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Mitteilungen - Umwelt, Abfall, Abwasser
StGB NRW-Mitteilung 507/1998 vom 05.09.1998
Beiträge und Gebühren bei nicht leitungsgebundenen Abwasseranlagen
In den Mitt. NWStGB 1996 Nr. 472 hatte die Geschäftsstelle darauf hingewiesen, daß es streitig ist, ob für die Niederschlagswasserbeseitigung durch kommunale Mulden/Rigolen-Systeme oder ähnliche Systeme ein Kanalanschlußbeitrag erhoben werden kann, wenn keine rohrtechnische Verbindung zwischen dem angeschlossenen Grundstück und der gemeindlichen Abwassereinrichtung (z.B. dem Mulden-Rigolen-Systeme) besteht. Die Geschäftsstelle vertritt auch weiterhin die Rechtsansicht, daß der in § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG verwendete Begriff der leitungsgebundenen Einrichtung so zu verstehen sein dürfte, daß es ausreicht, wenn Abwasser abgeleitet bzw. zugeleitet wird. Wir weisen allerdings darauf hin, daß Dietzel (in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar; Stand: März 1998, § 8 Rz. 515 ) unsere Rechtsansicht nicht teilt und ausführt, daß für oberflächliche nicht leitungsgebundene Anlagen kein Kanalanschlußbeitrag erhoben werden kann. Es besteht daher weiterhin ein Prozeßrisiko, zumal sich die Rechtsprechung mit dieser konkreten Fragestellung im Kanalanschlußbeitragsrecht noch nicht auseinandergesetzt hat.
Bei der Erhebung von Benutzungsgebühren für nicht leitungsgebundene Anlagen wird zwar in § 6 KAG NW der Begriff der leitungsgebundenen Einrichtung nicht verwendet. Gleichwohl hat das OVG NW in seinem Urteil vom 05.09.1986 (GemHH 1987, S. 117) entschieden, daß eine Inanspruchnahme im Sinne von § 4 Abs. 2, 2. Alternative KAG i.V.m. § 6 KAG nur dann vorliegt, wenn das Abwasser durch eine leitungsmäßige Verbindung in die Kanalisation eingeleitet wird. Erforderlich ist danach eine abwassertechnische Verbindung in der Art und Weise, daß eine Verbindung besteht, die in ihrer Funktion und Bestimmung nach dem Transport von Abwasser zur gemeindlichen Abwasseranlage dient. Zwar wird der Begriff der rohrtechnischen Verbindung in diesem Urteil nicht erwähnt. Jedoch kann nicht ausgeschlossen werden, daß das OVG sich damals darunter nur eine solche rohrtechnische Verbindung vorstellte. Der damalige Fall bot allerdings auch keinen Anlaß dazu, nähere Ausführungen hierzu zu machen.
In der abgabenrechtlichen Literatur (Dahmen in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, § 4 Rdnr. 185; KStZ 1988, S. 66; Lichtenfeld in: Driehaus, a.a.O., § 4 Rdnr. 245; Dedy, StGRat 1997, S.48ff., S. 52) wird zwischenzeitlich vertreten, daß es für die Inanspruchnahme im Sinne des KAG unerheblich ist, wie die Abwässer in die öffentliche Kanalisation eingeleitet werden. Maßgeblich ist vielmehr nur, daß das Abwasser letztendlich im allseitigen Einverständnis der städtischen Entwässerung zufließt. Nach dieser Literaturansicht ist daher auch eine rohrtechnische Verbindung im Sinne der leitungsgebundenen Einleitung für die Inanspruchnahme der öffentlichen Kanalisation nicht erforderlich, um den satzungsrechtlichen Benutzungstatbestand zu erfüllen, der die Gebührenpflicht auslöst. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auch auf ein rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichtes Minden vom 23.11.1995 (Az.: 9 K 888/95), wonach auch ein mittelbarer (nicht leitungsgebundener) Anschluß an die gemeindliche Abwassereinrichtung für die Erfüllung des Gebührentatbestandes ausreicht, wenn der satzungsrechtliche Gebührentatbestand entsprechend textlich abgefaßt ist (vgl. hierzu auch: Dedy, StGRat 1997, S.48ff., S. 52 und das Formulierungsbeispiel in Fußnote 49).
Die Geschäftsstelle schließt sich der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtes Minden und der neueren abgabenrechtlichen Literatur an, wonach für eine Inanspruchnahme i.S.v. § 4 Abs. 2 2. Alt. KAG unerheblich ist, ob sie rohrtechnisch (leitungsgebunden) oder anderweitig z.B. durch oberirdische Ableitung/Zuleitung erfolgt. Maßgeblich dürfte nach unserer Ansicht nämlich nur sein, daß eine willentlich und rechtlich zulässige Inanspruchnahme der öffentlichen Abwassereinrichtung vorliegt. Andernfalls wären gerade im Fall der dezentralen, gemeindlichen Niederschlagswasserbeseitigung Fälle denkbar, wo das Niederschlagswasser teilweise von Grundstücken über eine rohrtechnische Verbindung in einen Regenwasserkanal abgeleitet sowie von dort aus in ein von der Gemeinde betriebenes Mulden-Rigolen-System eingeleitet wird und das Niederschlagswasser von anderen Grundstücken direkt in das von der Gemeinde betriebene Mulden/Rigolen-System oberflächlich zugeleitet wird. Würde hier das Erfordernis einer rohrtechnischen Verbindung Voraussetzung für die Gebührenerhebung sein, so hätte dies zur Konsequenz, daß die Grundstückseigentümer in dem einen Fall eine Gebühr bezahlen müßten und die anderen aufgrund einer fehlenden rohrtechnischen Verbindung nicht. Dies wäre aber im Hinblick auf den aus Art. 3 Abs.1 Grundgesetz abzuleitenden Grundsatz der Abgabengerechtigkeit eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gleicher Sachverhalte, weil in beiden Fällen Niederschlagswasser über ein von der Gemeinde betriebenes Mulden-Rigolen-System entsorgt wird und lediglich die Art und Weise der Zuleitung unterschiedlich ist.
Ob das OVG NW unter Berücksichtigung des neu eingefügten § 51 a LWG NW seine Rechtsprechung zur leitungsgebundenen Einrichtung ändert bzw. bezüglich der Inanspruchnahme dahingehend konkretisiert, daß eine rohrtechnische Verbindung nicht erforderlich ist, bleibt abzuwarten. Insofern besteht zur Zeit leider ein Prozeßrisiko.
Az.: II/2 24-21/24-22