Mitteilungen - Bauen und Vergabe

StGB NRW-Mitteilung 211/2019 vom 29.03.2019

Bundesgerichtshof zu Belegungsrecht im sozialen Wohnungsbau

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 08.02.2019 entschieden (AZ: V ZR 176/17), dass bei der Förderung des sozialen Wohnungsbaus im sog. Dritten Förderweg individuell vereinbarte, zeitlich unbefristete kommunale Belegungsrechte unwirksam sind, und zwar auch dann, wenn die Kommune dem privaten Investor zur Errichtung von Sozialwohnungen kostengünstiges Bauland überlassen hat.

Der 5. Zivilsenat des BGH hat über die Klage einer Wohnungsgenossenschaft aus Hannover  entschieden, die feststellen lassen wollte, dass die an ihren Wohnungen bestellten städtischen Belegungsrechte - entgegen der vertraglichen Vereinbarung – nicht unbefristet bestehen, sondern nach Ablauf von 20 Jahren seit Bezugsfertigkeit enden. Die Genossenschaft wollte sich aus der Vertragsvereinbarung mit der Stadt Langenhagen aus den 1990er Jahren lösen, die die dauerhafte Nutzung als Sozialwohnungen vorschrieb.

Der BGH hat entschieden, dass die im vorliegenden Fall von der Wohnungsgenossenschaft übernommene, zeitlich unbefristete schuldrechtliche Verpflichtung zur Vermietung der Wohnungen an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen gemäß § 134 BGB unwirksam ist. Das Rechtsgeschäft war vorliegend im sogenannten dritten Förderweg auf der Grundlage von § 88d Abs. 2 WoBauG zustande gekommen. Diese Art der Förderung des sozialen Wohnungsbaus ermöglichte eine Vereinbarung des staatlichen Darlehensgebers mit einem privaten Bauherrn.

Dass zeitlich unbefristete Belegungsrechte hierbei nicht vorgesehen waren, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des damaligen Gesetzes. Gemäß § 88d Abs. 2 Nr. 2 WoBauG soll die Dauer der Zweckbestimmung der Belegungsrechte und der vereinbarten Regelung der Miete 15 Jahre nicht überschreiten, wenn nicht aufgrund der Zielsetzung und der Art der Förderung, insbesondere wegen der Bereitstellung von Bauland, „ein längerer Zeitraum“ geboten ist. Der BGH hat in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, dass bereits der Begriff „Zeitraum“ durch einen durch Anfang und Ende gekennzeichneten Zeitabschnitt gekennzeichnet sei. Mithin sei eine unbefristete Verpflichtung nicht zulässig.

Auch der Umstand, dass die Stadt der Klägerin nicht nur ein Darlehen gewährt, sondern ihr auch die erforderlichen Grundstücke verkauft habe, rechtfertige keine unbefristete Bindung. Nach der gesetzlichen Ausgestaltung gehöre es zum Konzept des dritten Förderwegs, dass die öffentliche Hand privaten Investoren nach Möglichkeit werthaltiges, kostengünstiges Bauland zur Verfügung stelle.

Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folge schließlich, dass der Staat einem Subventionsempfänger zur Sicherung der Zweckbindung der Subvention keine beliebigen Beschränkungen auferlegen dürfe. Beschränkungen müssten vielmehr geeignet und erforderlich sein, um den mit einer Subvention zulässigerweise verfolgen Zweck für einen angemessenen Zeitraum sicherzustellen. Daher könne einem Subventionsempfänger keine Bindungen auferlegt werden, die er ohne zeitliche Begrenzung einhalten müsse.

Anmerkung

Die Entscheidung des BGH dokumentiert, dass sich kommunale Belegungsbindungen regelmäßig am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientieren müssen. Insoweit bietet die BGH-Entscheidung wichtige Ansatzpunkte für die kommunale Praxis.

Der BGH hat klargestellt, dass es maßgeblich auf die Vorstellungen der beteiligten Parteien bei Vertragsschluss ankommt. Im vorliegenden Fall hätten im Zweifel die Belegungsrechte, die als Gegenleistung für ein Darlehen übernommen wurden, während der Laufzeit des vergünstigten Kredits fortbestehen sollen. Wann Belegungsrechte enden, hängt daher von den der Bauherrin gewährten Vorteilen ab. Der BGH hat zudem unterstrichen, dass dauerhafte Beschränkungen für private Investoren sich nur dann erreichen lassen, wenn der öffentliche Zweck nicht mit dem Instrument des Grundstücksverkaufs, sondern mit dem dazu bestimmten Instrument der Ausgabe eines Erbbaurechts verfolgt wird.

Die BGH-Entscheidung ist für die kommunale Praxis relevant. Die Anzahl der Sozialwohnungen in Deutschland ist zwischen 1989 und 2016 von 3,9 Millionen auf ca. 1,2 Millionen zurückgegangen. Mindestens weitere 50.000 Sozialwohnungen verlieren zudem pro Jahr ihre Zweckbindung. Der Neubau von Sozialwohnungen kann diese Verluste derzeit nicht ausgleichen. 2017 sind bundesweit lediglich 26.231 neue Sozialwohnungen entstanden. Hinzu kommt, dass Wohnungen mit Sozialbindung vielfach von Mietern genutzt werden, die aufgrund ihres Einkommens keine Berechtigung hierzu mehr haben.

Az.: 20.4.1.2-001/002 gr

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