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StGB NRW-Mitteilung 358/2020 vom 13.05.2020
BGH Entscheidung zur Mitwirkung des Gemeinderates bei Konzessionsverfahren
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 28. Januar 2020 (Az. EnZR 99/18) die Rechtmäßigkeit eines Verfahrens über die Vergabe eines Wegbenutzungsverfahrens verkündet.
Entscheidung des BGH
In der Sache hat der BGH entschieden, dass im Verfahren über die Vergabe eines Verfahrens eines Wegebenutzungsrechts ein Mitwirkungsverbot für solche Personen besteht, die bei einem Bewerber gegen Entgelt beschäftigt sind oder bei ihm als Mitglied eines Organs tätig sind.
Wirkt ein Gemeinderat, der als Vertreter der Gemeinde oder in deren Auftrag als Mitglied des Aufsichtsrats eines Bewerbers ist, bei der abschließenden Abstimmung im Gemeinderat über die Vergabe von Wegnutzungsrechten mit, führt dies nur dann zu einer unbilligen Behinderung eines unterlegenden Bewerbers, wenn zumindest die konkrete Möglichkeit feststeht, dass dies den Beschluss über die Vergabe beeinflusst hat.
Ist ein vom Mitwirkungsverbot betroffener Gemeinderat in dem der abschließenden Beschlussfassung vorgelagerten Verfahren tätig geworden, hat die Gemeinde darzulegen und zu beweisen, dass tatsächlich kein Interessenkonflikt bestand oder sich die konkrete Tätigkeit nicht auf die Entscheidung ausgewirkt hat.
Sachverhalt
Dem BGH-Urteil waren zwei Entscheidungen, eine des Landgerichts (LG) Magdeburg sowie eine des Oberlandesgerichts (OLG) Naumburg vorangegangen.
Die Stadt hatte mit der Beklagten dieses Verfahrens Gaskonzessionsverträge geschlossen, die in den Jahren 2011 bis 2013 ausliefen. In dem sich anschließenden, im Bundesanzeiger bekannt gemachten Auswahlverfahren zur Neuvergabe der Konzessionen beteiligten sich wiederum die Beklagte sowie die Stadtwerke GmbH, deren alleinige Gesellschafterin zum Neuvergabezeitpunkt letztlich die Stadt war. Kurz zuvor hatte die Stadt 10 Stadträte als Mitglieder in den Aufsichtsrat der Stadtwerke GmbH entsandt.
Im April 2015 beschloss der Stadtrat der Stadt, den neuen Gaskonzessionsvertrag mit der Klägerin, der Stadtwerke GmbH, abzuschließen. Im Juni 2015 schloss die Stadt mit der Stadtwerke GmbH einen Konzessionsvertrag mit Beginn zum 1. Januar 2016 ab. Mit der Klage hat die Stadtwerke GmbH von der vormaligen Konzessionsträgerin, der Beklagten, u.a. die Übereignung der Gasverteilungsanlagen der allgemeinen Versorgung in den eingemeindeten Umlandgemeinden begehrt. Die Beklagte hat die Übereignung verweigert und sich damit verteidigt, dass der neue Gaskonzessionsvertrag zwischen der Stadt und der Stadtwerke GmbH wegen Mitwirkung von Gemeinderäten mit Doppelmandat bei der Beschlussfassung nichtig sei. Sie hat mit ihrer Zwischenfeststellungwiderklage die Feststellung der Nichtigkeit begehrt.
Das Landgericht hat die Zwischenfeststellungswiderklage abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht festgestellt, dass der zwischen der Stadt und der Stadtwerke GmbH abgeschlossene Gaskonzessionsvertrag nichtig ist. Der Bundesgerichtshof hat das Urteil des Oberlandesgerichts aufgehoben und die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Zwischenfeststellungswiderklage als unzulässig abgewiesen wird.
Urteilsgründe
Das für die Entscheidung der Stadt im April 2015 maßgebliche Bundesrecht enthält keine ausdrückliche Bestimmung, nach der die bloße Mitwirkung von Gemeinderäten, die im Auftrag der Gemeinde oder als deren Vertreter dem Aufsichtsrat einer am Vergabeverfahren beteiligten Gesellschaft angehören, an der Beschlussfassung des Gemeinderats über die Vergabe eines Wegenutzungsrechts ohne weiteres zu einer unbilligen Behinderung eines Bewerbers führt.
Ein Wegenutzungsvertrag zwischen einer Gemeinde und einem Energieversorgungsunternehmen ist aber nach § 134 BGB nichtig, wenn die Konzessionsvergabe den aus § 19 Abs. 2 Nr. 1 GWB und § 46 Abs. 1 EnWG abzuleitenden Anforderungen nicht genügt und damit eine unbillige Behinderung derjenigen Bewerber vorliegt, deren Chancen auf die Konzession dadurch beeinträchtigt worden sind. Aus den vom Bundesgerichtshof für diese Verfahren entwickelten Grundsätzen ergibt sich dabei ein Mitwirkungsverbot am Verfahren zur Vergabe eines Wegenutzungsrechts nach § 46 Abs. 2 EnWG für solche Personen, die bei einem Bewerber gegen Entgelt beschäftigt sind oder bei ihm als Mitglied eines Organs tätig sind. Es erstreckt sich auf Gemeinderäte, die zugleich Mitglied des Aufsichtsrats eines der Bewerber sind. Dies setzt die konkrete Möglichkeit voraus, dass die Mitwirkung solcher Gemeinderäte die Entscheidung beeinflusst hat.
Allerdings führt nicht jeder Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot im Verfahren über die Vergabe eines Wegenutzungsrechts automatisch zur Nichtigkeit des abgeschlossenen Wegenutzungsvertrags. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zu prüfen, ob die Verletzung von Regeln im Auswahlverfahren Bewerber um die Konzession unbillig behindert. Maßgeblich ist, ob dieser Verstoß gegen das Mitwirkungsverbot die konkrete Möglichkeit eröffnet, dass dies die Entscheidung beeinflusst hat. Dass es zumindest möglich ist, dass der unterlegene Bewerber unbillig behindert oder diskriminiert wird, hat derjenige darzulegen und zu beweisen, der sich auf die Nichtigkeit des Konzessionsvertrages beruft.
Wirkt ein Gemeinderat, der im Interesse der Gemeinde ein Aufsichtsratsmandat bei einem Bewerber ausübt, allein bei der Beschlussfassung des Gemeinderats mit, widerspräche eine automatisch daran geknüpfte Nichtigkeit des Wegenutzungsvertrags der durch das kommunale Selbstverwaltungsrecht geschützten und ausdrücklich vom Gesetzgeber gebilligten Möglichkeit, das Wegenutzungsrecht an einen Eigenbetrieb der Gemeinde zu vergeben. Entsprechendes gilt für Eigengesellschaften der Gemeinde. Gemeinden sind nicht gehindert, sich mit einem eigenen Unternehmen oder einem Eigenbetrieb am Wettbewerb zu beteiligen und auf dieser Grundlage gegebenenfalls den Netzbetrieb selbst zu übernehmen. Aus dem Eigeninteresse der Gemeinde, den Wegenutzungsvertrag mit dem Eigenbetrieb oder der Eigengesellschaft abzuschließen, folgt deshalb nicht ohne weiteres eine zur Nichtigkeit führende unbillige Behinderung eines anderen Bewerbers, wenn Gemeinderäte mit Doppelmandat bei der abschließenden Beschlussfassung des Gemeinderats mitwirken.
Anmerkung der Geschäftsstelle
Die StGB-Geschäftsstelle hat bereits in der Vergangenheit im Zusammenhang mit Konzessionsvergabeverfahren empfohlen, für eine personelle Trennung im Rat/in der Verwaltung und dem Verwaltungsrat Sorge zu tragen, wenn sich ein kommunales Unternehmen an einem Konzessionsvergabeverfahren beteiligt. Die Entscheidung des BGH bestätigt diese Sichtweise. Die Ratsmitglieder, die im Aufsichtsrat einer Eigengesellschaft einen Sitz haben, sollten sich bzgl. des Konzessionsverfahrens im Rat für befangen erklären oder alternativ ihren Sitz im Aufsichtsrat für die Dauer des Konzessionsvergabeverfahrens ruhen lassen. Zudem sollte der Bürgermeister Vorkehrungen für eine personelle und organisatorische Trennung in der Verwaltung treffen, sofern auch er selbst oder ein anderer Verwaltungsangehöriger Mitglied im Aufsichtsrat sind.
Das Mitwirkungsverbot im Rat gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 1 GO greift zwar unter Umständen dann, wenn ein Ratsmitglied bei der Eigengesellschaft beschäftigt ist, nicht hingegen das Mitwirkungsverbot gemäß § 31 Abs. 2 Nr. 2 GO, weil die Aufsichtsratsmitglieder in der Regel vom Rat entsandt werden. Dabei ist dem freiwilligen Nichtmitwirken der Vorzug zu geben vor einem entsprechenden Ratsbeschluss. Denn sollte das Verfahren vor Gericht kommen, dann sind die Beschlüsse im Rat bei freiwilliger Nichtmitwirkung rechtmäßig, während der Ausschluss von Ratsmitglieder durch einen Ratsbeschluss dann zur Rechtswidrigkeit der Ratsbeschlüsse führen würde, wenn das Gericht die Befangenheit verneinen würde.
Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt hatten bereits in ihrem Gemeinsamen Leitfaden vom 25.05.2015 (RZ. 25) die gleiche Auffassung vertreten:
„In der Konstellation, in der die Gemeinde sowohl als Anbieter als auch als Nachfrager nach Wegenutzungsrechten nachfragt, verlangt das Kartellrecht zur Wahrung des Geheimwettbewerbs und des Neutralitätsgebots in Anlehnung an den Rechtsgedanken des § 16 VgV (Anm. jetzt § 6 VgV) eine organisatorische und personelle Trennung zwischen der Kommune als verfahrensleitender Stelle und der Kommune als Bieter. Die in den Gemeindeordnungen vorgesehenen Regelungen zur Befangenheit von Gemeinderatsmitgliedern erfassen diese Konstellation nur unzureichend.“
Az.: 28.7.1-007/001 we