Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft

StGB NRW-Mitteilung 85/1996 vom 20.02.1996

Aktuelle Finanzlage der Kommunen in den alten und in den neuen Bundesländern

Wie in den Vorjahren haben die kommunalen Spitzenverbände den voraussichtlichen Abschluß des kommunalen Gesamthaushalts des abgelaufenen Jahres ermittelt und eine Prognose für die Haushaltsentwicklung im neuen Jahr erarbeitet. Wegen der nach wie vor erheblichen Unterschiede zwischen den Kommunalfinanzen in den alten und den neuen Ländern ist für 1995 und 1996 - und wohl auch noch in den nächsten Jahren - wieder eine getrennte Darstellung der kommunalen Finanzlage in Ost und West erforderlich.

Im vergangenen Jahr waren die Einnahmen in den westdeutschen Kommunalhaushalten um 1,3 % geringer als 1994, insbesondere aufgrund erheblicher Steuerausfälle. Durch die Fortsetzung ihres strikten Sparkurses haben die westdeutschen Kommunen ihr Ausgabenwachstum 1995 auf + 0,9 % begrenzt, obwohl die Ausgaben für die sozialen Leistungen erneut durchschnittlich gewachsen sind (+ 6 %). Angesichts des Einnahmenrückgangs war jedoch ein Anstieg des kommunalen Finanzierungsdefizits in den alten Ländern um rd. 5 Mrd DM auf das Rekordniveau von 10,4 Mrd DM unvermeidlich. 1996 können die westdeutschen Kommunen nur mit einem schwachen Einnahmenwachstum von 1 % rechnen. Die für 1996 geplanten Ausgaben sind aber sogar geringer als 1995. Trotz der schwachen Einnahmenentwicklung könnten die westdeutschen Kommunen damit in diesem Jahr ihr Finanzierungsdefizit auf 7,4 Mrd DM begrenzen.

Auch die ostdeutschen Kommunen haben ihr Ausgabenwachstum im vergangenen Jahr auf 1 % begrenzt, vor allem durch einen weiteren Personalabbau und Reduzierung ihrer Investitionsausgaben. Bei einer vorübergehenden Verbesserung der Einnahmenentwicklung konnte das kommunale Finanzierungsdefizit in den neuen Ländern 1995 auf 3 Mrd DM zurückgeführt werden. Die 1996 wieder rückläufigen Einnahmen der ostdeutschen Kommunen lassen aber in diesem Jahr trotz ebenfalls leicht rückläufiger Ausgaben einen Wiederanstieg des Finanzierungsdefizits erwarten.

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I. Finanzlage der Kommunen in den alten Ländern

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  • Rückblick auf 1995

    Faktum ist, daß sich die Finanzlage der Städte und Gemeinden in den alten Ländern 1995 noch stärker verschlechtert hat als zu Beginn des vergangenen Jahres befürchtet. Hauptursache dafür waren die Steuereinnahmen, die weit hinter den ohnehin schon schwachen Erwartungen zurückgeblieben sind. Von den massiven Korrekturen der Oktober-Steuerschätzung waren die westdeutschen Städte und Gemeinden mit einem Verlust von 4 Mrd DM allein für 1995 relativ am stärksten betroffen. Damit lagen die gemeindlichen Steuereinnahmen in den alten Ländern 1995 um über 4 % unter Vorjahresniveau. In vielen Städten und Gemeinden war der Einbruch der Steuereinnahmen noch stärker.

    Der für 1995 ursprünglich erwartete Wiederanstieg des Gewerbesteueraufkommens ist trotz der seit 1994 sehr guten Entwicklung der Unternehmensgewinne ausgeblieben.Verstärkt durch die im Solidarpakt zur Finanzierung der deutschen Einheit erhöhte Gewerbesteuerumlage hat sich der Verfall der kommunalen Gewerbesteuereinnahmen im vergangenen Jahr sogar noch beschleunigt (- 11,8 %). Damit waren die Gewerbesteuereinnahmen der westdeutschen Städte und Gemeinden insgesamt nun schon im dritten Jahr rückläufig und sind inzwischen unter das Niveau von 1989 abgesunken.

    Die in vielen Kommunen noch viel stärkeren Gewerbesteuereinbrüche der letzten Jahre und die nach wie vor völlig unzureichende Steuerkraft strukturschwacher Städte und Gemeinden beweisen erneut, wie überfällig eine Reform des Gemeindesteuersystems ist.

    Aber auch bei ihrer zweiten Hauptsteuerquelle haben die Städte und Gemeinden 1995 - wie schon 1994 - böse Überraschungen erlebt. Statt des erwarteten Wachstums um über 4 % waren die Einnahmen der westdeutschen Städte und Gemeinden aus der Lohnsteuer, der Einkommensteuer und dem Zinsabschlag im vergangenen Jahr erneut rückläufig und liegen bereits unter dem Niveau von 1992. Verantwortlich hierfür ist vor allem der beispiellose Verfall der veranlagten Einkommensteuer in den alten Ländern von fast 43 Mrd DM im Jahr 1992 auf rd. 17 Mrd DM im Jahr 1995.

    Nennenswerte Erhöhungen der Gewerbesteuerhebesätze hat es gleichwohl nicht gegeben. Häufiger und stärker sind dagegen - wie in den Jahren zuvor - die Grundsteuerhebesätze angehoben worden.

    Die Entwicklung der Gebühreneinnahmen der westdeutschen Kommunen war im Jahre 1995 deutlich geprägt durch die Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen. Durch die damit verbundene Ausgliederung dieser Einrichtungen aus den Kommunalhaushalten reduzieren sich die kommunalen Gebühreneinnahmen des Jahres 1995 und bleiben in etwa auf Vorjahresniveau. Nach Informationen aus westdeutschen Städten, Gemeinden und Kreisen beläuft sich dieser "Ausgliederungseffekt" bei den Gebühreneinnahmen auf rd. 6 %. Mit anderen Worten: Ohne Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen hätten sich die kommunalen Gebühreneinnahmen des Jahres 1995 insbesondere wegen der Kostensteigerung in den einzelnen Gebührenbereichen um 6 % erhöht.

    Die westdeutschen Länder haben bei der Zuweisungspolitik des Jahres 1995 den restriktiven Finanzausgleichskurs des Vorjahres beibehalten. Insgesamt erreichten die Zuweisungen für die kommunalen Verwaltungs- und Vermögenshaushalte noch nicht einmal das Vorjahresniveau. Den geringen Mehreinnahmen bei den laufenden Zuweisungen (+ 0,8 %) stehen wie im Vorjahr deutlich Abstriche bei den investiven Zuweisungen (- 7,7 %) gegenüber.

    Angesichts der insgesamt rückläufigen Einnahmen (- 1,3 %) und des erneut deutlich überdurchschnittlichen Wachstums der Ausgaben für soziale Leistungen (+ 6 %) mußten die Städte und Gemeinden ihre laufenden Personal- und Sachausgaben auch 1995 auf striktem Sparkurs halten. Dadurch ist eine Begrenzung des Ausgabenwachstums in den Verwaltungshaushalten der westdeutschen Kommunen auf 2,7 % gelungen.

    Bei rückläufig laufenden Einnahmen war jedoch ein Einbruch der Finanzierungsbeiträge der Verwaltungs- an die Vermögenshaushalte nicht aufzuhalten. Die Städte und Gemeinden sind immer weniger in der Lage, Defizite in ihren Verwaltungshaushalten zu vermeiden. Die Rechnungsabschlüsse der Städte und Gemeinden für 1995 werden in den kommenden Wochen neue Negativrekorde erbringen.

    Angesichts rückläufiger kommunaler Eigenmittel und reduzierter staatlicher Investitionszuweisungen war erwartungsgemäß im vergangenen Jahr mit - 6,1 % die Fortsetzung der negativen kommunalen Investitionsentwicklung der Jahre 1993 (- 4,1 %) und 1994 (- 7,4 %) unvermeidlich.
  • Ausblick auf 1996

    Weder die konjunkturellen Perspektiven, noch das Verhalten von Bund und Ländern lassen für 1996 eine spürbare Entspannung der kommunalen Finanzlage erwarten. Vielmehr müssen die Städte und Gemeinden wachsende Belastungen und Steuerausfälle infolge bundesgesetzlicher Entscheidungen verkraften.

    Vor allem die dauerhaften zusätzlichen Betriebskosten von jährlich über 4 Mrd DM infolge des Rechtsanspruchs auf einen Kindergartenplatz stellen die Kommunen - neben den notwendigen Investitionen von über 20 Mrd DM - vor eine finanzielle Belastungsprobe, die ohne schmerzliche Einschnitte in andere kommunale Leistungen, auch im Jugendhilfebereich, nicht zu bestehen ist.

    Zudem müssen die Städte und Gemeinden nach wie vor befürchten, daß sich der Bund zu Lasten der kommunalen Sozialhilfeetats durch Kürzungen bei der Arbeitslosenhilfe von einem Teil seiner finanziellen Verantwortung für die Arbeitslosen befreit.

    Die letzte Steuerschätzung signalisierte - auf stark reduziertem Niveau - für 1996 einen leichten Wiederanstieg der gemeindlichen Steuereinnahmen in den alten Ländern (+ 0,8 %). Nach den jüngsten Korrekturen der Konjunkturprognosen und den Ankündigungen des Bundesfinanzministers ist dies aber eher eine Hoffnung als eine gesicherte Erwartung.

    Risiken birgt insbesondere die Gewerbesteuerschätzung, bei der die dynamische Entwicklung der Unternehmensgewinne seit 1994 für 1996 erstmals wieder eine positive Aufkommensentwicklung erwarten ließ.

    Über 21 % des Gewerbesteueraufkommens (1996 fast 9 Mrd DM) müssen die westdeutschen Städte und Gemeinden als Gewerbesteuerumlage an Bund und Länder abführen, davon - ausschließlich an die Länder - 1,3 Mrd DM für den Fonds Deutsche Einheit und 3,3 Mrd DM als Solidarpakt-Finanzierungsbeitrag. Da sich die Solidarpaktlasten der alten Länder inzwischen stark reduziert haben, müssen daraus dringend die notwendigen Konsequenzen für die kommunalen Finanzierungsbeiträge gezogen werden, insbesondere durch eine starke Absenkung der zur Mitfinanzierung des Solidarpakts erhöhten Gewerbesteuerumlage an die Länder. Diese an die Ministerpräsidenten und den Bundesfinanzminister gerichtete Forderung der kommunalen Spitzenverbände ist bisher allerdings von Länderseite ohne Resonanz geblieben. Der Bundesfinanzminister verweist auf die Länder.

    Infolge des Jahressteuergesetzes 1996 auf jeden Fall rückläufig sind in diesem Jahr die Einnahmen der Städte und Gemeinden aus ihrem Anteil an der Einkommensteuer. Neben der einkommensteuerlichen Freistellung des Existenzminimums beruht dies insbesondere auf der Neuregelung des Familienleistungsausgleichs.

    Bund und Länder haben sich für eine Lösung entschieden, die den Städten und Gemeinden bei ihrem Einkommensteueranteil jährlich Steuereinnahmen von über 4 Mrd DM entzieht, ihnen aber den geforderten unmittelbaren steuerlichen Ausgleich durch Erhöhung des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer verweigert. Die Länder haben vielmehr für sich und ihre Gemeinden einen Ausgleich durch Anhebung ihres Umsatzsteueranteils erhalten. In welchem Umfang und in welcher Form die unmittelbaren Steuerverluste der Städte und Gemeinden aus den erhöhten Umsatzsteuermitteln der Länder abgedeckt werden, liegt in der Hand der einzelnen Länder.

    Die Städte und Gemeinden erhalten also anstelle eigener Steuereinnahmen Landeszuweisungen, deren Höhe und Verteilung Jahr für Jahr von den Entscheidungen der Länder abhängig ist. Für 1996 haben sich die meisten Länder entschieden, ihre Städte und Gemeinden in einer dem Gemeindeanteil an der Einkommensteuer ähnlichen Form an ihren erhöhten Umsatzsteuermitteln zu beteiligen. Aber schon in diesem Jahr gibt es einige Länder, die einen Teil der den Städten und Gemeinden zustehenden Ausgleichsmittel für den Landeshaushalt abzweigen.

    Auch im Jahre 1996 ist mit weiten Ausgliederungen von Gebühreneinrichtungen zu rechnen. Infolge der weiteren Verselbständigung von Gebührenhaushalten werden die Gebühreneinnahmen 1996 in den Kommunalhaushalten nicht einmal das Vorjahresniveau erreichen (etwa - 1 %). Der Ausgliederungseffekt für das Jahr 1996 ist nach unserer Umfrage wiederum mit 6 % anzusetzen. Ohne Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen würden sich die kommunalen Gebühreneinnahmen des Jahres 1996 also um - wie im Vorjahr primär kostenbedingt - 5 % erhöhen.

    Die Zuweisungsentwicklung im Jahre 1996 muß vor dem Hintergrund interpretiert werden, daß im Zuge der Regionalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs und der Neufassung des Familienleistungsausgleichs der Bund den Ländern zusätzliche Finanzmittel zur Weiterleitung an die gemeindlichen Haushalte zur Verfügung gestellt hat. Diesen zusätzlichen Zuweisungen stehen korrespondierende Mehrausgaben im ÖPNV bzw. Mindereinnahmen beim gemeindlichen Einkommensteueranteil gegenüber. Die Zuweisungsentwicklung wird durch diese Transfers insofern überzeichnet.

    Unter Berücksichtigung dieser Sonderfaktoren reduziert sich der nominelle Zuwachs der laufenden Zuweisungen im Jahre 1996 in Höhe vn 4,6 % auf lediglich + 1 %. Zieht man zusätzlich die aktuellen Landesplanungen für die investiven Zuweisungen mit ins Kalkül, so wird deutlich, daß die Länder ihren restriktiven Zuweisungskurs aus den Vorjahren beibehalten und die Krise ihre eigenen Etats auf die Kommunen weiterwälzen wollen.

    Selbst wenn keine weiteren konjunkturbedingten Abstriche gemacht werden müssen, werden die Einnahmen in den westdeutschen Kommunalhaushalten 1996 nur um 1 % zunehmen. Über Einnahmeerhöhungsspielräume zur Haushaltskonsolidierung verfügen die Städte und Gemeinden nach wie vor praktisch nicht. Deshalb müssen die Städte und Gemeinden ihren scharfen Konsolidierungskurs auf der Ausgabenseite ihrer Etats konsequent fortsetzen. So lassen die vorliegenden Haushaltsplanungen für die Gesamtheit aller westdeutschen Kommunen eine Begrenzung des Ausgabenwachstums auf 1,1 % bei den Personalausgaben und 0,5 % bei den laufenden Sachausgaben erwarten.

    Ohne weitere Einschnitte in die kommunalen Leistungen ist dies auch 1996 nicht erreichbar. Da Kommunen in weiten Teilen ihrer Aufgabenerfüllung durch bundes- und landesrechtliche Leistungsverpflichtungen und Standards gebunden sind, gerät die Haushaltskonsolidierung in den Städten und Gemeinden in eine immer stärkere Schieflage zu Lasten freiwilliger Aufgaben. Besonders die strukturschwachen Städte und Gemeinden, die schon in der Vergangenheit zur Ausschöpfung aller Konsolidierungsspielräume gezwungen waren, stehen vor unlösbaren Problemen.

    Die Sozialhilfe hat sich in den vergangenen Jahrzehnten insbesondere in den Städten und Gemeinden zum Sprengsatz entwickelt. 1996 hoffen die Städte und Gemeinden auf eine abgeschwächte Dynamik ihrer Sozialhilfebelastungen durch die in der zweiten Jahreshälfte in Kraft tretenden stationären Hilfen zur Pflegeversicherung. Die Entlastungen der Sozialhilfeetats durch die Pflegeversicherung werden allerdings nicht annähernd die vom Bund erwarteten Größenordnungen erreichen. Nach der erstmaligen vollen Wirksamkeit der Pflegeversicherungsleistungen im Jahr 1997 werden die Sozialhilfelasten der Städte und Gemeinden vielmehr mittel- und langfristig noch dynamischer wachsen als bisher. Nach den vorliegenden Haushaltsplanungen der Städte, Gemeinden und Kreise ist für das Jahr 1996 mit einem verlangsamten Wachstum der sozialen Leistungen der Kommunen um + 3 ½ % zu rechnen.

    Trotz des weiter reduzierten Ausgabenzuwachses und des erhofften leichten Wiederanstiegs der Einnahmen in den Verwaltungshaushalten der westdeutschen Kommunen bleibt der Beitrag der Verwaltungshaushalte zur Finanzierung der Vermögenshaushalte auch 1996 auf Tiefstniveau. In vielen Städten und Gemeinden muß auch in diesem Jahr von hohen Defiziten in den Verwaltungshaushalten ausgegangen werden.

    Unvermeidlich ist unter diesen Vorzeichen eine weitere Reduzierung der kommunalen Investitionsausgaben (- 5,6 %). Durch den kontinuierlichen Rückgang seit 1992 um über 20 % werden sie 1996 bereits unter dem Niveau von 1989 liegen. Real, d. h. um Baupreissteigerungen bereinigt, ist der zwangsläufige Einbruch der kommunalen Bauinvestitionen noch ausgeprägter.

    Insgesamt bleiben die für 1996 zu erwartenden Ausgaben in den westdeutschen Kommunalhaushalten sogar geringfügig unter dem Niveau von 1995. Nur dadurch ist es möglich, daß die westdeutschen Kommunen trotz einer Einnahmesteigerung von nur 1 % 1996 ihr Finanzierungsdefizit voraussichtlich auf 7,6 Mrd DM zurückführen werden.

II. Finanzlage der Kommunen in den neuen Ländern

  • Rückblick auf 1995

    Die kommunalen Finanzen in den neuen Ländern waren 1995 ebenfalls geprägt durch einen konsequenten Konsolidierungskurs auf der Ausgabenseite ihrer Haushalte. So ist es nochmals zu einem deutlichen Personalabbau gekommen, der vor einem Jahr - nach dem starken Personalabbau der Jahre 1991 bis 1994 - so nicht erwartet werden konnte. Dadurch ist es den ostdeutschen Kommunen 1995 nochmals gelungen, trotz der Tariferhöhungen und der weiteren schrittweisen Anpassungen der Tarife bis auf inzwischen 84 % des Westniveaus ihre Personalausgaben um 1,5 % zu reduzieren. Auch der laufende Sachaufwand weist mit einem Zuwachs von nur 1,5 % deutliche Bremsspuren auf.

    Dagegen sind die sozialen Leistungen der ostdeutschen Kommunen im vergangenen Jahr sprunghaft gewachsen und haben inzwischen etwa drei Viertel des Westniveaus erreicht. Auch die Zinsausgaben in den ostdeutschen Kommunalhaushalten sind aufgrund des hohen Verschuldungstempos der Vorjahre stark gewachsen.

    Dagegen haben die ostdeutschen Kommunen ihre Investitionsausgaben im vergangenen Jahr deutlich reduziert (- 10 %). Hier vollzieht sich eine notwendige Korrektur der Finanzierungsstruktur der kommunalen Investitionen in den neuen Ländern aufgrund zu geringer Eigenmittel und eines in den Vorjahren vielfach zu schnellen Schuldenwachstums. Auch in den neuen Ländern zeigt sich, daß eine erfolgreiche Begrenzung des Ausgabenwachstums aufgrund der besonderen Strukturen kommunaler Ausgaben, insbesondere wegen der Dynamik der Sozialhilfe, nicht ohne Reduzierung der Investitionen möglich ist, selbst wenn die laufenden Personal- und Sachausgaben eingefroren und gar reduziert werden.

    Die Entwicklung der Steuereinnahmen in den ostdeutschen Städten und Gemeinden war im vergangenen Jahr durch Lohnsteuernachzahlungen aus den alten Ländern überhöht. Das Steuerplus von 14,3 % ist also ein Einmaleffekt mit der Folge eines deutlichen Rückgangs der Steuereinnahmen im Jahr 1996.

    Bei der Gewerbesteuer in den neuen Ländern war das 1994er Niveau durch einen einmaligen Sondereffekt überhöht, so daß es hier bereits 1995 zu einer Normalisierung auf reduziertem Niveau gekommen ist. Je Einwohner lag das Gewerbesteueraufkommen in den neuen Ländern im vergangenen Jahr unter einem Viertel des Westniveaus.

    Die ostdeutschen Länder haben 1995 ihre erheblichen Mehreinnahmen aus der Neuordnung des bundesstaatlichen Finanzausgleichs primär zur Konsolidierung ihrer eigenen Etats eingesetzt. Trotz der unbestreitbaren Gewinne aus dem Solidarpakt haben sich die Länder gegenüber ihren Kommunen eher unsolidarisch verhalten und ihre laufenden Transfers an die kommunalen Verwaltungshaushalte, die für die ostdeutschen Städte und Gemeinden wegen ihrer Steuerschwäche von zentraler Bedeutung sind, lediglich um rd. 3 % erhöht. Trotz eindringlicher Appelle der Kommunen in Ost und West räumten die ostdeutschen Länder ihren eigenen Finanzproblemen einen höheren Stellenwert ein als dem Aufbau einer funktionierenden Kommunalverwaltung und einer leistungsfähigen kommunalen Infrastruktur.

    Das Wachstum der investiven Zuweisungen im Jahr 1995 (+ 14 %) ist lediglich eine Konsequenz des so nicht erwarteten Einbruchs dieser Zuweisungen im Jahr 1994 um über ein Viertel (- 26,7 %). Obwohl die neuen Länder durch den Solidarpakt seit 1995 vom Bund Finanzhilfen für Investitionen von jährlich 6,6 Mrd DM erhalten, bleiben die investiven Zuweisungen an die Kommunen als Hauptträger öffentlicher Investitionen 1995 nicht nur hinter unseren ohnehin gedämpften Erwartungen zu Beginn des vergangenen Jahres zurück, sondern auch weit unter dem jährlichen Zuweisungsniveau der Jahre 1991 bis 1993.

    Bei der Analyse und Prognose der kommunalen Gebührenentwicklung in den neuen Ländern war schon in den letzten Jahren zu berücksichtigen, daß gewichtige Gebührenbereiche wie z. B. der Wasserwirtschaft außerhalb der kommunalen Etats abgerechnet werden. Wegen dieser Ausgangslage läuft der weitere Ausgliederungsprozeß bei Gebührenhaushalten mit einer im Vergleich zu den westdeutschen Kommunen geringeren Dynamik ab. Infolge der Verselbständigung von Gebühreneinrichtungen gibt es in den ostdeutschen Kommunalhaushalten nur einen schwachen Anstieg der Gebühreneinnahmen (+ 2,4 %). Bei einer Hinzurechnung von "ausgegliederten" Gebühreneinnahmen würde sich 1995 eine "normale", d. h. primär kostenbedingte Zuwachsrate von 5,5 % ergeben.

    Insgesamt haben die Sondereffekte beim Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und das Wachstum der staatlichen Investitionszuweisungen dazu beigetragen, daß die kommunalen Einnahmen in den neuen Ländern 1995 vorübergehend um 6,9 % gewachsen sind. Damit konnte angesichts des auf 1,1 % begrenzten Ausgabenwachstums das kommunale Finanzierungsdefizit in den neuen Ländern auf 3 Mrd DM reduziert werden.
  • Ausblick auf 1996

    Im Jahr 1996 verschlechtert sich die Finanzlage der ostdeutschen Städte und Gemeinden durch wieder rückläufige Einnahmen erheblich. Der Rückgang der Steuereinnahmen um über 10 % resultiert aus der "Normalisierung" des Gemeindeanteils an der Einkommensteuer nach dem einmaligen Sondereffekt des Jahres 1995. Je Einwohner fallen die Einnahmen aus dieser Steuerquelle in den neuen Ländern auf unter 40 % des Westniveaus zurück.

    Die Gewerbesteuerschätzung für die neuen Länder mußte gegenüber der letzten Steuerschätzung stark nach unten korrigiert werden, da sich Bund und Länder darauf verständigt haben, die Erhebung der Gewerbekapitalsteuer in den neuen Ländern um ein weiteres Jahr auszusetzen. Erneut wird den Städten und Gemeinden für die ihnen dadurch vorenthaltenen Einnahmen der vom Deutschen Städte- und Gemeindebund immer wieder geforderte Ausgleich versagt. Dadurch bleiben die Gewerbesteuereinnahmen der ostdeutschen Städte und Gemeinden je Einwohner auch 1996 unter 30 % des Westniveaus, selbst wenn das erwartete Wachstum der Gewerbeertragsteuer eintreten sollte.

    Auch im Jahr 1996 werden die ostdeutschen Kommunen weitere Gebühreneinrichtungen verselbständigen. Es kommt wiederum zu einem lediglich schwachen Zuwachs bei den Gebühreneinnahmen von + 2 %. Bei einer fiktiven Hinzurechnung der "verselbständigten" Gebühreneinnahmen würde sich wieder eine "normale", d. h. kostenbedingte Zuwachsrate von 5 % ergeben.

    Die Zuweisungsplanungen der ostdeutschen Länder für 1996 signalisieren keinesfalls eine Trendwende in der restriktiven Finanzausgleichspolitik. Die laufenden Zuweisungen werden 1996 vielmehr um mehr als 4 % zurückgefahren, die investiven Zuweisungen sollen auf Vorjahresniveau festgeschrieben werden. Die Minustendenzen in den aktuellen Finanzausgleichsplanungen der ostdeutschen Länder bleiben auch unter Berücksichtigung der - bei den Zuweisungen der alten Länder genannten - Sonderfaktoren bestehen.

    Der sich abzeichnende Rückgang der Einnahmen der Verwaltungshaushalte (- 3,9 %) und der gesamten Einnahmen in den ostdeutschen Kommunalhaushalten (- 3,2 %) sowie die erneut deutlich wachsenden Ausgaben für soziale Leistungen (+ 8,9 %) und Zinsen (+ 13,3 %) zwingen die Städte und Gemeinden in den neuen Ländern auch 1996 zu einem restriktiven Kurs bei ihren laufenden Personal- und Sachausgaben. Nach den vorliegenden Planzahlen haben sie für 1996 erneut geringere Personalausgaben als 1995 in ihren Haushalten veranschlagt. Dies setzt eine Fortsetzung des Personalabbaus voraus. Das veranschlagte Wachstum des laufenden Sachaufwandes liegt bei durchschnittlich knapp 1 %. Dennoch verschlechtert sich die ohnehin schwache Finanzlage in den Verwaltungshaushalten der ostdeutschen Kommunen 1996 deutlich.

    Damit stehen noch geringere Eigenmittel zur Investitionsfinanzierung zur Verfügung als in den Vorjahren. Die derzeitigen Zuweisungsplanungen der neuen Länder lassen eine Kompensation durch Aufstockung der Investitionszuweisungen nicht erwarten. Mit einer Rückkehr zu hohen Kreditaufnahmen, wie sie in den Jahren 1991 bis 1993 unter den Vorzeichen subventionierter Kreditprogramme erfolgt sind, ist ebenfalls nicht zu rechnen. So ist in diesem Jahr eine weitere Reduzierung der Investitionsausgaben (- 7 %) die unter Bedarfsgesichtspunkten bedauerliche, aber bei fehlendem Wachstum der staatlichen Zuweisungen zwangsläufige Konsequenz. Dennoch werden die kommunalen Bauausgaben in den neuen Ländern auch 1996 je Einwohner doppelt so hoch sein wie in den westdeutschen Kommunen

    Damit zeichnet sich auch für die gesamten kommunalen Ausgaben in den neuen Ländern 1996 ein leichter Rückgang ab. Bei noch stärkerem Rückgang der gesamten Einnahmen fällt gleichwohl das kommunale Finanzierungsdefizit in den neuen Ländern 1996 wieder höher als 1995 aus (4,3 Mrd DM).

    Nach wie vor warten die Städte und Gemeinden in den neuen Ländern auf eine Lösung für die sog. Altschulden der gesellschaftlichen Einrichtungen. Die Verhandlungen über einen Kompromiß, der eine Lastenteilung auf den Bund einerseits sowie die neuen Länder und ihre Gemeinden andererseits vorsah, konnten noch nicht zu einem einvernehmlichen Abschluß geführt werden.

Az.: V/3-900-04

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