Eindrücke vom
Hauptausschuss 2024
Mitteilungen - Bauen und Vergabe
StGB NRW-Mitteilung 334/2022 vom 12.05.2022
BGH: Bestandskräftige Baugenehmigung als Schutz vor nachbarschaftlichen Unterlassungsansprüchen
Der Bundesgerichtshof (Urt. v. 21.01.2022 – V ZR 76/20) hat mit einer aktuellen Entscheidung die Bestandskraft von Baugenehmigungen aus zivilrechtlicher Perspektive gestärkt. Danach ist es Nachbarn nicht möglich, zivilrechtliche Unterlassungsansprüche gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB auf die Verletzung nachbarschützender Vorschriften des öffentlichen Rechts zu stützen, wenn und soweit die Grundstücksnutzung von einer bestandskräftigen Baugenehmigung gedeckt ist.
In dem zu entscheidenden Rechtsstreit hatten sich mehrere Grundstückseigentümer gegen die landwirtschaftliche Tätigkeit auf einem benachbarten Grundstück gewandt. Auf einem der dem beklagten Landwirt gehörenden Flurstücke, das sich in einem nicht beplanten Innenbereich mit dem Charakter eines Dorfgebiets im Sinne der Baunutzungsverordnung befand, lag eine Getreideübergabehalle. Die Grundstücke der Kläger befanden sich im angrenzenden überplanten allgemeinen Wohngebiet. Die Getreideübergabehalle des Beklagten ragte baulich über die Grenze des Flurstücks teilweise in das Wohngebiet hinein. Für die Halle hatte der Beklagte 2007 eine – mittlerweile bestandskräftige – Baugenehmigung erhalten.
Der BGH hob die Entscheidung des OLG Stuttgart, soweit dieses zum Nachteil des Landwirts entschieden hatte, auf. Einen (quasinegatorischen) Unterlassungsanspruchs aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB analog i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB zur Erhaltung des im Bebauungsplan festgesetzten Gebietscharakters lehnte er ab. Bereits die bestandskräftige Baugenehmigung stehe dem Unterlassungsanspruch entgegen, da ihr eine Legalisierungswirkung zukomme. Die Zivilgerichte seien an die Feststellung des Verwaltungsakts gebunden, dass nicht gegen nachbarschützende Normen des öffentlichen Rechts verstoßen wurde.
Anmerkung aus kommunaler Sicht
Die Entscheidung des BGH ist zu begrüßen, da sie die Legalisierungswirkung bestandskräftiger Baugenehmigungen insgesamt stärkt. Damit wird eine verlässliche Tatsachengrundlage für Bürger/innen und insbesondere auch Kommunen geschaffen.
Ende 2020 hatte der BGH (Urt. v. 27.11.2020 – V ZR 121/19) in einem Fall, in dem die Erteilung einer Baugenehmigung von der Bauaufsichtsbehörde abgelehnt worden war und auch die nachfolgende Verpflichtungsklage keinen Erfolg gehabt hatte, bereits entschieden, dass, wenn ein Verwaltungsgericht eine auf die Verpflichtung der Behörde zur Erteilung einer Baugenehmigung gerichtete Klage mit der tragenden Begründung abweist, dass das Bauvorhaben materiell baurechtswidrig ist, weil es gegen das Gebot der Rücksichtnahme verstößt, dieser Verstoß für einen nachfolgenden Zivilprozess unter denselben Beteiligten bzw. Parteien bindend feststeht.
Die Gerichtsentscheidung ist abrufbar unter:
http://juris.bundesgerichtshof.de
Az.: 20.3.1.3-022/002 ste