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StGB NRW-Mitteilung 421/2022 vom 21.07.2022
BGH: Kommunales Internetportal darf auch journalistische Inhalte veröffentlichen
Der BGH hat mit Urteil vom 14. Juli 2022 (Az.: I ZR 97/21) festgestellt, dass das Internetangebot einer Kommune in Form eines Stadtportals, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch Informationen über das Geschehen in der Stadt abrufbar sind, das Gebot der "Staatsferne der Presse" nicht verletzt, wenn der Gesamtcharakter des Internetangebots nicht geeignet ist, die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Damit bestätigte der BGH eine Entscheidung des OLG Hamm. Für Städte und Gemeinden und deren Internetangebote ist dies von großer Bedeutung, da es mehr Freiheiten in der Berichterstattung über das Geschehen vor Ort ermöglicht. Geklagt hatte der Verlag Lensing-Wolff gegen das Internetportal der Stadt Dortmund.
Die schriftliche Urteilsbegründung des BGH liegt noch nicht vor, die veröffentlichte Pressemitteilung gibt aber einen deutlichen Hinweis darauf, dass das Gericht den Spielraum für Kommunen im Bereich der Online-Angebote nicht so restriktiv auslegt, wie dies bei den Amtsblättern der Fall ist.
Zum Sachverhalt
Die Klägerin ist ein Verlag, der neben Tageszeitungen in Form von Printmedien auch digitale Medien anbietet, darunter ein Nachrichtenportal. Die beklagte Stadt betreibt ein Internetportal, in dem nicht nur amtliche Mitteilungen, sondern auch redaktionelle Inhalte veröffentlicht werden. Nach der über das Internetportal abrufbaren Eigenwerbung soll es umfassend und aktuell über das Geschehen in der Stadt informieren.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen. Sie ist der Auffassung, das Internetportal überschreite die Grenzen der zulässigen kommunalen Öffentlichkeitsarbeit und sei deshalb nach § 3a UWG in Verbindung mit dem aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG folgenden Gebot der Staatsferne der Presse wettbewerbswidrig.
Das LG Dortmund hat der Klage stattgegeben. Nach einer Gesamtschau der Beiträge in dem Internetportal überschritten die vorgehaltenen Inhalte die Grenzen einer zulässigen kommunalen Berichterstattung. Auf die Berufung der Beklagten hat das OLG Hamm das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage abgewiesen, weil sich bei der gebotenen wertenden Betrachtung nicht feststellen lasse, dass der Gesamtcharakter des Portals geeignet sei, die Institutsgarantie der freien Presse aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden.
Entscheidung des BGH
Der BGH hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Das Internetportal der beklagten Stadt verstößt in der von der Klägerin beanstandeten Fassung nicht gegen das aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete Gebot der Staatsferne der Presse.
Umfang und Grenzen des Gebots der Staatsferne der Presse sind bei gemeindlichen Publikationen unter Berücksichtigung der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG und der daraus folgenden gemeindlichen Kompetenzen einerseits sowie der Garantie des Instituts der freien Presse des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG andererseits zu bestimmen.
Äußerungs- und Informationsrechte der Gemeinden finden ihre Legitimation in der staatlichen Kompetenzordnung, insbesondere in der Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG. Die darin liegende Ermächtigung zur Information der Bürgerinnen und Bürger erlaubt den Kommunen allerdings nicht jegliche pressemäßige Äußerung mit Bezug zur örtlichen Gemeinschaft. Kommunale Pressearbeit findet ihre Grenze in der institutionellen Garantie des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, welche die Freiheitlichkeit des Pressewesens insgesamt garantiert. Diese ist unabhängig davon einschlägig, dass die Klägerin nicht ein Druckerzeugnis der Beklagten, sondern deren Internetauftritt und damit ein Telemedienangebot beanstandet. Das Gebot der Staatsferne der Presse schützt auch vor Substitutionseffekten kommunaler Online-Informationsangebote, die dazu führen, dass die private Presse ihre besondere Aufgabe im demokratischen Gemeinwesen nicht mehr erfüllen kann.
Für die konkrete Beurteilung kommunaler Publikationen sind deren Art und Inhalt sowie eine wertende Gesamtbetrachtung maßgeblich. Dabei ist entscheidend, ob der Gesamtcharakter des Presseerzeugnisses geeignet ist, die Institutsgarantie aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG zu gefährden. Bei Online-Informationsangeboten, die nach ihren technischen Gegebenheiten nicht den für Druckerzeugnisse bestehenden Kapazitätsbeschränkungen unterliegen, ist das quantitative Verhältnis zwischen zulässigen und unzulässigen Beiträgen regelmäßig weniger aussagekräftig als bei Printmedien. Für die Gesamtbetrachtung kann deshalb bedeutsam sein, ob gerade die das Gebot der Staatsferne verletzenden Beiträge das Gesamtangebot prägen.
Die vom Berufungsgericht nach diesen Maßstäben vorgenommene Beurteilung des Internetportals der beklagten Stadt hat der BGH nicht beanstandet.
Anmerkung der Geschäftsstelle
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes ist aus kommunaler Sicht zu begrüßen und erhält den Kommunen einen Spielraum bei der Berichterstattung in ihren Online-Angeboten. Zwar stellt das Gericht klar, dass das Abstandgebot zu den Angeboten der freien Presse zu wahren ist, macht aber auch deutlich, dass sich die Online-Angebote nicht nur auf die Wiedergabe amtlicher Mitteilungen beschränken müssen.
Dabei hängt es nach der Auffassung des Gerichts auch nicht von der Anzahl journalistischer Beiträge oder von deren Verhältnis zu amtlichen Verlautbarungen ab. Es komme vielmehr darauf an, ob journalistische Artikel den Gesamteindruck des Mediums prägen.
Die Kommunen können somit im beschränkten Maße auch weiterhin über Inhalte mit lokalem Bezug berichten, wenn sie nicht erkennbar in Konkurrenz zu den lokalen Angeboten der freien Presse treten. Dabei ist wichtig, dass die Berichterstattung auf einem kommunalen Portal keinen ersetzenden Charakter für pressemäßige Berichterstattung haben soll, auch wenn nunmehr Spielräume in den Kommunen geschaffen werden, wo die Berichterstattung über lokales Geschehen nur in begrenztem Umfang stattfindet.
Eine detaillierte Einschätzung zu den kommunalen Spielräumen wird erfolgen können, sobald die schriftliche Urteilsbegründung vorliegt.
Az.: 13.0.15-001/001