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StGB NRW-Mitteilung 482/2014 vom 07.07.2014
Betreuungsatlas 2013 zur Situation der Kinderbetreuung bundesweit
Bereits zum vierten Mal erscheint der Atlas mit zahlreichen Tabellen und kartographischem Material zur Betreuung von Kindern bis zu sechs Jahren in Kitas und Kindertagespflege. Auf der Basis amtlicher Daten aus dem Jahr 2013 gibt der von der Dortmunder Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik im Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/TU Dortmund erstellte Bericht detailliert und anschaulich Auskunft über die Inanspruchnahme, den Betreuungsumfang, die Gruppenformen und -größen sowie die Tagespflegepersonen und das eingesetzte pädagogische Personal in den Einrichtungen der einzelnen Jugendamtsbezirke.
Der Atlas dokumentiert die enormen Ausbauanstrengungen der Städte und Gemeinden. Seit 2008 hat sich der Betreuungsschlüssel verbessert sowie die Zahl der Beschäftigten erheblich erhöht. Es zeigt sich aber auch weiterhin ein deutlicher Ost-West-Unterschied, was die Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuung von unter Dreijährigen anbelangt. Die Hauptgeschäftsstelle fühlt sich mit dem jüngsten Betreuungsatlas in ihrer Auffassung bestätigt, dass der enorme quantitative Ausbau nicht zu Lasten der Qualität erfolgt ist.
Die Untersuchung fußt auf den Angaben, die alle 563 Jugendämter und statistischen Landes- und Bundesämter in den relevanten Bereichen gemacht haben. Mittels dieser Kenngrößen kann sowohl ein allgemeiner Überblick über die Kinderbetreuungssituation in Deutschland gegeben, als auch eine regionale Bezifferung herangezogen werden, um die eigenen Betreuungsleistungen mit denen in den Nachbarkommunen zu vergleichen.
Wesentliche Ergebnisse
In Deutschland werden inzwischen fast 600.000 Kinder unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und Tagespflege betreut. Diese Zahl hat sich seit 2006 mehr als verdoppelt. Insbesondere haben sich im gleichen Zeitraum in Westdeutschland die Quoten der Inanspruchnahme von knapp 8 % auf über 24 % verdreifacht, in Ostdeutschland gab es einen Zuwachs um gut zehn Prozentpunkte auf nahezu 50 %.
Auch die Zahl der Beschäftigten im Kinderbetreuungsbereich nahm von 363.000 (2007) auf 491.000 (2013) zu. Eine vorher befürchtete, damit einhergehende De-Qualifizierung lässt sich jedoch nicht beobachten - insbesondere in Westdeutschland ist sogar häufiger eine Zunahme von qualifiziertem Personal zu beobachten.
Nach wie vor bestehen deutliche Unterschiede bei der Inanspruchnahme von Kindertagesbetreuung der unter Dreijährigen zwischen Ost- und Westdeutschland. Während laut amtlicher Kinder- und Jugendhilfestatistik zum 1. März 2013 in Ostdeutschland (mit Berlin) fast die Hälfte der unter dreijährigen Kinder betreut wird, ist es in Westdeutschland nur rund ein Viertel. Hinter diesen ost- und westdeutschen Werten verbergen sich nochmals enorme lokale Unterschiede.
In den westdeutschen Jugendamtsbezirken liegen die Inanspruchnahmequoten zwischen etwa 11 % und 45 %, in Ostdeutschland zwischen 42 % und 63 %. Die Quoten fast aller westdeutschen Jugendamtsbezirke befinden sich auf einem niedrigeren Niveau als die aller ostdeutschen Bezirke. Nur die baden-württembergische Universitätsstadt Heidelberg liegt mit ihrer Quote von knapp 45 % über den Werten des sächsischen Landkreises Erzgebirgskreis (42 %) und von Berlin (44 %). Die höchste Differenz zwischen den Jugendamtsbezirken innerhalb eines Landes ist in Bayern zu finden. Hier werden in dem Landkreis Berchtesgadener Land 11 % der unter Dreijährigen institutionell betreut, während es in dem Landkreis Coburg 40 % sind.
Diese lokalen Unterschiede werden auch bei der Analyse des Betreuungsumfanges von unter dreijährigen Kindern in Kindertageseinrichtungen deutlich: Von allen 486 westdeutschen Jugendamtsbezirken weisen 153 Bezirke eine Ganztagsbetreuungsquote von unter 30 % auf (ganztägig heißt: ein wöchentlicher Betreuungsumfang von mehr als 35 Stunden). Bei den westdeutschen Jugendamtsbezirken streuen die Ganztagsbetreuungsquoten sehr breit: von 2 % im bayerischen Landkreis Freyung-Grafenau bis zu 94 % in der hessischen Stadt Gießen.
Bei den ostdeutschen Jugendamtsbezirken ist die Spannweite der Quoten deutlich kleiner. Hier liegen der niedrigste Anteil der ganztagsbetreuten Kinder in einem Jugendamtsbezirk bei 59 % im Salzlandkreis (Sachsen-Anhalt) und der höchste bei 96 % in Jena (Thüringen). Demnach bestehen in allen 77 ostdeutschen Bezirken Ganztagsbetreuungsquoten von 30 % und mehr. Ähnliche Differenzen zeigen sich auch bei der Analyse des Betreuungsumfanges von drei- bis unter sechsjährigen Kindern.
Im Rahmen der Debatte um den Ausbau der Plätze für unter dreijährige Kinder wurde häufig die Vermutung geäußert, dass die Schaffung neuer bis zum Inkrafttreten des Rechtsanspruchs benötigter Plätze nur dadurch erreicht werden könne, dass beispielsweise die Gruppengröße ausgeweitet und weniger Personal für mehr Kinder zuständig sein würde. Auf diese Weise werde die Qualität gesenkt. Anhand eines Vergleichs der amtlichen Daten verschiedener Jahre konnte dies auf Bundesebene sowie für die Mehrheit der Jugendamtsbezirke im Rahmen des aktuellen Betreuungsatlas nicht bestätigt werden.
Zum 1. März 2013 variiert die mittlere Anzahl der Kinder pro U3-Gruppe bei den westdeutschen Jugendamtsbezirken zwischen 6 Kindern in der Stadt Meerbusch (Nordrhein-Westfalen) und 16 Kindern im Landkreis Dingolfing-Landau (Bayern), bei den ostdeutschen Bezirken mit einer etwas größeren Spannweite zwischen 6 Kindern im Landkreis Mecklenburgische Seenplatte sowie in der Stadt Schwerin (beides Mecklenburg-Vorpommern) und 18 Kindern in der kreisfreien Stadt Dessau-Roßlau (Sachsen-Anhalt).
Unter den westdeutschen Jugendamtsbezirken liegt die größte Gruppenerweiterung von 2010 zu 2013 in einem nordrhein-westfälischen Bezirk, in dem im Durchschnitt die Gruppengröße um 9 Kinder pro Gruppe erweitert wurde. In der Stadt Oelde (ebenfalls Nordrhein-Westfalen) hingegen wurde die größte Gruppenreduzierung durchgeführt, hier wurde die durchschnittliche Anzahl der Kinder in einer U3-Gruppe um 8 Kinder reduziert. In den ostdeutschen Jugendamtsbezirken hingegen kann die größte Gruppenerweiterung mit 2,5 Kindern und die größte Reduzierung mit 2 Kindern pro Gruppe im Mittel beziffert werden. Diese Reduzierung der Gruppengröße erfolgte sowohl in den Landkreisen Teltow-Fläming und Uckermark (beide Brandenburg) als auch im Landkreis Börde (Sachsen-Anhalt).
In 37 % aller westdeutschen Jugendamtsbezirke, die in die Analyse einbezogen werden konnten, reduzierte sich die mittlere Anzahl der Kinder pro U3-Gruppe von 2010 zu 2013, in 21 % der Fälle stieg sie und in 42 % der Fälle blieb sie konstant. In Ostdeutschland hingegen wurde in 27 % der Jugendamtsbezirke die mittlere Anzahl der Kinder pro Gruppe reduziert, in 29 % der Fälle erweitert und in 44 % der Fälle auf dem Niveau von 2010 gehalten. In den ostdeutschen Jugendamtsbezirken fand demnach häufiger als in den westdeutschen Jugendamtsbezirken eine Erweiterung der mittleren Gruppengröße statt, jedoch ist in der Mehrzahl aller west- und ostdeutschen Jugendamtsbezirke eine Stagnation bzw. Reduzierung der Gruppengröße, und somit keine Qualitätseinbuße, zu verzeichnen.
Auch gemessen an der Entwicklung des Personalressourceneinsatzschlüssels ist in den Tageseinrichtungen größtenteils keine Verschlechterung der Betreuungsqualität zu verzeichnen. Ein Vergleich der Daten von 2012 und 2013 auf Ebene der Jugendamtsbezirke zeigt größtenteils eine Verbesserung bzw. eine Stagnation der Personalressourcenausstattung: In 30 % der ausgewerteten westdeutschen Jugendamtsbezirke konnte eine Verbesserung der Personalressourcenausstattung (mehr als +0,2 Ganztagsäquivalente) festgestellt werden, in über der Hälfte gab es eine Stagnation (+- 0,2 Ganztagsäquivalente) und in 16 % der Bezirke eine Verschlechterung der Personalverhältnisse (weniger als -0,2 Ganztagsäquivalente).
In 16 % der ostdeutschen Bezirke war eine Verbesserung der personellen Ausstattung festzustellen, eine Stagnation bei 71 % und eine Verschlechterung bei 13 % der Bezirke. Zwischen den westdeutschen Jugendamtsbezirken variieren die Veränderungen der Personalressourcen von -2,1 bis zu +1,7 Ganztagsäquivalenten und bei den ostdeutschen Bezirken von -0,9 bis zu +0,9 Ganztagsäquivalenten.
In den westdeutschen Bezirken kam es somit zwar insgesamt häufiger zu Verbesserungen der Personalressourceneinsatzschlüssel von 2012 zu 2013 als in den ostdeutschen Bezirken, in den westdeutschen Bezirken gab es jedoch eine größere Spannweite der Verbesserungen bzw. Verschlechterungen der Personalressourcenausstattungen. Die Verschlechterungen befinden sich jedoch größtenteils auf einem geringfügigen Niveau, so dass auch in diesen Bezirken nicht von einer eindeutigen Qualitätseinbuße gesprochen werden kann.
Weitere relevante Themen im Rahmen der Debatte über den Wandel der Kindertagesbetreuung sind die Qualifikation und der Bedarf an pädagogischen Fachkräften. Zwischen 2007 und 2013 ist die bundesweite Anzahl der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen von 363.115 auf 491.789, also um ca. 35 % gestiegen.
Hinsichtlich der Qualifikation des Personals in Kindertageseinrichtungen konnte anhand der amtlichen Daten bis 2013 bundesweit keine De-Qualifizierung des Personals festgestellt werden. Diese Entwicklung bestätigt sich auf der Ebene der Jugendamtsbezirke größtenteils auch für 2013, jedoch mit einigen lokalen Ausnahmen.
Der Betreuungsatlas 2013, der zahlreiche Indikatoren, die auf Basis der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik für die 563 Jugendamtsbezirke in Deutschland lokal vergleichend ausgewertet wurden, kann im Internet kostenlos abgerufen werden unter www.akjstat.uni-dortmund.de/fileadmin/Betreuungsatlas_2013.pdf (Quelle: DStGB Aktuell 2614 vom 27.6.2014).
Az.: III/2 711