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StGB NRW-Mitteilung 136/2009 vom 30.01.2009
Bericht zum Begriff der Pflegebedürftigkeit
Ende Januar 2009 hat der Beirat zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs konzeptionelle Überlegungen zur Schaffung eines neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs und eines neuen bundesweit einheitlichen Begutachtungsinstruments zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI vorgelegt. Der bislang geltende Begriff der Pflegebedürftigkeit und das darauf basierende Begutachtungsverfahren werden bereits seit Einführung der Pflegeversicherung kritisch diskutiert. In seiner jetzigen Ausgestaltung führe er zur Ausgrenzung einer Reihe von Problem- und Bedarfslagen und insbesondere dazu, dass die wachsende Zahl Hilfebedürftiger mit demenziellen Erkrankungen oder anders verursachten Einschränkungen der Alltagskompetenz keine adäquate Unterstützung durch Leistungen der Pflegeversicherung erhalten.
Der Beirat hält einen Begriff der Pflegebedürftigkeit für erforderlich, der alle körperlichen und geistigen bzw. psychischen Einschränkungen und Störungen umfasst, sowie ein Bewertungssystem, das Lebens- und Bedarfslagen hilfe- und pflegebedürftiger Menschen flexibel erfasst und einen hohen Grad an Differenziertheit gewährleistet, aber auch Transparenz und Akzeptanz für die Betroffenen sicherstellt. Vor diesem Hintergrund hat sich der Beirat für ein „Neues Begutachtungsassessment“ (NBA) entschieden, das vom Institut für Pflegewissenschaft an der Universität Bielefeld und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Westfalen-Lippe entwickelt sowie vom Institut für Public Health und Pflegeforschung der Universität Bremen und dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Essen erprobt wurde. Das NBA umfasse sowohl die Möglichkeit der pflegewissenschaftlichen Abbildung von Pflegebedürftigkeit als auch deren sozialrechtliche Umsetzung. Es handele sich um ein lernendes System, das im Wege der Evaluation seine Eigenschaften hinsichtlich seines Zwecks verbessern und neue pflegewissenschaftliche Erkenntnisse einbeziehen könne.
Der Beirat spricht sich ferner dafür aus, den Begriff der Pflegestufe durch den Begriff des Bedarfsgrades zu ersetzen, um dem neuen umfassenden Verständnis von Pflegebedürftigkeit in verstärktem Maße Ausdruck zu verleihen. Der Beirat akzeptiert den Vorschlag des Neuen Begutachtungsassessments, fünf Bedarfsgrade zu bestimmen, unter der Voraussetzung, dass diese mit Leistungen hinterlegt sind. Dabei seien die Abstufungen
• „geringe Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ (Bedarfsgrad 1)
• „erhebliche Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ (Bedarfsgrad 2)
• „schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ (Bedarfsgrad 3)
• „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit“ ( Bedarfsgrad 4) und
• „schwerste Beeinträchtigung der Selbstständigkeit, die mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung einhergeht“ (Bedarfsgrad 5)
entsprechend dem neuen Begutachtungsassessment zu übernehmen. Dabei sei eine Gewichtung vorzunehmen mit dem Ziel, den Pflege- und Betreuungsaufwand bei Personen mit körperlichen und kognitiven sowie psychischen Defiziten sachgerecht und angemessen zu berücksichtigen.
Nach Auffassung des Beirats ist das NBG auch geeignet, den pflegerischen Bedarf entsprechend dem jeweiligen Grad an Selbstständigkeit zu ermitteln und könne deshalb als Grundlage für die Pflege- und Versorgungsplanung im Rahmen des SGB XI dienen, ohne die Erstellung eines umfassenden Pflege-, Hilfe- und Versorgungsplans zu ersetzen. Abschließend enthält der Bericht einen ausformulierten Vorschlag für eine gesetzliche Neuregelung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit in §§ 14, 15 SGB XI, der das neue Begutachtungsinstrument umsetzen soll.
Der Bericht des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs kann von der Homepage des Bundesministeriums für Gesundheit www.bmg.bund.de heruntergeladen werden. Bundesministerin Schmidt hat inzwischen den einstimmig vom Beirat beschlossenen Bericht begrüßt, eine Novellierung des SGB XI allerdings erst für die kommende Legislaturperiode des Deutschen Bundestages in Aussicht gestellt.
Az.: III 810-11