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StGB NRW-Mitteilung 428/2004 vom 19.05.2004
Beitragsrecht und Zwei-Kanäle-Theorie
Das VG Aachen hat mit Urteil vom 13. April 2004 (Az.: 7 K 2208/02) festgestellt, dass dem Kanalanschluss-Beitragssatz in der Beitrags- und Gebührensatzung der beklagten Stadt keine tragfähige Beitragskalkulation zugrunde liegt. Hintergrund hierfür ist, dass das OVG NRW mit Beschluss vom 03.11.2000 (- 15 A 2340/97-, KStZ 2001, S. 134 ff.) vorgegeben hat, bei der Beitragskalkulation sei nunmehr zwingend die Zwei-Kanäle-Theorie anzuwenden und die beklagte Stadt keine Beitragskalkulation auf der Grundlage der Zwei-Kanäle-Theorie vorweisen konnte. Vor diesem Hintergrund weist die Geschäftsstelle nochmals darauf hin, dass Beitragskalkulationen, die nicht auf der Grundlage der Zwei-Kanäle-Theorie beruhen, einer verwaltungsgerichtlichen Überprüfung nicht mehr standhalten. Mithin muss eine Stadt ihre Beitragskalkulation auf der Grundlage der Zwei-Kanäle-Theorie erneut aufstellen (siehe hierzu auch die Muster-Beitragskalkulation von Dietzel in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, § 8 Rz. 609). In diesem Zusammenhang wird sich dann auch zeigen, ob der bisherige Beitragssatz angepasst werden muss. Im Übrigen ist in diesem Zusammenhang folgendes anzumerken:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass die neue Rechtsprechung des OVG NRW (Beschluss vom 03.11.2000 - 15 A 2340/97-, KStZ 2001, S. 134 ff.) zur Anwendung der sog. Zwei-Kanäle-Theorie im Rahmen der Beitragskalkulation nur für Mischwasserkanäle gilt. Bei Regenwasserkanälen wird nach wie vor davon ausgegangen, dass die Kosten je zur Hälfte der Straßenentwässerung und zur anderen Hälfte der Grundstücksentwässerung zugeordnet werden dürfen (vgl. hierzu in: Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Loseblatt-Kommentar, § 8 Rz. 596 und 599). Wegen der neuen Rechtsprechung des OVG NRW ist es aber auch zwingend erforderlich, die Beitragskalkulation abzuändern, sofern die Gemeinde Mischwasserkanäle gebaut hat, da anderenfalls die Beitragsbescheide wegen einer fehlerhaften Beitragskalkulation durch die Verwaltungsgerichte aufgehoben werden (s.o.).
Unabhängig davon ist es erforderlich, dass die neue Beitragskalkulation im zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten der Satzung steht. Soweit die neue Beitragssatzung rückwirkend zum 01.01.2001 beispielsweise in Kraft gesetzt wird, ist es nach diesseitiger Rechtsansicht durchaus möglich, dieser Beitragssatzung eine Beitragskalkulation für einen Kalkulationszeitraum von 1998 bis 2002 zugrunde zu legen, weil in diesem Fall die Beitragskalkulation noch mit dem Inkrafttreten der Satzung in einem zeitlichen Zusammenhang steht.
Nach Dietzel (in: Driehaus, a.a.O., § 8 Rz. 600) braucht der zu ermittelnde Kostenanteil für die Straßenentwässerung nicht unter Einbeziehung der Mischwasserkanäle in allen Erschließungsgebieten errechnet zu werden, in denen durch Kanalbaumaßnahmen ein Aufwand entsteht. Dieses gebietet weder § 128 Abs. 1 Nr. 2 Baugesetzbuch noch § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG NRW für den durch Anschlussbeiträge zu deckenden Aufwand. Vielmehr ist es zulässig, den Kostenanteil auf der Grundlage gesicherter Erfahrungswerte zu schätzen. Die Schätzung kann in der Weise erfolgen, dass durch eine Vergleichsberechnung der Straßenentwässerungskostenanteil nur für einige für das Gemeindegebiet repräsentativen Straßenzüge errechnet und der errechnete Vom-Hundert-Satz auf dem (veranschlagten) Gesamtaufwand der Anlage angewendet wird, welcher als Grundlage für die Ermittlung des Beitragssatzes dient.
Für die hier zu treffende Auswahl sind solche Mischwasserkanäle repräsentativ, deren Kostensituation im Hinblick auf Dimensionen, Verlegungstiefe und topographische Gegebenheiten für das Gemeindegebiet typisch ist. Wird der Aufwand nach den durchschnittlichen Aufwendungen i.S.d. § 8 Abs. 4 Satz 3 KAG veranschlagt, muss es sich um solche Kanäle handeln, deren Aufwand bei der Ermittlung des beitragsfähigen Aufwandes berücksichtigt wurde, weil ihre Herstellung in den Kalkulationszeitraum fällt. Denn nur damit ist sichergestellt, dass der Betrag, der den wirtschaftlichen Vorteil der Gemeinde zuzurechnen ist, auf derselben Grundlage berechnet wird wie der durchschnittliche Aufwand für die gesamte Einrichtung, von dem er nach § 8 Abs. 4 Satz 4 KAG NRW abzusetzen ist.
Ist das Kostenverhältnis einmal auf der Grundlage in diesem Sinne repräsentativer Mischwasserkanäle ermittelt worden, kann dieses auch für die zukünftigen Kanalisierungsmaßnahmen zugrunde gelegt werden. Denn es ist davon auszugehen, dass die Preisentwicklung für jede einzelne Teilanlage gleich ist, sich das Kostenverhältnis also nicht ändert (solange nicht andere technische Anforderungen an den Qualitätsstandard oder die Bauweise mit Auswirkung auf die Kosten der einzelnen Teilanlage gestellt werden). Deshalb sieht es Dietzel als zulässig an, bei einer Beitragskalkulation mit einem anderen Veranschlagungszeitraum von einer neuen Berechnung der Straßenentwässerungskostenanteils abzusehen und statt dessen das bereits früher ermittelte Kostenverhältnis (ggf. unter Berücksichtigung der inzwischen eingetretenen Preisentwicklung) fortzuschreiben.
Ausgehend hiervon kann allerdings eine durchgeführte Vergleichsberechnung auf der Grundlage der Zwei-Kanäle-Theorie bei nur einer einzigen Kanalbaumaßnahme im Zweifelsfall nicht als ausreichend angesehen werden. Denn ein einziger Mischwasserkanal kann nicht als repräsentativ angesehen werden. Es sollte demnach zumindest für mehrere Mischwasserkanäle eine Berechnung erfolgen, wobei diese Mischwasserkanäle repräsentativ sein müssen, d.h. deren Kostensituation muss im Hinblick auf Dimension, Verlegungstiefe und topographische Gegebenheiten für das Gemeindegebiet typisch sein. Im Zweifelsfall würde es sich anbieten, auch für die anderen in dem Kalkulationszeitraum gebauten Mischwasserkanäle rein vorsorglich eine Vergleichsberechnung durchzuführen, weil hierdurch die Gefahr einer mangelnden Repräsentativität der einen zugrunde gelegten Kanalbaumaßnahme ausgeschlossen werden kann.
Az.: II/2 24-22 qu/g
Az.: II/2 24-22 qu/g