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StGB NRW-Mitteilung 176/1999 vom 20.03.1999
Aufenthaltsverbote gegen Dealer
Eine im Bereich der Kriminalprävention für die Städte und Gemeinden beachtliche Entscheidung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof getroffen. In seinem Beschluss vom 12. Oktober 1998 (24 CS 98.3198) hat der VGH München die Erklärung der sofortigen Vollziehbarkeit eines 12 Monate begrenzten Aufenthaltsverbots für einen Dealer für alle in der Stadt München bekannten öffentlichen Straße, Wegen und Plätzen, die mit der Drogenszene in Verbindung gebracht werden, für rechtens erklärt. Nach Auffassung des Gerichts gefährdet der Drogenhandel die öffentliche Sicherheit und beeinträchtigt massiv die Gesundheit Dritter. Das Aufenthaltsverbot sei hier ein geeignetes Mittel, um diese Gefahren abzuwehren.
Die Stadt München hatte gegen einen bereits mehrfach im Zusammenhang mit Drogenhandel einschlägig in Erscheinung Getretenen ein Aufenthaltsverbot mit dem Inhalt verhängt, dass dem Betroffenen untersagt wurde, sich in einem Zeitraum von 12 Monaten ab Zustellung des Bescheids auf allen öffentlichen Straßen, Wegen und Plätzen in genauer bezeichneten Bereichen aufzuhalten. Der Bescheid enthielt eine Lageskizze, in der die einzelnen Bereiche schraffiert dargestellt waren. Bei diesen Örtlichkeiten handelte es sich nach polizeilichen Erkenntnissen um Bereiche, die die Angehörigen der Drogenszene für den nicht erlaubten Handel und Konsum mit Betäubungsmitteln immer wieder wechselnd aufsuchten. Nach Auffassung der erlassenden Behörde ist das verfügte Aufenthaltsverbot von 12 Monaten ein wichtiges Instrumentarium, keine offene Drogenszene in München entstehen zu lassen. Der Bescheid wurde für sofort vollziehbar erklärt. Dagegen wandte sich der Betroffene. Sein Antrag wurde jedoch letztinstanzlich vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof abgewiesen.
Dieser führte zur Begründung unter anderem aus:
"Die von der Antragsgegnerin getroffene Maßnahme verstößt auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit bzw. des Übermaßverbots, weder in zeitlicher noch in räumlicher Hinsicht, d.h. die getroffene Ermessensentscheidung steht nicht außer Verhältnis zu dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung. Aufgrund polizeilicher Erkenntnisse steht fest, daß sich in den angesprochenen Bereichen des Hauptbahnhofs, der U-Bahnhöfe Universität und Giselastraße einschließlich Leopoldpark, der Münchner Freiheit, des Ostbahnhofs und des Orleansplatzes sowie der Postwiese eine sog. Drogenszene gebildet und verfestigt hat. Wird hiergegen nicht eingeschritten, so führt dies zwangsläufig zu einer offenen Drogenszene mit ihren Folgen, die aus anderen bundesdeutschen Großstädten aus Medienberichten hinlänglich bekannt sind. Des weiteren veranschaulichten Fernsehberichte aus dem In- und Ausland deutlich die Konsequenzen, wenn einer derartigen Verfestigung tatenlos zugesehen wird. Das Bild der Drogenumschlagplätze ist geprägt von kranken und abhängigen jungen Menschen, die zum Teil am Rande der Verwahrlosung leben und deren Lebensinhalt darin besteht, für entsprechenden Nachschub zu sorgen. Neben der unmittelbaren Betroffenheit der Drogensüchtigen besteht durch das Anbieten von Drogen an Dritte weiterhin die Gefahr, daß bislang Unbeteiligte in diesen Sog geraten und sich der Kreis der Süchtigen weiter ausbreitet. Zudem ist die Gefahr nicht zu unterschätzen, daß ganze Stadtviertel hierdurch in ihrer sozialen Struktur verändert werden, weil sie zum Teil wegen des Gefahrenpotentials gemieden werden.
Die Tatsache, daß möglicherweise durch das Aufenthaltsverbot die Schauplätze verlagert werden oder sich neue Drogenumschlagplätze bilden, läßt die getroffene Maßnahme nicht als ungeeignet erscheinen. Mit dem Aufenthaltsverbot wird primär der Zweck verfolgt, einer Verfestigung der Drogenszene an stark frequentierten Punkten entgegenzuwirken und zu erreichen, daß bestimmte Anlaufpunkte, die unter den Dealern und Konsumenten bekannt sind, unpopulär sind bzw. werden. Die angefochtene Maßnahme kann jedenfalls einen Beitrag dazu leisten, den Drogenhandel zu erschweren. Eine Maßnahme ist nicht schon allein deswegen ungeeignet, weil das Grundproblem hierdurch nicht generell beseitigt werden kann. Der Antragsgegnerin geht es hier um die Verhütung rechtswidriger Taten im Drogenbereich und im Bereich der Beschaffungskriminalität sowie um die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
Die im Rahmen der Ermessensentscheidung von der Antragsgegnerin getroffene Maßnahme ist geeignet und erforderlich, den mit ihr beabsichtigten Zweck zu erreichen. Die Belange des Antragstellers wurden hierbei ausreichend berücksichtigt. Dem Antragsteller ist es unbenommen, die näher umschriebenen und gekennzeichneten Bereiche aufzusuchen und sich dort auch aufzuhalten, soweit ein Aufenthalt dort notwendig ist, z.B. weil er auf ein öffentliches Verkehrsmittel warten muß oder er ein bestimmtes Geschäft aufsuchen will. Daß derartige Verrichtungen des täglichen Lebens hiervon nicht betroffen sind, tritt in der Anordnung klar zutage.
Auch die zeitliche Befristung auf die Dauer von zwölf Monaten begegnet keinen Bedenken. Das Verhalten des Antragstellers hat in der Vergangenheit eindeutig gezeigt, daß er in den Handel mit Drogen verstrickt ist. Eine zeitliche Befristung auf drei bzw. sechs Monate erschien aus Sicht der Behörde zu Recht wenig sinnvoll und erfolgversprechend, weil er sich ohne Beschränkung innerhalb eines kürzeren zeitlichen Rahmens unbehelligt von einem Drogenumschlagplatz zum anderen bewegen könnte und ein Aufenthaltsverbot damit "Ieer" liefe.
Der Senat teilt im übrigen die Bedenken des Verwaltungsgerichts nicht, daß die Anordnung der Antragsgegnerin nicht hinreichend bestimmt sei. Mit der getroffenen Anordnung wird deutlich, daß der Antragsteller sich in den genannten Gebieten nur so weit bewegen darf, als er diese aufsuchen und durchqueren muß, um sein eigentliches Ziel zu erreichen. Mit dem Aufenthaltsverbot wird hinreichend deutlich, daß der bloße Aufenthalt im Sinne eines "Herumlungerns", um die Drogenszene zu beobachten und mögliche Kundschaft auszumachen und Geschäfte anzubahnen, untersagt ist. An die Bestimmtheit einer Maßnahme sind keine überspitzten Anforderungen zu stellen Es genügt vielmehr, daß für den Antragsteller als Adressat der Maßnahme die Regelung, die den Zweck, Sinn und Inhalt ausmacht, so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, daß er sein Verhalten danach ausrichten kann. Für den Antragsteller ist eindeutig erkennbar, daß er sich in den gekennzeichneten Gebieten außer zur Erledigung von Geschäften des täglichen Bedarfs nicht aufhalten darf. Daß es in Einzelfällen hinsichtlich der zeitlichen Verweildauer zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen kann, stellt sich als eine Frage des Vollzugs der Maßnahme dar und hat auf die Frage der Rechtmäßigkeit der getroffenen Anordnung keine Auswirkungen."
(Quelle: DStGB Aktuell 0999 vom 05.03.1999)
Az.: I/2 100-01