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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 144/2023 vom 27.02.2023
Beirat für Waldpolitik fordert neue Lastenverteilung zwischen Waldeigentümern und Gesellschaft
Der Wissenschaftliche Beirat für Waldpolitik (WBW) hat im Rahmen der Internationalen Grünen Woche das Positionspapier „Mehr als gute fachliche Praxis“ an Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, übergeben.
Zur Bewältigung der Herausforderungen des globalen Wandels schlägt der WBV als Alternative zur Guten fachlichen Praxis (GfP) ein umfassendes Konzept für eine anpassungsfähige forstliche Governance vor. Dieses Konzept zielt auf eine neue Lastenverteilung zwischen Waldeigentümern und Gesellschaft ab und basiert auf einem breiten Instrumentenmix, um eine "Gesellschaftlich erwünschte forstliche Praxis" zu erreichen. Das Fundament bilden die zwingend erforderlichen, sanktionsbewährten rechtlichen Mindeststandards der Waldbewirtschaftung, die sich aus der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ergeben. Dazu gehören beispielsweise die Pflicht zur Walderhaltung oder das Betretungsrecht. Weitere Bestandteile des Instrumentenmixes sind, neben den klassischen ordnungsrechtlichen Instrumenten, verschiedene Förderinstrumente (bspw. zur Honorierung von Klimaschutz- oder Biodiversitätsleistungen), strukturelle Instrumente (bspw. zur Stärkung forstlicher Zusammenschlüsse), die Bereitstellung geeigneter Information inklusive der dafür erforderlichen Forschung sowie die Schaffung von Rahmenbedingungen, um Kooperationen mit und zwischen privaten Institutionen zu ermöglichen.
Der WBV lehnt eine Definition von weiteren Mindeststandards der Waldbewirtschaftung im Bundeswaldgesetz ab. Gegen eine starre, flächendeckend gültige Definition von GfP spreche unter anderem, dass sowohl die Nutzungsintensitäten der Forstbetriebe sehr heterogen seien als auch die einzelnen Ökosystemleistungen regional und lokal ganz unterschiedliche Bedeutungen besäßen. Eine gute Waldpolitik sollte daher von deutschlandweiten, pauschalen Anforderungen bzw. Nivellierungsbemühungen über die Waldbesitzarten hinweg absehen.
Es braucht nach Überzeugung des WBW als Fundament dieses Modells sanktionsbewährte rechtliche Mindeststandards der Waldbewirtschaftung. Wegen ihres notwendigerweise starren Charakters bzw. der nach aller Erfahrung nur selten vorgenommenen Evaluation und Überarbeitung in Gesetzesnovellen sollten sich diese Mindeststandards auf die wesentlichen, für die Integrität des Waldökosystems und seiner Ökosystemleistungen erforderlichen Bereiche konzentrieren, die sich aus der Gemeinwohlverpflichtung des Eigentums ergeben.
Aus Sicht des WBW sind dies:
- Walderhalt durch Genehmigungsvorbehalte für Waldumwandlungen;
- Erhalt der Waldbestockung durch Vermeidung von Kahlschlägen;
- Zugänglichkeit des Waldes für die Bevölkerung (Waldbetretungsrecht);
- Gewährleistung der Waldverjüngung durch angemessene Wildtierbestände;
- Bodenschutz: Unterlassung von Maßnahmen, die in erheblichem Maße die Bodenfruchtbarkeit mindern, der organischen Bodensubstanz schaden oder zu Bodenerosionen oder Bodenverdichtung führen;
- Wasserschutz: Aufrechterhaltung des Wasserrückhaltevermögens und der Filterwirkung des Waldes.
Alle gesellschaftlichen Erwartungen, die über diese Mindeststandards hinausgehen, sollten im Sinne einer neuen Lastenverteilung primär nicht mit ordnungsrechtlichen Instrumenten verfolgt, sondern mit finanziellen Mitteln bzw. partnerschaftlichen Ansätzen unterstützt werden. Dazu nennt der WBW die angemessene Beteiligung standortheimischer Baumarten, die Sicherung der Holzproduktion, ausreichend Alt- und Totholzanteile, den Erhalt der genetischen Vielfalt, den weitgehende Verzicht auf Pflanzenschutzmittel oder die bedarfsgerechte Walderschließung. Mit dieser Art von Instrumenten könne in der Regel deutlich flexibler nach- und gegebenenfalls auch umgesteuert werden als bei gesetzlichen Regelungen. Die programmatische Basis für dieses Vorgehen könne der Bund durch die Festlegung einer „Gesellschaftlich erwünschten forstlichen Praxis“ im Bundeswaldgesetz schaffen.
Der WBW empfiehlt der Bundesregierung, dieses Stufen-Konzept zur Erreichung der „Gesellschaftlich erwünschten forstlichen Praxis“ bei der Novellierung des Bundeswaldgesetzes zu verankern. Die Novelle des Bundeswaldgesetzes hat als zentrales Vorhaben des Koalitionsvertrages zum Ziel, ausbalancierte Regelungen zu finden, die Klima- und Naturschutz ebenso gerecht werden wie den Besonderheiten der Länder, der Waldbewirtschaftung und der Wertschöpfungskette.
Das WBW-Positionspapier „Mehr als gute fachliche Praxis“ findet sich unter www.bmel.de
Anmerkungen aus kommunaler Sicht
Die Forderungen des WBW nach einer neuen Lastenverteilung zwischen Waldeigentümern und Gesellschaft und die ausdrückliche Ablehnung von weiteren Mindeststandards der forstlichen Praxis bei der anstehenden Novelle des Bundeswaldgesetzes ist zu begrüßen. Für die Vielzahl der kommunalen Wälder vom urbanen Erholungswald bis hin zu den ländlich geprägten Wirtschaftswäldern braucht es vor dem Hintergrund der globalen Herausforderungen Gestaltungsfreiheit, Flexibilität und neuen Perspektiven auf die durch den Klimawandel geänderten Problemstellungen statt immer mehr Gesetze, Verordnungen und Vorschriften, die eine situationsabhängige und regionalspezifische Waldbewirtschaftung erschweren.
Az.: 26.1.7-001/008 gr