Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser

StGB NRW-Mitteilung 380/1997 vom 20.07.1997

Begriff überwiegende öffentliche Interessen § 13 KrW-/AbfG

Das VG Frankfurt hat in einem Beschluß vom 23.05.1997 (Az.: 9 G 1205/97) erstmalig zu dem Begriff der überwiegenden öffentlichen Interessen im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG Stellung bezogen. Gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG besteht keine Abfallüberlassungspflicht gegenüber der Stadt/Gemeinde, wenn eine gewerbliche Sammlung durchgeführt wird und der gewerbliche Sammler gegenüber der Kommune als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger den Nachweis erbringt, daß die eingesammelten Abfälle ordnungsgemäß und schadlos verwertet werden und keine überwiegenden öffentlichen Interessen der gewerblichen Sammlung entgegenstehen.

In diesem Zusammenhang hat das VG Frankfurt zu dem Begriff der überwiegenden öffentlichen Interessen in § 13 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 KrW-/AbfG ausgeführt, daß die entsorgungspflichtigen Körperschaften durch gewerbliche Abfalltätigkeiten privater Anbieter nicht in ihrem Bestand oder in ihrer Betriebswirtschaftlichkeit ernsthaft gefährdet werden sollen. Diese Rechtfertigung ergebe sich aus dem Umstand, daß den entsorgungspflichtigen Körperschaften nach dem KrW-/AbfG zumindestens eine Auffangfunktion zukomme, deren ordnungsgemäße Erfüllung aber jederzeit sichergestellt sein muß. Weiterhin führt das VG Frankfurt wörtlich aus:

"Die darin liegenden besonderen öffentlichen Interessen sind nach § 13 KrW-/AbfG jeweils Voraussetzung dafür, daß Abfallüberlassungspflichten im gewerblichen Bereich nicht entstehen. Insoweit findet die freie wirtschaftliche Betätigung ihre natürliche Grenze darin, daß die öffentliche Hand durch die entsprechenden entsorgungspflichtigen Körperschaften vom Grundsatz her jederzeit auch zukünftig in der Lage sein muß, eine ordnungsgemäße Abfallverwertung und -beseitigung sicherzustellen. Daß ist aber nur möglich, wenn entsprechende Anlagen in ausreichender Größe und angemessener betriebswirtschaftlicher Form zu vertretbaren Gebühren fortgeführt werden können. Das KrW-/AbfG will offenkundig verhindern, daß durch private Anbieter die öffentlich-rechtliche Entsorgungsstruktur so ausgehöhlt wird, daß sie nicht mehr funktionsgerecht fortgesetzt werden kann. In diesem Fall würde nämlich das öffentliche Interesse an einer jederzeit verfügbaren öffentlichen Entsorgung von Abfällen ernsthaft gefährdet".

In ähnlicher Weise hat sich auch das VG Minden in einem Beschluß vom 13. Juni 1997 (Az.: 8 L 438/97) zu dem in § 15 Abs. 1 KrW-/AbfG verankerten öffentlich-rechtlichen Entsorgungsprinzip geäußert. Das VG Minden führt aus:

"Soweit § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nach seinem Wortlaut zusätzlich verlangt, daß überwiegende öffentliche Interessen die Überlassung (der Abfälle) an den öffentlichen Entsorgungsträger erfordern, handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um keine zusätzliche Anforderung.

Der Rechtsauffassung, daß diese Voraussetzung kumulativ zur ersten zu erfüllen ist, d.h. neben dem Nichtbestehen einer eigenen Anlage für die Überlassungspflicht immer zusätzlich auch das überwiegende öffentliche Interesse an der Überlassung der Abfälle festzustellen und zu begründen ist und dies nicht allein mit dem Interesse an der Auslastung öffentlicher Entsorgungsanlagen begründet werden kann (so Fluck, a.a.O., § 13 Rdnr. 107 und 112 ff.; Bartram/Schade, a.a.O., Seiten 254), vermag sich das Gericht nicht anzuschließen.

Das Gericht geht vielmehr mit (Queitsch, Abfallbegriff und Abfallüberlassungspflicht, Städte- und Gemeinderat 1996, 330, 335; Versteyl/Wendenburg, Änderungen des Abfallrechts, NwVZ 1994, 833, 839), davon aus, daß es sich hier nach dem Willen des Gesetzgebers um eine Einschränkung der ersten Bedingung im Sinne eines "es sei denn..." - Satzes handelt, mithin eine Überlassungspflicht zwar grundsätzlich bei Vorhandensein einer eigenen Anlage entfällt, aber dann nicht, wenn überwiegende öffentliche Interessen die Überlassung erfordern.

Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichtes aus folgenden Überlegungen:

Auch nach Inkrafttreten des KrW-/AbfG soll es nach § 15 Abs. 1 Satz 1 grundsätzlich nicht nur hinsichtlich der Abfälle aus privaten Haushalten, sondern auch hinsichtlich der Beseitigung von Abfällen aus anderen Herkunftsbereichen bei der Entsorgungspflicht der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger bleiben. § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG ist deshalb als Ausnahme von diesem Grundsatz eng auszulegen. Die o.g. Rechtsauffassung, die das Nichtvorhandensein eigener Anlagen und das Vorliegen überwiegender öffentliche Interessen an der Überlassung als kumulativ zu erfüllende und von der Behörde im Einzelfall zu begründende Voraussetzungen ansieht, würde praktisch zu einer Umkehr dieser sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG ergebenden Grundentscheidung führen.

Mit der sich aus § 15 Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG ergebenden Grundentscheidung, es auch hinsichtlich der Abfälle zur Beseitigung aus den gewerblichen Herkunftsbereichen bei der Entsorgungspflicht der öffentlich-rechtlichen Körperschaften zu belassen und im übrigen Ausnahmen hiervon von der Zustimmung der öffentlichen Entsorgungsträger abhängig zu machen - vgl. § 16 Abs. 2, § 17 Abs. 3 und § 18 Abs. 2 KrW-/AbfG - hat der Gesetzgeber ersichtlich auch eine Entscheidung zugunsten der Planungssicherheit und Funktionsfähigkeit der öffentlichen Entsorgungsanlagen treffen wollen, die bei der o.g. weiten Auslegung des § 13 Abs. 1 Satz 2 KrW-/AbfG nicht mehr gegeben wäre.

Durch die entsorgungspflichtigen Körperschaften sind in der Vergangenheit Mülldeponien gerade auch im Hinblick auf das Abfallaufkommen geplant und gebaut worden, das nicht aus privaten Haushalten resultiert. Hausmüllähnliche Gewerbeabfälle aus Gewerbe und Industrie haben vielfach am Müllaufkommen einen größeren Anteil als der private Haus- und Sperrmüll (vgl. z.B. für die Deponie Pohlsche Heide im Kreis Minden-Lübbecke im Jahre 1996: 63990 t zu 38835 t).

Die grundsätzliche Freistellung aller Abfallbesitzer - mit Ausnahme der privaten Haushalte - von der Überlassungspflicht auch bei Nichtvorhandensein eigener Anlagen würde einen Mülltourismus großen Ausmaßes bewirken, der auch mit den Zielsetzungen des neuen KrW-/AbfG schwer vereinbar ist."

Az.: IV/2 31-02 qu/sb

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