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Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 392/2012 vom 24.07.2012
Anforderungen an zweistufiges Verfahren bei Rekommunalisierung
Nach dem Beschluss der Vergabekammer Münster vom 08.06.2012 - Az. VK 6/12 - dürfen bei der Suche nach einem strategischen Partner zur Gründung einer gemeinsamen Netz- bzw. Netzbetreibergesellschaft keine Zuschlagskriterien verwendet werden, welche eine Verknüpfung zu der späteren Ausschreibung der Stromnetzkonzession aufweisen.
Der (nicht rechtskräftigen) Entscheidung der Vergabekammer lag ein Sachverhalt zugrunde, der die Rekommunalisierung von Strom- und Gasnetzen in einem so genannten zweistufigen Verfahren vorsah. In einer ersten Stufe sollte ein strategischer Partner gefunden werden, mit dem mehrere Kommunen (jeweils über eine kommunale GmbH) eine Netzgesellschaft in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG gründen. Nach Erwerb der Netze, die bislang im Eigentum von zwei Energieversorgungsunternehmen stehen, sollen diese an die gemeinsame, zu diesem Zweck gegründete Netzgesellschaft GmbH & Co. KG verpachtet werden, so dass der Betrieb der Netze im Wege der interkommunalen Zusammenarbeit erfolgen kann.
Die auslaufenden Konzessionsverträge sollen nach § 46 EnWG ausgeschrieben und vergeben werden, wobei die Kommunen davon ausgehen, dass die neu gegründete gemeinsame Netzgesellschaft GmbH & Co. KG die Wegenutzungsrechte erhält. Für die Auswahl des besten strategischen Partners sind insgesamt drei Zuschlagskriterien bestimmt worden, darunter u. a. die „Rendite des Gesamtprojekts (Wirtschaftlichkeit)“, die mit 18 Prozent gewichtet war. Hierzu hatten die Auftraggeber in den Verhandlungsgesprächen dargelegt, dass die für die Rendite des Gesamtprojekts gemachten Zusicherungen und Garantien sich an den Grenzen des § 3 KAV zu richten hätten. Eine Bieterin, welche zugleich eine der ursprünglichen Eigentümer der Netze ist, kam in der Ausschreibung nicht zum Zuge und wehrte sich hiergegen im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens vor der Vergabekammer.
Die Durchführung des zweistufigen Verfahrens ist die Reaktion der Praxis auf die kritische Haltung des Bundeskartellamtes hinsichtlich der Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessionen an kommunale Gesellschaften (vgl. dazu den Gemeinsamen Leitfaden von Bundeskartellamt und Bundesnetzagentur zur Vergabe von Strom- und Gaskonzessionen und zum Wechsel des Konzessionsnehmers — StGB NRW-Mitteilung 15/2011 vom 04.01.2011). Um einen solchen Verstoß zu vermeiden, ist vorliegend die Stromnetzkonzession nicht an eine gemeinsame (gemischtwirtschaftliche) Netzgesellschaft vergeben, sondern diese gem. § 46 in einem separaten, sich anschließenden Verfahren ausgeschrieben worden.
Nach Ansicht der Vergabekammer Münster ist eine „Doppelvergabe“, d. h. eine Verknüpfung beider Vergaben zulässig. Vorliegend stoppte die Vergabekammer Münster jedoch das Verfahren wegen Verstößen gegen die §§ 19 und 20 GWB sowie gegen die §§ 1 und 46 EnWG und § 3 KAV. Sie kritisierte, dass durch das Zuschlagskriterium „Rendite des Gesamtprojekts“ bereits wirtschaftliche Gesichtspunkte berücksichtigt werden mussten, die eigentlich erst im Verfahren nach § 46 EnWG zu berücksichtigen wären. Gleichzeitig sei aber darauf hingewiesen worden, dass keine Vorfestlegung für die Konzessionsvergabe stattfinden solle. Dies sei doppeldeutig und intransparent.
Zudem sei eine Verfälschung des Wettbewerbs im Verfahren nach § 46 EnWG anzunehmen, da Konkurrenten des im Streit gegenständlichen Verfahrens ausgewählten Unternehmens keine reelle Chance auf Erhalt der Konzessionen mehr hätten. Folglich hätten die Vorgaben des § 1 EnWG und § 3 auch im Streit gegenständlichen Verfahren beachtet werden müssen, was nicht vollständig geschehen sei. Die Entscheidung der Vergabekammer Münster ist für StGB NRW-Mitgliedskommunen im StGB NRW-Intranetangebot (Mitgliederbereich) unter Fachinfo & Service/Fachgebiete/Finanzen und Kommunalwirtschaft/Energiewirtschaft abrufbar.
Az.: II/3 811-00/1