Kommunen auch 1997 mit einer leichten Reduzierung der Ausgaben, aber aufgrund der Zuweisungskürzungen der neuen Länder mit einem deutlich stärkeren Einnahmenrückgang zu rechnen. Dies führt zu einer weiteren Verschlechterung der Finanzlage der ostdeutschen Kommunen in ihren Verwaltungshaushalten.
Verschlechterte Eigenfinanzierungsmittel, begrenzte Verschuldungsmöglichkeiten und stagnierende Investitionszuweisungen lassen auch in diesem Jahr den unter Bedarfsgesichtspunkten dringend gebotenen Wiederanstieg der kommunalen Investitionen in den neuen Ländern nicht zu. Vielmehr muß auch in den ostdeutschen Kommunen 1997 mit einem weiteren Investitionsrückgang gerechnet werden, so daß auch hier seit 1992 ein kontinuierlicher Investitionsverfall von 18,7 auf 13,7 Mrd DM zu konstatieren ist. Auch dies ist in 5 Jahren ein Rückgang um nominal über 25 %.
Az.: V/3-900-04