Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Finanzen und Kommunalwirtschaft
StGB NRW-Mitteilung 383/2015 vom 08.06.2015
BDI zu Rekommunalisierungs-Bestrebungen im Energie- und Wasserbereich
Eine Studie des Handelsblatt Research Institute im Auftrag des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hat sich kritisch mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit sich die mit Rekommunalisierungsbestrebungen im Energie- und Wasserbereich verbundenen Erwartungen und Ziele in den letzten Jahren verwirklicht haben. Darin wird die bekannte Position des BDI bestätigt, wonach die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand für die Bürger nicht die Vorteile erbringen kann wie die Privatwirtschaft. Aus kommunaler Sicht lassen die Ergebnisse der Studie zum Teil belastbare Fakten vermissen. Zudem wird sie dem heutigen Verständnis und den Erwartungen der Bürger an die Erbringung kommunaler Daseinsvorsorgeleistungen nicht gerecht. Wesentliche Inhalte und Ergebnisse der Studie:
Bewertung des Energiebereichs
- Der kommunale Stromnetzbetrieb ist ein finanzwirtschaftlicher Risikobetrieb. Jeder dritte Netzbetreiber habe 2011 oder 2012 rote Zahlen geschrieben.
- Niedrige Energiepreise für die Bürger werden eher durch private als durch kommunale Anbieter garantiert. Um eine preisgünstige Stromversorgung der Verbraucher sicherzustellen, erscheint das unternehmerische Engagement einer Kommune nicht erforderlich.
- Positive Arbeitsplatzeffekte in Kommunen sind im Saldo bisher nicht nachweisbar und auch nicht zu erwarten.
- Durch kommunales Engagement kann weder die Wettbewerbsintensität gesteigert noch durchweg Gewinne erzielt werden.
- Die kommunale Stromerzeugung mit konventionellen Kraftwerken ist unter den aktuellen politischen Rahmenbedingungen nicht rentabel. Die damit verbundenen Verluste stellen eine Gefahr für Stadtwerke und Kommunen als Eigentümer dar.
- Das Engagement von Stadtwerken im Bereich Erneuerbare Energien sei zwar möglich, aber nicht nötig und zudem mit großen Risiken verbunden.
Bewertung des Trinkwasserbereichs
- Die Kunden der öffentlichen Wasserversorger genießen einen geringeren wettbewerbspolitischen Schutz als die Kunden privater Wasserunternehmen, die der Missbrauchsaufsicht und Entgeltregulierung der Kartellbehörden unterliegen, sofern jene Gebühren erheben.
- Die Wirksamkeit der Gebührenkontrolle durch die Kommunalaufsicht ist wettbewerbspolitisch im Vergleich zur Missbrauchsaufsicht und Entgeltregulierung über Preisstrukturen kritisch zu betrachten: Selbst wenn die Kommunalaufsicht ein Preissenkungspotenzial bei kommunalen Wasserversorgern feststellen würde, fehlt ihr - im Gegensatz zu den Kartellbehörden - die Macht, die Umsetzung seiner Empfehlungen zu erzwingen. Sie sei wettbewerbspolitisch ein „zahnloser Tiger“.
- Die Ergebnisse stützten im Kern die Forderung der Monopolkommission nach einer erneuten Novellierung des GWB mit dem Ziel einer Wiedereinführung der kartellrechtlichen Gebührenaufsicht.
Die Studie gibt die bekannte Position des BDI wieder, wonach die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand für die Bürger nicht die Qualität und Effizienz erbringen kann, wie die der Privatwirtschaft. Im Einzelnen ist den in der Studie vertretenen Positionen aus kommunaler Sicht Folgendes entgegen zu setzen:
- Die Studie widerspricht den heutigen Erwartungen an die Erbringung kommunaler Daseinsvorsorgeleistungen. Vielfach sind es vor allem die Bürger, die besonderen Wert auf eine ortsnahe Ver- oder Entsorgung im Wasser-, Strom- und Gasbereich legen und die diese Strukturen mitgestalten wollen.
- Die Studie verkennt das Potenzial, das in der Rekommunalisierung steckt - so insbesondere die Auswirkungen auf den regionalen Arbeitsmarkt und die Wirtschaft. Aus der Studie geht hervor, dass unter anderem die Aussagen zu der Entwicklung von Beschäftigungseffekten nicht eindeutig zu beurteilen sei, da die zugrunde gelegten Daten des Statistischen Bundesamtes nach völlig unterschiedlichen Methoden erhoben wurden und nicht jede einzelne Kommune auf die Stichhaltigkeit dieses Arguments überprüft werden kann. Dass auf der Grundlage keine positiven Arbeitsplatzeffekte durch eine Rekommunalisierung zu erwarten ist, beruht auf einer reinen Wahrscheinlichkeitsvermutung.
- Wie auch die Bundesregierung bereits in ihrer Stellungnahme zum XIX. Hauptgutachten ausdrücklich hervorgehoben hat, unterliegen Kommunen in ihrer Entscheidung für eine Rekommunalisierung der Organisationsfreiheit. Dies wird ihnen durch den Grundsatz der kommunalen Selbstverwaltung gem. Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz garantiert. Kommunen unterliegen den Grenzen der Rechtsordnung und damit auch einer ausreichenden und sich lang bewährten Kontrolle des Wettbewerbsrechts sowie des Gemeindewirtschaftsrechts der Länder. Hierdurch wird insbesondere den ordnungs- und wettbewerbspolitischen Motiven sowohl im Bereich der Energiewirtschaft als auch der Wasserwirtschaft, ausreichend Rechnung getragen.
- Schließlich ist hervorzuheben, dass auch aus kommunaler Sicht eine Rekommunalisierung nicht die einzig richtige Lösung darstellt. Sie ist vielmehr eine Option für Kommunen, um die Ver- und Entsorgung vor Ort wieder selbst zu übernehmen. Dabei sollten alle damit verbundenen Chancen und Risiken sorgfältig mit volks- und betriebswirtschaftlichen Sachverstand abgewogen werden. Sowohl finanzielle bzw. wirtschaftliche Risiken als auch die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen dabei berücksichtigt werden.
Im Sinne der kommunalen Selbstverwaltung ist allein wichtig, dass die Verantwortlichen einer Kommune um die konkreten Handlungsalternativen wissen, eine sorgfältige, nachvollziehbare Abwägung durchführen und erst dann im Interesse ihrer Bürgerschaft eine transparente Entscheidung treffen. Dann kann bei Rekommunalisierungsprojekten eine sichere und an den Interessen der Bürger orientierte Energiever- und -entsorgung gewährleistet und zugleich ein Mehrwert für Kommunen, ihre Unternehmen und die Region generiert werden. Gerade für das Gelingen der Energiewende ist das kommunale Engagement eine zentrale Voraussetzung, die weiter gefördert werden sollte.
Az.: II/3 818-00