Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Jugend, Soziales, Gesundheit
StGB NRW-Mitteilung 383/2003 vom 08.04.2003
Beteiligung an Sozialhilfekosten und Härteausgleich
Bei der ihnen gem. § 6 Ausführungsgesetz zum Bundessozialhilfegesetz obliegenden Verpflichtung, im Hinblick auf einen Härteausgleich zur 50%-igen Beteiligung der Gemeinden an den Sozialhilfekosten das Tatbestandsmerkmal des Vorliegens „erheblicher struktureller Unterschiede im Kreisgebiet“ zu prüfen, verwendet eine Reihe von Kreisen das Kriterium der „Sozialhilfedichte“. Hierbei handelt es sich um das Verhältnis der durchschnittlichen Sozialhilfeempfänger pro 1.000 Einwohner nach der letzten Einwohnerstatistik.
In einem Rechtsstreit der Stadt Medebach gegen den Hochsauerlandkreis hat kürzlich das Verwaltungsgericht Arnsberg mit Urteil, zu dem die Berufung eröffnet ist, festgestellt, daß die Sozialhilfedichte jedenfalls für sich allein nicht geeignet ist, daß Merkmal erheblicher struktureller Unterschiede auszufüllen. Dabei bezieht sich das Gericht vor allem auch auf die Begründung zu § 6 Abs. 1 S. 1 AG BSHG, wonach bei der Entscheidung, ob eine erhebliche Härte festgestellt werden kann, auch eine auf die örtlichen Verhältnisse bezogene Gesamtschau aller Indikatoren notwendig ist, die Einfluß auf den von den kreisangehörigen Gemeinden zu leistenden Aufwand haben können.
Das Gericht hält deshalb das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals „ strukturelle Unterschiede“ nur dann für gegeben, wenn im Hinblick auf das grundsätzlich erforderliche kumulative Vorliegen mehrerer sozialhilfeaufwendungsrelevanter Indikatoren in den kreisangehörigen Gemeinden unterschiedliche Verhältnisse bestehen, die von der Gemeinde nicht beeinflußt werden können. Es müssten solche Umstände außer Betracht bleiben, die nicht „strukturell“ bedingt sind, indem sie zwar Einfluß auf die Höhe der Aufwendungen haben, aber dies erst durch die Art der Sachbearbeitung auf die Ebene der Verwaltung der kreisangehörigen Gemeinden. Der Kreis habe als Satzungsgeber eine umfassende Prüfung möglichst aller objektiv und unmittelbar aufwendungsrelevanter Umstände vorzunehmen. Die in diesem Raum bedeutsamen Indikatoren könnten sich dabei beziehen etwa auf die Zahl der Sozialhilfeempfänger im Verhältnis zur Einwohnerzahl, die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen für Einwohner, den Bestand an Sozialwohnungen und anderem preiswerten Wohnraum, die Arbeitslosenquote, die Anzahl der Langzeitarbeitslosen, der Aussiedler, der Kontingentflüchtlinge, der Bezieher niedriger Einkommen, der sozialhilfebedürftigen Personen pro Hilfefall, die Dauer des Sozialhilfebezugs pro Sozialhilfeempfänger oder auch die Anzahl der offenen Stellen auf dem Arbeitsmarkt im Kreisgebiet.
Das Merkmal „Sozialhilfedichte“ sei für sich allein ungeeignet, strukturelle Unterschiede nachzuweisen oder zu verneinen. Der Begriff stelle ausschließlich auf die Anzahl der Hilfeempfänger im Gemeindegebiet ab, die in eine Relation zur Gesamtheit der Einwohner gesetzt werde. Eine Aussage zu den Ursachen, die zur Folge haben, daß auf dem Gebiet einer Gemeinde wesentlich mehr Sozialhilfeempfänger anzutreffen sind als im Bereich des Kreises, werde hingegen nicht getroffen.
Das Gericht hält ferner fest, daß die durch Gesetz geforderte „Gesamtschau“ für die Kreise mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden sei, während sich das Kriterium „Sozialhilfedichte“ als äußerst praktikabel erweise, indem die einschlägigen Zahlen unschwer erhoben und miteinander verglich werden könnten. Dies ändere nichts daran, daß eine Satzung, die allein die Sozialhilfedichte betrachtet, mit dem Tatbestand der Ermächtigungsnorm nicht vereinbar und damit nichtig sei. Sollte sich herausstellen, daß die vom Gesetz geforderte Betrachtung sämtlicher Umstände, die auf die Höhe der Sozialhilfeaufwendungen von Einfluß sind, in der Praxis der Kreise und Kreistage auf unüberwindliche Schwierigkeiten stößt, hat der Landtag nach Auffassung des Gerichts eine Änderung des Gesetzes vorzunehmen.
Solange dies nicht geschehen sei, hätten die Kreise den Auftrag des Gesetzes zu erfüllen. Sie dürften keine Härteausgleichsregelungen durch Satzungen festlegen, wenn nicht zuvor die erheblichen strukturellen Unterschiede und die daraus resultierenden erheblichen Härten in der gebotenen Art und Weise festgestellt worden seien.
Az.: III 809