Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 377/2007 vom 03.05.2007

Amtshaftung und Mitverschulden des Bauherrn

Mit Urteil vom 11.01.2007 hat der BGH entschieden, dass das Mitverschulden eines Bauherrn zu verneinen ist, wenn die Behörde diesem keine Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hat und der Bauherr es unterlassen hat, die Bauaufsichtsbehörde nach Rücknahme einer bestandskräftigen Baugenehmigung auf ihm günstige Stellungnahmen der übergeordneten Behörde hinzuweisen (Quelle: IBR 2007, S. 219).

Problem/Sachverhalt

Der beklagte Landkreis erteilt der Bauherrin Baugenehmigungen für die Errichtung von Photovoltaikmodulträgern für Windkraftanlagen. Daneben liegt der Bauherrin eine Stellungnahme der übergeordneten Behörde vor, wonach die geplanten Module keiner Genehmigung gemäß § 16 BImSchG bedürfen. Wenige Tage vor Baubeginn hebt der Landkreis die Baugenehmigung für die Errichtung der Photovoltaikmodulträger mit der Begründung auf, es handle sich hierbei um eine nach dem Immissionsschutzrecht genehmigungsbedürftige Anlage. Daraufhin erklärt die bauausführende Firma ihren Rücktritt vom Werkvertrag mit der Bauherrin und erhält von dieser einen vereinbarten pauschalen Schadensersatz von 10.000 Euro. Die Bauherrin begehrt nunmehr vom Landkreis im Rahmen eines Amtshaftungsprozesses die Bezahlung der 10.000 Euro. Das Berufungsgericht gibt der Klage nur zur Hälfte in Höhe von 5.000 Euro statt. Das OLG nimmt ein hälftiges Mitverschulden an, da die Bauherrin den Landkreis nicht rechtzeitig auf die anders lautende, positive Feststellung der Oberbehörde hingewiesen habe.

Entscheidung

Der BGH gibt der Bauherrin vollständig Recht und verurteilt den Landkreis zur Zahlung der gesamten Schadenssumme von 10.000 Euro. Der BGH anerkennt zwar in aller Regel eine Obliegenheitspflicht des Staatsbürgers, die Verwaltungsbehörde über anders lautende rechtliche Aussagen einer übergeordneten Dienststelle aufzuklären, um im Vorhinein das Zustandekommen einer materiell unrichtigen Entscheidung zu verhindern. Im vorliegenden Fall ist jedoch davon auszugehen, dass der Rücknahmebescheid eine Überraschungsentscheidung war, wobei der Bauherrin hier keinerlei Überlegungsfrist zugebilligt wurde und diese nicht einmal, wie es gemäß § 28 Abs. 1 VwVfG geboten gewesen wäre, angehört wurde. Hierbei hatte der Landkreis selber seine Chance verspielt, von der Bauherrin bereits im Vorfeld unter Mitteilung der richtigen Rechtsauffassung zu einer richtigen Entscheidung bewegt zu werden.

Praxishinweis

Grundsätzlich darf nach der Entscheidung des BGH der Staatsbürger auf den richtigen Rat und die Hilfestellung der staatlichen Behörden vertrauen, ebenso ist er aber auch aufgerufen, im Interesse eines gedeihlichen Zusammenlebens im Rahmen des Zumutbaren das Seine zur Vermeidung von Schwierigkeiten und zur Abwendung von Fehlentscheidungen beizutragen. Allerdings muss der Staatsbürger hierzu
überhaupt auch Gelegenheit haben, um seine Positionen zu überlegen und geordnet vorzubringen. Wird ihm diese Möglichkeit nicht eingeräumt, kann ihm auch kein Mitverschuldensanteil angerechnet werden. Für das Mitverschulden und die Ursächlichkeit bei der Entstehung des Schadens ist hier der beklagte Landkreis vollständig darlegungs- und beweispflichtig; ein solcher Beweis ist dem Landkreis nicht gelungen.

Az.: II/1 620-00

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